Themenbild zur Sterbehilfe und Sterbeverfügung
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
Chronik

Beihilfe zum Suizid: Sorge über Entwicklung

Seit 1. Jänner 2022 ist die Beihilfe zum Suizid nicht mehr strafbar. Erfahrungen aus einigen Ländern mit langjähriger Praxis in Sterbehilfe müssten dem österreichischen Gesetzgeber allerdings zu denken geben, meinen die Autoren des aktuellen Vorarlberger Suizidberichts anlässlich des Welt-Suizidpräventionstages am 10. September.

Umfragen der letzten Jahre ergaben, dass circa 80 Prozent der Befragten „Sterbehilfe“ befürworten. „Unklar bleibt allerdings, was unter dem vielsagenden Begriff Sterbehilfe verstanden wird“, heißt es im Vorarlberger Suizidbericht: „Hilfe beim Sterben wie sie die Palliativmedizin leistet oder eben Hilfe zum Sterben wie durch assistierten Suizid oder die aktive Euthanasie?“

Anwendungsgebiet wird immer weiter ausgedehnt

In einigen Ländern, die schon länger Sterbehilfe ermöglichen, habe sich das Anwendungsgebiet nach und nach ausgeweitet, steht im Bericht: „In den Beneluxländern wurde die aktive Euthanasie zunächst nur für schwere, unheilbare und unerträgliche Krankheiten zugelassen. Immer häufiger stellen nicht mehr Betroffene, sondern deren Angehörige den Antrag. Mittlerweile werden auch behinderte Kinder, psychisch Kranke und zunehmend an Demenz erkrankte Menschen der aktiven Tötung zugeführt.“

In den Niederlanden werde die aktive Sterbehilfe vor allem für Demenzkranke „beworben“. Im Nachbarland Schweiz wurde das Angebot zum assistierten Suizid bereits auf „Lebensüberdruss“ ausgeweitet. Untersuchungen in Belgien ergaben, dass der Graubereich nicht gemeldeter Euthanasie wächst. Das sind Entwicklungen, die den Autor:innen des Suizidberichts Sorge bereiten.

Wo Sterbehilfe legal ist, steigen die Suizidzahlen

„Die Sorge um einen Kulturwandel im Umgang mit dem Sterben – auch in unserem Land – ist also berechtigt“, schließt der Suizidbericht daraus. Kaum sei das neue Gesetz in Kraft, gebe es bereits Anläufe um eine liberalere Lösung: „Was in Ausnahmefällen möglich erscheint, nämlich im Kontakt mit Suizidhelfern seelische Erleichterung und mitunter eine Alternative zum Weiterleben zu finden, verkehrt sich im Großen ins Gegenteil, denn, so die Studienlage: Wo Sterbehilfe legal ist, steigen die Suizidzahlen.“

„Kritisch dagegenhalten“

In Österreich sind bereits Bestrebungen im Gange, das Gesetz zur Sterbehilfe in Richtung niederschwelligen Zugang zum assistierten Suizid oder einer aktiven Sterbehilfe zu ändern. Die Autor:innen des Vorarlberger Suizidberichts sehen das kritisch.

Angesichts von Gefahren wie der immer weiter gefassten Indikation, ökonomischen Interessen und eines möglichen Rückschlags für die etablierte Suizidprophylaxe müsse man die weitere Entwicklung kritisch verfolgen und dagegenhalten. „Die Suizidprävention ist und bleibt eine der wichtigsten Aufgaben, die wir in Medizin und Psychotherapie haben“, so Mitherausgeber Reinhard Haller.

Seit 1987 wird der Vorarlberger Suizidbericht von der aks gesundheit in Zusammenarbeit mit Prim. Prof. Dr. Reinhard Haller, Prim. Dr. Albert Lingg und MMag. Dr. Isabel Bitriol-Dittrich herausgegeben.

Sterbehilfe behindert Suizidprophylaxe

Der Vorarlberger Suizidbericht kommt zu dem Schluss: „Angesichts der geschilderten Faktenlage in Ländern mit etablierten Beihilfen zum Suizid bezeichnen es viele Expertinnen und Experten als Illusion, wirksame Suizidprophylaxe zu betreiben, wenn gleichzeitig immer niederschwelliger Beihilfen zum Suizid angeboten werden.“

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide und Suizidversuche können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.