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„Causa Wirtschaftsbund“: Nationalrat will Akten

Zwei Themen um den Wirtschaftsbund sorgen momentan für Diskussionen. Zum einen prüft die Steuerbehörde die Inserate des Wirtschaftsbund-Magazins und die Geldflüsse an die Landespartei. Der Untersuchungsausschuss im Nationalrat möchte dazu nun auch Akten anfordern. Zum anderen wird wieder über die Inseratenvergaben selbst diskutiert.

Grüne und SPÖ bestätigen, dass sich der ÖVP-Korruptionsausschuss im Nationalrat mit den Anzeigenumsätzen des Wirtschaftsbundes und dessen Verstrickungen befassen möchte. Es ist aber noch nicht fix. Am Donnerstagabend findet erst eine Geschäftsordnungssitzung statt, sagt die Grüne Fraktionsführerin im U-Ausschuss Nina Tomaselli. Es gebe Pläne, die Akten vom Finanzministerium anzufordern. Aber in einer solchen Sitzung könne immer alles passieren.

Magazin als „Cash Cow“

Nach Recherchen der „Vorarlberger Nachrichten“ dürfte das Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“ des Vorarlberger Wirtschaftsbundes eine wahre Cash Cow sein. Die „VN“ errechnete anhand einer Inserate-Auswertung der Publikation, die mit einer Auflage von 20.000 Stück erscheint, einen jährlichen Anzeigenumsatz von rund 1,2 Mio. Euro allein 2021. Wirtschaftsbunddirektor Jürgen Kessler dementierte gegenüber der Zeitung, diese Umsatzschätzung sei "viel zu hoch.

70 Prozent Anzeigen

Von Dezember 2020 bis Ende 2021 erschienen insgesamt 364 Seiten Inserate oder PR-Artikel in dem Magazin, das bis zu 70 Prozent aus Anzeigen bestand. Inserate im Bruttowert von 103.500 Euro – ein Seitenpreis von 3.000 Euro zugrunde gelegt – erschienen im Auftrag von Landesunternehmen. So buchten die Hypo Vorarlberg elf Seiten, die Wirtschafts-Standort Vorarlberg GmbH (WISTO) und Vorarlberg Tourismus je sechs Seiten, der Landesenergieversorger illwerke/vkw fünfeinhalb Seiten.

Weitere Inserate kamen unter anderem vom Forschungsdienstleister V-Research, vom Vorarlberger Verkehrsverbund, von Wirtschaftskammer-Fachgruppen, den ÖBB oder dem AMS. Hypo Vorarlberg und illwerke/vkw verwiesen gegenüber den „VN“ auf Geschäftskunden als interessante Zielgruppe, man habe in dem Magazin für konkrete Produkte und Dienstleistungen geworben.

ÖVP-Unterstützer inserierten

In der Anzeigenauswertung tauchen auch ÖVP-Unterstützer auf: So schaltete der Fruchtsafthersteller Rauch binnen zwölf Monaten sieben Seiten, acht Seiten kamen vom Getränkedosen-Hersteller Ball. Auch Hirschmann Automotive inserierte mehrfach. Zudem summierten sich die Klein-Inserate unter 3.000 Euro während des Jahres 2021 auf 298.500 Euro.

Krankenkassen kamen häufig vor

Auch die Krankenkassen ÖGK und SVS kamen 2021 häufig in der „Vorarlberger Wirtschaft“ vor. Dafür soll laut Kessler aber kein Geld geflossen sein, es habe sich um „redaktionelle Serviceseiten“ gehandelt. Manfred Brunner, Obmann der ÖGK Vorarlberg, bestätigte den „VN“, die ÖGK habe nie eine Anzeige geschaltet. Dies sei „Sache von Jürgen Kessler“ gewesen, der sich damals mit Brunner die ÖGK-Obmannschaft teilte.

Kessler bereits Dezember in Schlagzeilen

Kessler hatte diese Funktion Anfang 2022 überraschend „aus persönlichen Gründen“ zurückgelegt. Zuvor, im Dezember 2021, war Kessler wegen Inseratenpraktiken erstmals in die Schlagzeilen geraten. Er hielt über die 3L Consult GmbH 49,9 Prozent an der Kommunikationsberatung Mediateam, die auch den Inseratenvertrieb der Kammerzeitung „Die Wirtschaft“ abwickelt. Zehn Prozent hielt Geschäftsführer Markus Steurer, 40 Prozent Russmedia.

Anzeigengeschäft auch für weitere Kammer-Publikationen

Infolge der öffentlichen Aufregung gab Kessler seine Anteile ab, nun hält Russmedia laut „Standard“ 75 Prozent, 25 Prozent gehören dem Geschäftsführer. Mediateam betreut auch die Wirtschaftskammerpublikationen „thema vorarlberg“ und „Check Lehre“, die Ärztekammerzeitung „Arzt im Ländle“ und die Landwirtschaftskammerzeitung „Unser Ländle“. Das nächste Erscheinen ist für 4. April angekündigt, die Ausgabe ist laut Kessler in Arbeit.

Tatsächliche Summen noch offen

Wie viel Geld über das Wirtschaftsbund-Magazin nun tatsächlich lukriert wurde, bleibt weiter offen. An die ÖVP-Landespartei geflossen sein sollen lediglich rund 100.000 Euro pro Jahr. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte gegenüber der APA erklärt, die ÖVP habe vom Wirtschaftsbund nur einmal pro Legislaturperiode Geld erhalten, zuletzt 2019 500.000 Euro.

Hinteregger: „Die Blase ist noch weit gößer“

Zu Wort meldete sich nach dem ehemaligen Tischler-Innungsvertreter Michael Stadler am Donnerstag auch der langjährige Obmann der Sparte Industrie, Christoph Hinteregger. Er könne die Aussagen Stadlers nur bestätigten, „aber die Blase ist noch weit größer als bisher bekannt“. Es müsse nun reiner Tisch gemacht werden. „Eine Beseitigung der bisher geübten Praxis im Wirtschaftsbund tut der Wirtschaft und dem Land gut“, so Hinteregger in den „VN“.

Angeblich laufen Telefone heiß

Eine Neuordnung verlangte auch der ehemalige Obmann des Wirtschaftsbundes Wolfurt (Bez. Bregenz). Was nun ans Licht komme, schade der Wirtschaftskammer und der Landes-ÖVP. Dem Vernehmen nach sollen die Telefone in der ÖVP-Landesparteizentrale in der Sache inzwischen heiß laufen, Funktionäre luden dort ihren Unmut ab.

Opposition fordert Konsequenzen

SPÖ-Wirtschaftssprecher und SWV-Präsident Christoph Matznetter verlangte, die ÖVP Vorarlberg solle die vom Wirtschaftsbund erhaltenen Beträge als Wiedergutmachung an die Wirtschaftskammer zurückzahlen. „Die Wirtschaftskammer ist kein Selbstbedienungsladen für wahlwerbende Gruppen, sondern Interessenvertretung der Betriebe“, betonte er. Dass Kammerpflichtmitglieder unter Druck gesetzt worden seien, zeichne ein „erschreckendes Sittenbild“, so Vorarlbergs NEOS-Kluobfrau Sabine Scheffknecht. Erschreckend sei das Schweigen von ÖVP-Parteiobmann Wallner und Wirtschaftskammerpräsident Hans Peter Metzler. „Wenn ein Mitarbeiter zu solchen Methoden greift, wie es Jürgen Kessler mutmaßlich getan hat, muss eine Führungsperson Konsequenzen ziehen“, betonte sie.