Mario Leiter Sommergespräch
ORF Vorarlberg
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Sommergespräch

Gemeinnütziger Wohnbau: Leiter ortet „eklatanten Missstand“

Am Dienstag war Mario Leiter, designierter Landesparteivorsitzender der SPÖ, bei den ORF Vorarlberg-Sommergesprächen zu Gast. Dabei hat er die schwarz-grüne Regierung insbesondere hinsichtlich des gemeinnützigen Wohnbaus kritisiert. Von 4.000 im Regierungsprogramm festgelegten Wohnungen habe man erst 1.800 gebaut, was er als „eklatanten Missstand“ bezeichnet.

„Für mich ist es ein Trauerspiel. Die schwarz-grüne Regierung hat in ihrem Regierungsprogramm tatsächlich 4.000 Wohnungen angekündigt“, kritisiert Leiter. Davon hätte man bisher erst 1.800 Wohnungen gebaut, bis zur nächsten Wahl kämen schätzungsweise noch etwa 300 bis 400 fertige Wohnungen hinzu. „Hier muss man wirklich ansetzen“, fordert er im Gespräch mit Chefredakteurin Angelika Simma-Wallinger und Daniel Rein (Koordinator Fernsehen).

Die Bauwirtschaft und das Baunebengewerbe würden derzeit „brach dar liegen“, die Teuerungswelle habe auch die Baubranche massiv getroffen. Jetzt sei es an der Zeit, atypisch zu finanzieren und „ins Bauen und ins Tun zu kommen“, betont Leiter. „Da kann man schon vieles bewegen, wenn der Politiker nur will“, stellt er fest. Die für den Herbst angekündigte Wohnbauoffensive der Landesregierung bezeichnet er als „Hinterzimmerpolitik“.

Jede Stimme zählt – die ORF Vorarlberg Sommergespräche mit Mario Leiter, SPÖ

Wie werden sich die Vorarlberger Sozialdemokraten unter ihrem neuen Landesparteivorsitzenden Mario Leiter entwickeln? Steht er für traditionelle rote Werte oder müssen sich die Genossinnen und Genossen in Vorarlberg auf einen Kurswechsel einstellen? Daniel Rein und Angelika Simma-Wallinger stellen die Fragen und das ORF Vorarlberg-Publikum sagt, was in Vorarlberg wirklich unter den Nägeln brennt.

Harmonisches Miteinander tut der Wirtschaft gut

„Die Arbeitszeitregelung oder Arbeitszeitverkürzung war immer schon ein großes Thema“, gibt Leiter zu bedenken. In den 1970er-Jahren hätten die Menschen noch 45 Stunden pro Woche gearbeitet. „Das war ein großer Kampf der Gewerkschaften“, betont er. Eine gesetzliche Grundlage und Kollektivverträge seien dabei eine wichtige Grundlage.

„Wenn man über eine Kaskade geht, dann sagt man Gesetz, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung plus Einzelvereinbarung, dann kommt man zu einem harmonischen Miteinander, die der Wirtschaft guttut“, ist Leiter überzeugt. Damit könne die Wirtschaft wachsen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitnehmen.

Klimaproteste im Sinne des Gesetzes anlegen

Bezüglich Klimaprotesten regt Leiter an, sie richtig zu kommunizieren und im Sinne des Gesetzes anzulegen. „Wir müssen uns versammeln dürfen. Wir dürfen auf die Straße gehen, wenn uns etwas nicht passt“, betont er. Das Kleben sei insofern eine große Problematik, als sich die Polizei darauf einstellen und beispielsweise den Verkehr umleiten könnte, wenn es als Versammlung gemeldet werde, gibt Leiter zu bedenken.

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Mario Leiter, designierter Landesparteivorsitzender der SPÖ, bezeichnet sich selbst als „sehr direkt“

„Ich bin auch sehr direkt“

Leiters Vorgängerin an der Spitze der Voralberger SPÖ, Gabriele Sprickler-Falschlunger, galt als sehr direkt. Auf die Frage hin, ob Leiter selbst diplomatischer sein werde, stellte er klar: „Ich bin auch sehr direkt.“ Gerade in Bezug auf die Inseraten-Affäre des Wirtschaftsbunds stelle es ihm „ganz groß die Haare auf“, beschreibt er.

Diesbezüglich wolle er Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in die Pflicht nehmen und wissen, wo er in der Frage bleibe. „Hat er 2022 einen Aprilscherz gemacht mit der Aussage, er stampft das ein, es gibt kein Wirtschaftsmagazin mehr?“, fragt sich Leiter. Ein Jahr vor der Landtagswahl komme das Magazin nun wieder. Er wolle wissen, ob Wallner Wort halte oder ob die „Gier des Wirtschaftsbunds“ dafür verantwortlich sei, dass man wieder Inserate keile.

Politik mache zu wenig gegen die Teuerung

Was die Teuerung angeht, mache die Politik – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene – Leiter zufolge zu wenig. „Wir könnten hier viel machen, man müsste nur die Kompetenzen jeweils nutzen“, betont er. Als Beispiel führt er an, dass viele Bürgermeister die Kinderbetreuung in ihren Gemeinden gerne kostenlos anbieten würden. Diesem Vorhaben stelle sich das Landesgesetz aber entgegen, weil die Förderung für das Personal daran hänge.

„Hier muss man darüber nachdenken, ob man das Geld anders verteilt und den Gemeinden das möglich macht“, gibt er zu bedenken. „Der Zustand, der jetzt da ist, dass das Leben so teuer ist, dass es nicht mehr finanzierbar ist, sollen wir dem tatenlos zuschauen?“, antwortete Leiter auf die Frage hin, woher das Geld für eine kostenlose Kinderbetreuung kommen soll. „Wir hinken hinten nach“, wirft er der Politik vor.

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Mario Leiter (SPÖ) im Gespräch mit Chefredakteurin Angelika Simma-Wallinger und Daniel Rein (Koordinator Fernsehen)

Menschen brauchen „verdammt noch mal viel mehr Geld“

Bezüglich der Erbschaftssteuer sei Leiter in regem Austausch mit SPÖ-Bundesparteichef Andreas Babler. „Für mich ist klar: Kein Häuslebauer in Vorarlberg darf jemals von der Erbschaftssteuer betroffen sein“, betont er. Dabei herrsche Konsens. Darüber hinaus würde sich eine Arbeitsgruppe auf Bundesebene mit dem Thema beschäftigen. Die Ergebnisse würden dann aufgearbeitet und demnächst kommuniziert werden, erklärt Leiter.

Hinsichtlich einer möglichen Vermögenssteuer zeigt sich Leiter mit dem Grundsatz einverstanden, die Steuern für die „Reichen“ zu erhöhen, wenn dafür die Steuer auf die Arbeit reduziert werde. „Es muss einfach mehr Netto für Brutto in der Tasche bleiben. Die Menschen brauchen – Entschuldigung – verdammt noch mal viel mehr Geld als sie jetzt in der Tasche haben“, betont er. „Viele haben wirklich große Sorgen“, das sehe er in seiner täglichen Polizeiarbeit als Stadtkommandant in Bludenz.

S18: Befragung der Bevölkerung nicht entscheidend

Leiters Fraktion hat gegen die geplante Volksbefragung der Lustenauer Bürgerinnen und Bürger zur S18 gestimmt. Die Gemeinde habe schließlich keine rechtlichen Möglichkeiten, hier einzugreifen. Damit könne man zwar ein Stimmungsbild einfangen, „aber es ist nicht entscheidend, sie können damit nichts rechtswirksam bewegen“, erklärt Leiter.

Der Erweiterung des Messeparks hingegen erteilt Leiter ein klares Ja, zumindest einer maßhaltenden Erweiterung. Der Messepark sei mit 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber in Dornbirn, durch eine Erweiterung kämen rund 300 Arbeitsplätze dazu.

Darüber hinaus seien etwa 50 Unternehmen aus Vorarlberg darin angesiedelt. „Es ist wichtig, dass sich genau auch diese Betriebe erweitern dürfen, dass sie wachsen dürfen“, betont Leiter. „Wir kämpfen derzeit nicht gegen Innenstadt und grüne Wiesen, wir kämpfen gegen den Internethandel“, meint er.

Suche nach Pflegepersonal „immer dramatischer“

Der Pflegekräftemangel und die damit verbundene Suche nach Personal sei ein großes und schwieriges Thema, Pflegekräfte zu finden werde immer dramatischer. Leiter zufolge hätte man damit bereits vor fünf bis zehn Jahren beginnen müssen. Gerade Tagesbetreuungsplätze für Seniorinnen und Senioren würden immer wichtiger werden, betont er, denn die pflegenden Angehörigen würden eine Auszeit benötigen. Das Burgenland ist für Leiter in diesem Bereich ein Vorbild: Dort habe man eine gute Lösung gefunden und die Hauspflege geschützt.