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Kzenon – stock.adobe.com
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Neue Woche, neuer Gedanke

Weil das Leben endlich ist

Wir Menschen setzen uns nicht freiwillig mit der Endlichkeit des Lebens und somit auch nicht mit der eigenen Begrenztheit auseinander. Warum dieser Gedanke aber uns bereichern kann, erklärt Psychotherapeutin Sabine Fleisch in der ORF Radio Vorarlberg-Reihe „Neue Woche, neuer Gedanke“.

Sendungshinweis

„Neue Woche, neuer Gedanke“ – ORF Radio Vorarlberg am Vormittag, 30. Oktober 2023, 09.00 bis 12.00 Uhr

Die Psyche unterstützt uns dabei, solche unliebsamen Tatsachen zu verdrängen, um die damit verbundenen Gefühle, vor allem Ängste, nicht spüren zu müssen. So meint man fälschlicherweise oft, dass Schicksalsschläge und Abschiede in erster Linie andere betreffen. Dieser sogenannte Abwehrmechanismus dient also einerseits zum Schutz vor zu großer Sorge, doch die Kehrseite ist, dass man unvorbereitet aus allen Wolken fällt, wenn das Schicksal einmal in unmittelbarer Nähe oder sogar bei sich selbst zuschlägt. „Deshalb ermutige ich Sie einmal in einem dafür passenden Augenblick bewusst die Frage zuzulassen: Warum soll ausgerechnet nicht auch mich ein Abschied oder Verlust, in welcher Form auch immer, treffen? Und spüren Sie nach, welche Gefühle in Ihnen dann plötzlich Raum bekommen“, sagt Gesundheitspsychologin Sabine Fleisch.

Sabine Fleisch, Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Psychotherapeutin
Matthias Weissengruber
Sabine Fleisch, Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Psychotherapeutin

Alles ist geliehen

Im gefühlten Bewusstsein der Endlichkeit ordnen sich Werte und Prioritäten neu, und man nimmt plötzlich die eigene Verletzlichkeit und Verwundbarkeit wahr. Grundsätzlich kann man sagen, dass die eigene Vergänglichkeit bereits mit der Geburt beginnt. Im Laufe eines Lebens müssen wir vieles lernen loszulassen. Manches urplötzlich, durch Krankheiten oder Unfälle, anderes Schritt für Schritt. Die Sinneskräfte verblassen, man braucht eine Brille oder ein Hörgerät, die körperliche Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit lassen nach, und der Aktionsradius verringert sich. In Krisenzeiten lernen wir wahre Freunde und Freundinnen von Schönwettergefährten zu selektieren, und im Laufe der Jahre muss jeder einzelne von uns auch die eine oder andere Illusion in der Liebe gehen lassen. Dies sind alles kleine Todeserfahrungen.

Auch Verluste in Bezug auf Beruf und Materie säumen Abschnitte des Lebensweges, und man spürt, woran man sich zu sehr gebunden hat, und es wird deutlich, dass einem letztlich nichts gehört, sondern alles nur geliehen ist.

Wenn das eigene Kind stirbt

Am verwundbarsten sind wir Menschen in nahen Beziehungen, innerhalb der eigenen Familie. Insbesondere Kinder nehmen darin einen großen Stellenwert ein. Wer in diesem Bereich Abschiede eingesteckt hat, ist in aller Regel nicht mehr dieselbe Person, wie davor.

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Das Leben verändert sich mit jedem Verlust, besonders nach dem Tod von Kindern

Die aktuelle Zeit vor Allerheiligen bietet sich somit an, nicht nur der Verstorbenen zu gedenken, sondern sich auch mit den eigenen Verlusten, der eigenen Vergänglichkeit auseinander zu setzen. Darüber zu trauern, was nicht mehr ist, und auch darüber, was durch den Verlust an potentiellen Möglichkeiten nicht mehr gelebt werden kann.

„Wahrlich frei leben können wir nämlich nur, wenn wir auch loslassen können, im Äußersten sogar zu sterben bereit sind – das heißt die Tatsache der Vergänglichkeit in unseren Alltag integriert haben. Das Leben selbst ist dazu der beste Lehrmeister“, sagt Psychotherapeutin Sabine Fleisch zum Thema Endlichkeit des Lebens.