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JOE KLAMAR / AFP / picturedesk.com
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RATGEBER GESUNDHEIT

Märchen als Spiegel des Lebens

Gerade im Advent ist die Zeit, um gemütlich mit den Kindern in der warmen Stube zu sitzen und Geschichten zu erzählen. Märchen nehmen dabei noch immer einen wichtigen Platz ein, denn in ihnen liegen tiefe, mystische Weisheiten verborgen, sagt Gesundheitspsychologin Sabine Fleisch in der ORF Radio Vorarlberg-Reihe „Neue Woche, neuer Gedanke“.

Sendungshinweis

„Neue Woche, neuer Gedanke“ – ORF Radio Vorarlberg am Vormittag, 4. Dezember 2023, 09.00 bis 12.00 Uhr

Märchen sind oft jenseits des rational Erklärbaren und können mehr über das Herz als den Verstand erfasst werden. Die bilderreiche Sprache ist zugleich Ausdruck als auch Anstoß mit dem Unterbewusstsein in Verbindung zu kommen. Der Psychiater und Psychoanalytiker Carl Gustav Jung hat sich dabei mit den sogenannten Archetypen und ihrer Wirkung auseinandergesetzt. Damit sind Urbilder bzw. Urvorstellungen zentraler Rollenbilder des kollektiven Bewusstseins gemeint, das alle Menschen in allen Kulturen miteinander verbindet. Diese archetypischen Muster sind zeitlos, so wie eben die Märchen auch, und spiegeln sich in alltäglichen Situationen des Lebens.

„So lade ich Sie ein, sich mit mir gemeinsam auf eine innere Entdeckungsreise zu machen, um zu erkennen, welche Rollen Sie selbst verkörpern bzw. in Ihrem Alltag begegnen. Als Einstimmung denken Sie an Ihr Lieblingsmärchen, oder eines das Ihnen jetzt spontan in den Sinn kommt. Bereits diese Wahl kann ein Hinweis darauf sein, welche Werte und Themen für Sie besondere Bedeutung haben, oder Ihnen als Kind vermittelt wurden“, sagt Gesundheitspsychologin Sabine Fleisch.

C.G. Jung (1875 – 1961)

Archetypen. Urbilder und Wirkkräfte des kollektiven Unbewussten. Edition C.G. Jung

Rebell, Zauberer und Helden

Ist bei Ihnen das Thema der Veränderung bzw. jenes, Spuren im Leben zu hinterlassen, wesentlich, so treten rasch der Archetyp des Rebellen, des Zauberers bzw. des Helden auf die Bühne. Jeder von ihnen schafft auf individuelle Art den Wandel. Während die Botschaft des Rebellen auf den Punkt gebracht: „Hauptsache anders!“ ist, und er keine Regeln und Konventionen kennt und mit seinen Ansichten manchmal andere vor den Kopf stößt oder selbst die Finger verbrennt, ist der Archetyp des Zauberers ein Visionär, der auf magische, idealistische Weise transformieren möchte. Als Dritter in diesem Bunde reiht sich der Held ein, welcher mutig und aufrichtig, und zugleich kämpferisch Veränderung schafft.

Sabine Fleisch, Klinische und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, neue Woche, neuer Gedanke bei ORF Radio Vorarlberg
Matthias Weissengruber
Sabine Fleisch, Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Psychotherapeutin

Von Entdeckern, Weisen und Unschuldigen

Beschäftigt Sie mehr das Thema der Sehnsucht, neue Ufer zu erschließen, und träumen Sie manchmal vom Paradies, so werden Sie bereits Bekanntschaft mit dem Entdecker, dem Weisen oder der Rolle des Unschuldigen geschlossen haben. Der Entdecker ist mit seiner furchtlosen Art zu jedem Abenteuer bereit und steht Neuem offen gegenüber. Er reist gerne, betritt und eröffnet neue Orte. Der Weise ist wissend und gelehrig zugleich und schafft durch seine Weisheit, welche die Grenzen des logischen Verstandes zu überschreiten, Zugang zu neuen Ebenen. Die Qualität des Unschuldigen liegt darin das Gute und Schöne in allem zu sehen und dadurch zu vermehren. Er ist offen und ehrlich, manchmal auch ein wenig naiv und zu gutgläubig.

Schöpferinnen, Herrscher und Betreuer

Liegt Ihr Schwerpunkt darin, im Leben Ordnung zu schaffen und Strukturen zu legen, dann haben Sie wahrscheinlich ein Naheverhältnis mit den Archetypen des Schöpfers, des Herrschers oder des Betreuers. Der Schöpfer, als inspirierender, kreativer Geist, ist mitreißend, innovativ und mit seinen Ideen manchmal auch provokativ. Der Herrscher ist selbstbewusst, der klassische Anführer, manchmal auch etwas dominant in seinem Auftreten. Er gibt den Kurs klar vor und verfolgt ihn zielstrebig. In der Rolle des Betreuers, sorgt man sich mehr auf mütterlich fürsorgliche Art um den Schutz und die Sicherheit der anderen. Es ist der selbstloseste Archetyp, der für Struktur und Ordnung sorgt und dadurch manchmal selbst zum Märtyrer wird.

Der Liebende, Narr und Jedermann

Der oder die Liebende, der Narr oder Jedermann sind klassische Beziehungsrollenbilder und darauf ausgerichtet, zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen und gestalten. Während die Liebende auf sensible, romantische Art und Weise und sinnlicher Ebene für Verbundenheit sorgt, und mit seiner Leidenschaft in den Bann zieht, verbindet der Narr die Menschen untereinander, indem er ihnen humorvoll die Masken abnimmt, und sie mit seiner kindlichen Verspieltheit ansteckt. Der Jedermann, als Dritter im Bunde der Beziehungsstifter, fällt durch seine bescheidene, freundliche Art auf, und ist auch bereit seine eigenen Bedürfnisse zugunsten der Harmonie der Gemeinschaft zurückzustellen. Er ist sozial gut verträglich und überall gerne gesehen.

So betrachtet ist das Leben eine große Bühne mit unterschiedlichen Akteuren, welche in der Szenerie des Lebens bestimmte Gesetzmäßigkeiten im Rollenverhalten zeigen. „Wählen Sie bewusst, wer Sie sein möchten, und welche Begleiter an Ihre Seite passen, um auch Ihr persönliches Märchen wahr werden zu lassen!“, sagt Gesundheitspsychologin Sabine Fleisch.