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Bedingte Haft für Staatsverweigerin

Am Landesgericht Feldkirch ist am Freitag eine 68-jährige Oberländerin wegen Mitgliedschaft in einer staatsfeindlichen Verbindung schuldig gesprochen worden. Das Urteil: Neun Monate bedingte Haft.

Vor Weihnachten hatte eine große Razzia in der deutschen sogenannten Reichsbürger-Szene für Aufsehen gesorgt: 25 Verdächtige wurden dabei festgenommen. Menschen, die den Staat nicht anerkennen, gibt es auch in Vorarlberg. Eine solche mutmaßliche Staatsverweigerin musste sich am Freitag am Landesgericht Feldkirch verantworten. Der Pensionistin wurde vorgeworfen, dass sie schon vor Jahren als Mitglied des „Staatenbundes Österreich“ Drohschreiben an verschiedene Behörden verfasst haben soll.

Staatsanwalt: „Finanzministerin“ des Staatenbundes

Die 68-Jährige war 2016 der Staatsverweigerer-Szene beigetreten und unterstützte diese tatkräftig. Sie nahm an Stammtischtreffen und anderen Veranstaltungen teil, kassierte dabei Geld ein und lieferte dieses dann bei der Führungsspitze des „Staatenbundes Österreich“ ab.

Der Staatsanwalt bezeichnete die Angeklagte daher als „Finanzministerin“ des „Staatenbundes“ für Vorarlberg. Außerdem wollte die Frau bei sogenannten „Völkerrechtsprozessen“ mitmachen. Die Mitglieder des Staatenbundes Österreich hatten vor, Politikerinnen und Beamte gefangen zu nehmen und vor ein eigenes Gericht zu stellen.

Erpressung und Anstiftung zum Amtsmissbrauch

Die Frau wurde zudem wegen versuchter Erpressung und Anstiftung zum Amtsmissbrauch schuldig gesprochen. Sie erhielt vor Jahren zwei Geldstrafen – einmal 60 Euro, weil sie zu schnell mit dem Auto gefahren war und ein anderes Mal 600 Euro, weil sie unerlaubt Container aufgestellt hatte.

Doch statt zu zahlen, verschickte die Frau Drohschreiben an die jeweiligen Bezirkshauptmannschaften. Darin forderte sie von der BH, auf die Strafe zu verzichten. Dreimal drohte sie auch mit Schadenersatzforderungen in Höhe von 30.000 Euro. Falls nicht bezahlt werde, gebe es einen Eintrag in ein internationales Schuldenregister. Das wurde als Erpressung gewertet.

Angeklagte: „Ideologisch verrannt“

Die Angeklagte bekannte sich in allen Punkten schuldig. Die Frau sagte allerdings nur zu Beginn der Verhandlung aus, dass ihr alles sehr leid tue. Sie habe sich ideologisch verrannt. In den vergangenen Jahren habe sie sich von der Staatsverweigerer-Szene distanziert. Außerdem betonte sie unter Tränen, dass sie mit ihren Taten niemanden verletzen habe wollen. Im weiteren Prozessverlauf nahm die 68-Jährige dann nicht mehr Stellung, auch nicht zur Frage des Motivs für ihre Handlungen.

Geldstrafe von 1.440 Euro

Die Geschworenen verurteilten die Frau zu neun Monaten Haft auf Bewährung. Die Richterin führte einige Gründe an, die sich mildernd auf das Strafmaß auswirkten. Zum Beispiel, dass die Angeklagte bisher unbescholten war und sich im Prozess umfassend geständig gezeigt hat. Erschwerend war, dass bei der Frau mehrere Verbrechen zusammengekommen sind. Zusätzlich zu den neun Monaten auf Bewährung muss sie eine Geldstrafe von 1.440 Euro zahlen. Sowohl die Angeklagte als auch der Staatsanwalt nahmen das Urteil an.

Relativ kleine Staatsverweigerer-Szene in Vorarlberg

Die Führungsspitze des „Staatenbundes Österreich“ wurde bereits 2020 in Graz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der „Staatenbund Österreich“ bzw. sein lokaler Ableger „Staat Vorarlberg“ führten vor Jahren auch Treffen im Land durch. Inzwischen sei das aber nicht mehr der Fall, weil sich die Gruppe so gut wie aufgelöst habe, sagt Uta Bachmann, die Leiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismus-Bekämpfung.

Dennoch behält der Verfassungsschutz die Staatsverweigerer im Land weiterhin im Blick. Die Szene ist aber inzwischen recht überschaubar: Es handle sich um 15 bis 20 Personen, die aber nicht groß in Gruppen organisiert seien, sagt Bachmann. Eine Handvoll dieser Staatsverweigerer werde von der Polizei beobachtet. Generell sei die Vorarlberger Szene aber weder bewaffnet noch als radikal einzustufen, sagt Bachmann.

Ideologisch breit gefächert

Ideologisch sei die Szene breit gefächert, führt die Verfassungsschutz-Leiterin weiter aus: Die Motive reichten vom esoterischen Bereich bis in die rechte Szene. Die aktuellen Staatsverweigerer in Vorarlberg schreiben zwar nach wie vor Behörden wie zum Beispiel Gerichte an, aber nicht mehr im selben Ausmaß wie in den Jahren 2016 und 2017.

Versuchter Druck auf Richter

Damals hatten die Staatsverweigerer versucht, insbesondere Richter und Leiter von Institutionen oder Behörden massiv unter Druck zu setzen, indem sie hohe Schadenersatzforderungen stellten und damit Exekutionstitel im Ausland erwirken wollten. Mehr dazu in Richter im Visier von staatsfeindlichen Personen (15.11.2016, vorarlberg.ORF.at) bzw. in Immer mehr Staatsfeinde in Vorarlberg (14.11.2016, vorarlberg.ORF.at).