Theaterspaziergang Schauspielerin in Sonnenlicht lehnt an Baum
Nick Wolfgang
Nick Wolfgang
Ratgeber Gesundheit

Lichtmangel: Die dunkle Seite unserer Innenraumgesellschaft

Evolutionsgeschichtlich suchte der Mensch Sicherheit und Schutz vor extremen Wetterbedingungen und wilden Tieren. Die Überlebenschancen wurden dadurch enorm gesteigert. Das war der erste Baustein für unsere moderne Zivilisation, aber auch der erste Schritt weg vom für Menschen wichtigen Tageslicht, erklärt Gesundheitscoach David Reif.

Der Umzug in Höhlen und später in Gebäude bedeutete, dass sich der Mensch immer mehr des Tageslichts beraubt hat. Unsere Zeit als „Innenraumgesellschaft“ verbringen wir meist in Büros, Industriehallen, Einkaufszentren und im Homeoffice. Nur noch acht Prozent unserer Zeit – im Jahresdurchschnitt – verbringen wir im Freien unter Tageslicht. Dabei ist Licht die Energie unseres Lebens. Alle biologischen und physiologischen Abläufe in unserem Körper werden durch Licht und Hormone gesteuert.

Arbeitsplatz, Büro
unsplash
Die Innenraumgesellschaft kommt an den Arbeitsplatz, wenn es noch dunkel ist, und geht, wenn es schon wieder dunkel ist.

Ein wichtiges Hormon für den Menschen ist Melatonin. Bekannt als Schlaf-Wachhormon kann es so viel mehr. An diesen Körperfunktionen ist Melatonin beteiligt:

  • Schlaf-Wachrhythmus
  • Nieren- und Blutdruckfunktion
  • Immun-Stimulanz
  • Tumorhemmer (es bekämpft die freien Radikalen)
  • Gonaden-Tätigkeit (Keimdrüsen)
  • Körpertemperatur
  • Hormonhaushalt

Das Multitalent Melatonin wirkt 60-fach stärker als Vitamin C oder E. Aber wie entsteht dieses Hormon? In unseren Augen befinden sich auf der Netzhaut fotosensitive Ganglienzellen, die auf Licht mit einem hohen Blaulichtanteil reagieren. Im Zusammenspiel mit einer höheren Beleuchtungsstärke entstehen Steuerungsimpulse ins Gehirn. Dort befindet sich die Zirbeldrüse, und diese schüttet aufgrund dieser Impulse Hormone aus.

Sendungshinweis

„Reif fürs Leben“ – ORF Radio Vorarlberg am Vormittag, 19. Oktober 2023, 09.00 bis 12.00 Uhr

Morgens werden die Hormone Serotonin und Cortisol ausgeschüttet. Serotonin ist bekannt als Glückshormon, welches unser Wohlbefinden in Einklang bringt – also zuständig für gute Stimmung. Cortisol ist ein Stress- und Aktivierungshormon, das uns aktiviert. Wenn im Tagesverlauf das Blaulichtspektrum immer mehr nachlässt und immer weniger Licht mit Blaulichtspektrum ab dem Nachmittag ins Auge fällt, schüttet die Zirbeldrüse das Hormon Melatonin aus.

Durch dieses Hormon kommt der Körper immer mehr zur Ruhe und bereitet ihn auf den Schlaf vor. Voraussetzung dafür ist, dass tagsüber genügend Cortisol und Serotonin gebildet wurde. Darum ist es so wichtig, täglich Zeit im Freien zu verbringen. Den Studien zu Folge wäre eine Stunde zwischen 10.00 und 14.00 Uhr von Vorteil. In dieser Zeit ist der Blaulichtanteil am größten. „Ihr müsst nicht in der Sonne sitzen, das wäre im Übermaß schädlich. Der diffuse Himmel versorgt uns Menschen in ausreichendem Maße mit Licht“, sagt Gesundheitscoach David Reif, der selbst jede freie Minute am liebsten in der Natur genießt.

David Reif, Dipl. psych. GuKP, Gesundheitstipps ORF Radio Vorarlberg
David Reif
David Reif ist Dipl. psych. GuKP und Coach

Viele Menschen sind richtige Lichtmuffel. Dagegen würden biodynamische Leuchten helfen, wenn möglich nicht nur in der Wohnung sondern auch in Arbeitsräumen. Diese Leuchten holen das Tageslichtspektrum in den Raum, was über die Steuerungstechnik im Zusammenspiel mit LEDs ermöglicht wird.

Das Leben in dieser nervösen, digitalen Welt führt sehr leicht zu einem Melatonin-Mangel. Gerade in Herbst und Winter gehen viele zur Arbeit, wenn es noch dunkel ist, und kommen nach Sonnenuntergang wieder nach Hause. „Hier sollte man sich darüber im Klaren sein, dass das Licht in den Gebäuden immer dieselbe Lichtfarbe aufweist und überhaupt nicht dynamisch ist. Dynamisch stetig ändernde Lichtfarben existieren nur in der freien Natur!“, erklärt David Reif, der sein Wissen auch in Gruppentherapien weiter gibt.

Viele LED-Leuchtmittel weisen ein kaltweißes Licht auf. Der Blaulichtanteil ist dadurch sehr hoch. Abends wird es schwer sein zu schlafen, denn der Körper wird durch das Blaulichtspektrum aktiviert.

Folgen von Melatonin-Mangel

  • Vom Stimmungstief bis hin zur diagnostizierten Depression (leicht-, mittel- oder schwergradig)
  • Schlafstörungen
  • Chronisches Müdigkeitssyndrom
  • Konzentrationsprobleme
  • Anfälligkeiten für Erkältungen- und Virusinfektionen
  • Verfrühte Pubertät
  • Erhöhtes Krebsrisiko
  • Das fehlende und falsche Lichtspektrum, Alkohol, Drogen, Nachtleben oder Nachtarbeit können einen Melatonin-Mangel auslösen.