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Politik

Gemeinden wettern gegen Bericht des Rechnungshofes

Das Flächenmanagement der Gemeinden Sulzberg, Doren und Schruns stößt beim Landes-Rechnungshof auf Kritik. Er ortet in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht Nachteile für die öffentliche Hand. Die Banken profitierten hingegen von höheren Zinsen. Die betroffenen Gemeinden sind mit dem Rechnungshofbericht alles andere als glücklich.

Flächenmanagement ist für die meisten Kleingemeinden nicht leistbar. Die Sicherung strategischer Grundstücke sowie die Planung und die Durchführung von Immobilienprojekten sind oft zu teuer. Der vom Land angekündigte Bodenfonds soll da Abhilfe schaffen. Große Würfe sind mit den bisher dotierten zwei Millionen Euro aber nicht zu erwarten. Etliche Gemeinden haben sich bisher mit Kooperationen beholfen, die sie mit Privaten eingehen.

So hat man in Sulzberg, Schruns und Doren mithilfe eines Beratungsunternehmens und lokaler Raiffeisenbanken strategische Immobilienprojekte entwickelt. Für deren Planung und Umsetzung wurden sogenannte Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaften gegründet. Diese drei hat sich der Landes-Rechnungshof für seinen jüngsten Prüfbericht angesehen.

Schulden aus dem Budget heraushalten

Für die Gemeinden haben die Projektgenossenschaften einen großen Vorteil: Die Finanzierung erfolgt außerhalb der Gemeindebudgets und wird daher auch nicht für die Einhaltung von Schuldenregeln schlagend. Die Gemeinden müssen für die Projekte natürlich trotzdem Geld aufstellen, das wird aber je nach Tragfähigkeit des Projekts laufend zugeschossen. Außerdem beteiligen sich auch die privaten Projektpartner, die Banken und das Beratungsunternehmen ISK. In allen drei überprüften Gemeinden war laut Landes-Rechnungshof der finanzielle Spielraum eng.

Der Landes-Rechnungshof kritisiert einerseits die fehlenden Kalkulierbarkeit der Finanzierung über die Projektgenossenschaften, andererseits wünscht er sich mehr demokratische Kontrolle. Gemeindevertretung und Aufsichtsbehörde müssten nicht laufend informiert werden, heißt es im Bericht. Außerdem seien die privaten Partner „miteinander verflochten“. Die Gemeinden stehen also einer Allianz aus Beratern und Banken gegenüber. In den Gemeinden sieht man die Projektgenossenschaften durchwegs positiv. Man hätte wichtige Projekte ohne sie nicht umsetzen können, heißt es. In Sulzberg betont man etwa, dass man der Genossenschaft die Ansiedlung eines Gemeindearztes verdanke. Der Landes-Rechnungshof hielt allerdings fest, dass die Gemeinde dem Arzt dafür eine Wohnung unter dem Ankaufspreis weitergegeben hatte. Dieser hat sie dann gewinnbringend weiterverkauft.

Vorarlbergs Bevölkerung wächst langsamer

Zum Stichtag 31. März 2024 waren in Vorarlberg 410.661 Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Das sind um nur 2.750 Hauptwohnsitze bzw. 0,7 Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Zuwachs hat sich damit deutlich verlangsamt, informierte die Landesstelle für Statistik am Donnerstag in ihrem aktuellen Bericht.

Schwierige Lage in Doren

Während die Projektgenossenschaften in Sulzberg und Schruns wirtschaftlich tragfähig sind, gestaltet sich die Lage in Doren schwieriger. Dort wurde zum Beispiel ein Teil eines Gebäudes der örtlichen Projektgenossenschaft an die Gemeinde vermietet. Die Genossenschaft schrieb aber durchwegs rote Zahlen, das Eigenkapital war bis zuletzt negativ. Die Projektpartner, Gemeinde, Bank und Berater, beschlossen zwar 2020, neues Geld zuzuschießen, während die privaten Genossenschafter aber ihren Beitrag bald bezahlten, dauerte es drei Jahre bis die Gemeinde ihren Anteil überwies.

Im Fall Doren waren die Vorteile, die der Gemeinde aus der Abwicklung von Grundstückentwicklungen über die Projektgenossenschaft entstehen sollten, für die Prüfer „nicht ersichtlich“. Dass die Projektgenossenschaft zuerst die Immobilie gekauft und dann an die Gemeinde vermietet hatte, habe Mehrkosten verursacht. Insgesamt legt der Landes-Rechnungshof den drei geprüften Gemeinden nahe, ihre Leistungen für die Genossenschaften auch abzurechnen. In einem Fall zahlte etwa die Gemeinde den Abbruch eines alten Gebäudes. Die privaten Partner hatten im Gegensatz dazu keine Skrupel, ihre Kosten in Rechnung zu stellen.

Ein Foto von der Gemeinde Doren.
Gemeinde Doren
In Doren betont man den Nutzen der Projektgenossenschaft für die Gemeinde.

Außerdem, so steht es im Prüfbericht, hat es die Gemeinde Doren verabsäumt, für das Geschäft die Genehmigung der Aufsichtsbehörde einzuholen. Auch ein an sich notwendiger Beschluss der Gemeindevertretung wurde erst Jahre später gefasst. Bei der Gemeinde betont man, dass man erst durch den Ankauf der Sohm-Grundstücke durch die Genossenschaft in die Lage versetzt worden sei, knapp 20.000 Quadratmeter Wohnfläche für leistbares Wohnen zur Verfügung zu stellen.

Kauf von landwirtschaftlichen Flächen

Schwierigkeiten gab es in Schruns und Doren beim Kauf landwirtschaftlicher Grundstücke für Immobilienprojekte. Die Projektgenossenschaften mit den Gemeinden bieten für die privaten Partner hier einen klaren Vorteil: Sie können sich so an Bauprojekten auf früheren Agrarflächen beteiligen. Die Grundstücke werden nach dem Ankauf von den am Projekt beteiligten Gemeinden umgewidmet. Solche Vorgehensweise sind in Vorarlberg kein Einzelfall.

Damit war allerdings die Grundverkehrskommission bei Projekten in Schruns und Doren nicht einverstanden. Die Behörde wacht über den Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen. Der unterliegt Beschränkungen, denn die Grundstücke sollen grundsätzlich für landwirtschaftliche Betriebe reserviert bleiben. In den zwei Fällen landete der Streit um den Grundstückskauf vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG). Die beiden Gemeinden bekamen dort zwar Recht, der Fall aus Doren liegt aber derzeit noch beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Die Grundverkehrskommission wollte sich nicht mit der für die Projektgenossenschaft positiven Entscheidung des LVwG abfinden.

Streit über Zinsvorteil

Das Beratungsunternehmen ISK, mit dem alle Gemeinden ihre Projektgenossenschaften gründeten, holte auch verschiedene Raiffeisen-Banken ins Boot. Die Raiffeisen-Landesbank ist auch an der ISK beteiligt. Die Berater bewarben den Nutzen der Genossenschaften gegenüber den Geldinstituten mit höheren Zinsen. Die beteiligten Raiffeisen-Banken profitierten also davon, dass sie für Kredite für Projekte der Genossenschaften mehr verlangen konnten, als sonst bei Gemeinden üblich.

In einer gemeinsamen Stellungnahme an den Landes-Rechnungshof stellen die betroffenen Gemeinden das in Abrede: „Das ISK wirbt in seinen Unterlagen nicht damit, dass für die Bank ein Zinsaufschlag grundsätzlich über Marktniveau möglich ist“, heißt es. Auf der Webseite des ISK findet sich allerdings ein entsprechendes Dokument. Darin heißt es in einer Liste mit Geschäftsvorteilen für die Banken wortwörtlich: „Zinsaufschlag über Marktniveau“. Daran, dass die Raikas die Kredite an die Genossenschaften selbst vergeben würden, bestand offenbar kein Zweifel. Die Genossenschaften holten nicht einmal Vergleichsangebote ein.

Mehrere Problemfelder identifiziert

Weitere Probleme ortet der Landes-Rechnungshof im sogenannten Compliance-Bereich, also dort, wo es um die Einhaltung von Anti-Korruptionsregeln geht. So bildeten die Vorstände der Genossenschaften auch gleichzeitig die Generalversammlung, kontrollierten sich also selbst. Auch die internen Kontrollsysteme seien „mangelhaft“ gewesen, heißt es im Bericht. So habe es „Einzelzeichnungsberechtigungen für alle Bankkonten“ gegeben. Eine Person konnte also ohne Vier-Augen-Prinzip über das gesamte Kontovermögen einer Genossenschaft verfügen.

Kritik an Zwischenüberschrift

Die Gemeinden betonen zwar, dass sie den Austausch mit dem Landes-Rechnungshof insgesamt als „unterstützend und bereichernd“ wahrgenommen hätten, einzelne Passagen des Berichtes seien aber „fachlich nicht nachvollziehbar“. Es stimme auch nicht, dass die Gemeindevertretungen nicht informiert worden seien.

An mehreren Stellen widersprechen sie der begründeten Rechtsansicht des Landes-Rechnungshofes. Zudem beschweren sie sich über die Zwischenüberschrift „Öffentlich-private Partnerschaft mit Tücken“ im Prüfbericht. Diese werde „der Seriosität des Rechnungshofes nicht gerecht“. Schruns, Sulzberg und Doren hoffen vielmehr, dass nach dem Bericht noch weitere Projektgenossenschaften gegründet werden.

„Keine Werbebroschüren“

Landes-Rechnungshofdirektorin Brigitte Eggler-Bargehr betonte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag, dass die Prüfung grundsätzlich in einer positiven Atmosphäre stattgefunden habe. Der Forderung der Gemeinden, die Projektgenossenschaften positiver darzustellen, könne man aber nicht nachkommen: „Der Landes-Rechnungshof schreibt Prüfberichte und keine Werbebroschüren.“

Der Landes-Rechnungshof sieht es außerdem kritisch, dass die Gemeinden nur schwer aus den Genossenschaften aussteigen können. In besonderen Fällen könnten sie im Vorstand sogar überstimmt werden, obwohl sie die Mehrheit der Anteile halten. Den Prüfungsausschüssen der Gemeinden sollten zumindest umfangreiche Prüfrechte eingeräumt werden. Außerdem sollten die Genossenschaften ein größeres Augenmerk auf die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungsfindung legen: „Vereinzelt kam es zur Beschlussfassung durch das falsche Organ oder konnten Beschlüsse gar nicht vorgelegt werden.“