Sommergespräch Grüne
ORF Vorarlberg
ORF Vorarlberg
„Sommergespräch“

Grüne halten Wohnsituation für „Wahnsinn“

Die Sommergespräche des ORF Vorarlberg wurden am Freitag mit den Grünen fortgesetzt. Bei Chefredakteurin Angelika Simma-Wallinger und Daniel Rein, Koordinator Fernsehen, war die Grüne Doppelspitze, bestehend aus Klubobfrau Eva Hammerer und Landesrat Daniel Zadra, zu Gast. Das Gespräch drehte sich unter anderem um die Wohnsituation in Vorarlberg, die Hammerer als „Wahnsinn“ bezeichnete.

„Die Wohnsituation in Vorarlberg ist tatsächlich ein Wahnsinn“, merkt Hammerer an. Die Kosten würden stetig steigen, ein Eigenheim zu finanzieren sei sehr schwierig, betont sie. „Wir machen hier in der Koalition schon länger Druck bei diesem Thema und haben uns auf ein großes, dringendes Wohnpaket geeinigt, das im Herbst präsentiert wird“, berichtet Hammerer.

Gemeinnütziger Wohnbau im Fokus

Die Grünen hätten bereits im Frühjahr 1.000 neue – geförderte – Wohnungen gefordert, betont Hammerer. „Der gemeinnützige Wohnbau wird hier ein großer Teil sein, aber auch Wohnungen, wo junge Menschen schnell von zu Hause ausziehen können“, beschreibt die Klubobfrau der Grünen.

Durch den Ukraine-Krieg habe man gesehen, dass die Baubranche eingebrochen sei. Die Situation sei jetzt eine andere. Angesprochen darauf, was man unternehmen werde, wenn es nicht möglich sei, die 800 im Regierungsübereinkommen vorgesehenen gemeinnützigen Wohnungen zu bauen, winkt Hammerer ab: „Das muss gelingen, das kann gelingen“, ist sie überzeugt. Dafür werde man sorgen.

Co2-Steuer: Einnahmen kommen Bevölkerung zugute

Die Co2-Steuer wurde unter anderem auf Druck der Grünen hin eingeführt. Zadra zufolge würde die Steuer die Teuerung in keinem Fall antreiben, im Gegenteil. Man besteuere damit im Zuge der ökosozialen Steuerreform umweltschädliches Verhalten und könne die Einnahmen daraus eins zu eins an die Bevölkerung verteilen. Die Bevölkerung könne dann selbst entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben und welchen Weg sie bei der Mobilität einschlagen würden, betont er.

Jede Stimme zählt – die ORF Vorarlberg Sommergespräche mit Eva Hammerer und Daniel Zadra, Die Grünen

Wie hat sich die Doppelspitze bei den Vorarlberger Grünen bisher geschlagen? Welche Erfolge sehen sie in der Regierungsbeteiligung und wo konnten sie sich nicht gegen den Koalitionspartner durchsetzen? Eva Hammerer und Daniel Zadra nehmen dazu Stellung. Daniel Rein und Angelika Simma-Wallinger (beide ORF) stellen die Fragen und das ORF Vorarlberg-Publikum sagt, was in Vorarlberg wirklich unter den Nägeln brennt.

Die Menschen könnten selbst entscheiden, ob sie – umweltfreundlich – das bestausgebaute Öffinetz nutzen würden oder den „größten Diesel-Stinker“ kaufen würden. Vorarlberg sei bei den öffentlichen Verkehrsmitteln mittlerweile so weit, dass man seinesgleichen in Österreich suche, ist Zadra überzeugt. Bus und Bahn seien auf einem sehr hohen Niveau: „Wir sind Öffi-Land Nummer eins, nur geschlagen vom Großraum Wien“, betont er. Das gelte es auszubauen, gemeinsam mit dem Fahrradverkehr.

Investitionen in Mobilität der Zukunft

Zadra ist selbst Lustenauer und wohnt nach eigenen Angaben entlang der Straße. Seit nun mehr 60 Jahren führe die Politik eine Debatte über die S18, merkt er an. Derzeit habe die ÖVP die Mehrheit in Lustenau und wolle eine Volksbefragung. „Das ist ein legitimes, direkt-demokratisches Mittel und ich glaube, dass wir, in Zeiten wie diesen, loslassen sollten von Projekten der Vergangenheit“, ist Zadra überzeugt. Man müsse viel mehr in die Mobilität der Zukunft investieren, die Freiheit für alle bedeute – wie beispielsweise in Bus, Bahn, Fahrradwege oder kleine Verbindungen im Autoverkehr, führt er aus.

Der Bau der S18 ist im Gesetz verankert. „Im Straßengesetz stehen mehrere Korridore in ganz Österreich. Das heißt nur, dass dieser verordnete Korridor in der Planung weiterzuverfolgen ist“, relativiert Zadra. „Das wird auch gemacht“, betont er. Allerdings sei es ihm zufolge sinnvoll, parallel dazu auch kleine Maßnahmen zu prüfen, die man auch umsetzen könne.

Energieautonomie: „Wir sind auf sehr, sehr gutem Weg“

Bezüglich der Gewinnung sauberer Energie setzen die Grünen nach wie vor auf Windkraft. „Die Windturbine ist eine Maßnahme, die uns weiterbringen kann“, zeigt sich Zadra überzeugt. Im Winter hätte man in Vorarlberg zu wenig Strom, weshalb die Windkraft eine positive Ergänzung in der Winterstromlücke wäre, betont er. Wasserkraft sei in Vorarlberg nichtsdestotrotz omnipräsent, der Lünersee ein Speicher der Energiewende. Deshalb sei er auch dabei, mit dem Bregenzer-Ach-Kraftwerk bei Lochau einen nächsten Schritt zu setzen: „Dieses Kraftwerk würde ganz Dornbirn mit sauberem Strom versorgen“.

Eva Hammerer, Daniel Zadra
ORF Vorarlberg
Die Grüne Doppelspitze – Eva Hammerer (Klubobfrau) und Daniel Zadra (Landesrat) – im ORF Vorarlberg-Sommergespräch

„Das sind Projekte, die ich vorantreibe – mit voller Inbrunst, das will ich auf den Weg bringen“, betont Zadra. Was das Ziel der Energieautonomie betrifft, also in sieben Jahren ganz Vorarlberg mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen, sei man auf gutem Weg. „Seit ich Landesrat bin, haben wir bei der Photovoltaik unsere Zubau-Leistung mehr als verdoppelt. Das heißt, jedes Jahr werden ungefähr 9.000 bis 10.000 Haushalte zusätzlich mit Strom aus der Sonne versorgt“, zeigt er auf. „Wir müssen mit der gesamten Klaviatur arbeiten und ja, wir werden das schaffen“, sagt er.

Klimaproteste: „Kirche im Dorf lassen“

Während andere Menschen härtere Strafen für die sogenannten „Klimakleber“, Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, die sich im Protest auf Straßen kleben, fordern, versorgte Hammerer die jungen Menschen – gleichermaßen auch die Einsatzkräfte, die den Protest auflösten – mit Croissants. „Das sind junge Menschen, die friedlich protestieren“, stellt sie klar. „Da müssen wir die Kirche schon im Dorf lassen, diese Menschen haben eine Tiefgarage blockiert. Das ist alles, was sie gemacht haben“, sagt sie.

Damit hätten sie nur auf eines der drängendsten Probleme dieser Zeit aufmerksam gemacht, auf die drohende Klimakatastrophe. „Wir haben es diesen Sommer gesehen, wir haben Bilder von brennenden Inseln in Griechenland gesehen“, beschreibt Hammerer. Dabei hätten auch Vorarlberger Familien vor den Flammen flüchten müssen. In der Steiermark oder auch in Kärnten habe es zur gleichen Zeit ganze Häuser weggespült. „Diese jungen Menschen sagen mit friedlichem Protest, das muss ich betonen: ‚Wir brauchen eine schnellere Politik‘“, beschreibt Hammerer.

Steuererhöhung für gerechtere Bezahlung

In Vorarlberg ist man derzeit in vielen Bereichen auf der Suche nach Fachkräften. In der Pflege habe man bereits einiges gegen den Personalmangel getan, betont Hammerer. „Es gibt sogar eine Ausbildungsförderung. Man bekommt Geld, wenn man die Ausbildung macht“, betont sie. Auch in der Elementarpädagogik und der Lehrerausbildung sei man bezüglich der Ausbildungsstellen in Vorarlberg gut aufgestellt. Das große Problem seien Fachkräfte, die ins Ausland – in die nahe Schweiz – abwandern würden. Daher müsse man die Mangelberufe durch ein höheres Gehalt attraktiver machen.

Auf die Frage hin, woher das Geld für höhere Bezahlungen kommen könnte, stellt Hammerer die Überlegung an, die Steuern für jene Menschen zu erhöhen, „die sehr, sehr viel Geld haben, viel mehr als sie zum Leben brauchen“, sagt sie. Dieses Geld könne man dann an jene Menschen verteilen, die extrem viel für das Land leisten und zu wenig dafür bekommen würden.

Hammerer fordert verkürzte Lehrerausbildung

Mit der Vorarlberger Bildungspolitik zeigt sich Hammerer unzufrieden. „Das sage ich Ihnen ganz offen. Wenn ich Bildungslandesrätin wäre, dann würde ich einmal im Monat bei Bildungsminister Polaschek auf der Matte stehen und würde ihn davon überzeugen, dass wir beim Personal schleunigst etwas an der Ausbildung verändern müssen“, stellt sie klar. Sie fordert, die Lehrerausbildung – wie in der Schweiz – auf drei Jahre zu verkürzen.

Davon sieht sie nur ein Jahr als reines Lernjahr, die anderen beiden Jahre sollten die Studierenden ihrer Meinung nach an Schulen verbringen. „Nirgendwo lernen sie besser wie von unseren guten, erfahrenen Lehrkräften vor Ort“, ist Hammerer überzeugt. Das Projekt „Gemeinsame Schule“ verfolge man darüber hinaus noch immer: Man könne das Modell zwar nicht über das ganze Land verordnen, doch an einzelnen Standorten beginnen und intensive Gespräche mit allen Beteiligten führen, betont Hammerer.