Vorarlberger Landhaus von außen
Maurice Shourot
Maurice Shourot
Politik

Wallner: Regionale Öffnungen durchsetzen

Mit einer 7-Tage-Inzidenz von knapp 73 hat Vorarlberg derzeit österreichweit das geringste Infektionsgeschehen. Und das will Landeshauptmann Wallner (ÖVP) heute in Wien nützen, um Lockerungen auszuverhandeln. Er will Gastronomie, Nachwuchssport und einen Teil der Kultur ab Mitte März langsam wieder hochfahren.

Bei der Lockerung von Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie könnte es in Österreich zu regionalen Unterschieden kommen. Die Vorarlberger Landesregierung will vom Bund die Möglichkeit bekommen, im eigenen Bundesland Lockerungen zu ermöglichen – vor allem in den Bereichen Gastronomie, Nachwuchssport und Kultur.

Grundlage ist die vergleichsweise niedrige 7-Tage-Inzidenz in Vorarlberg. Vorarlberg könnte durch die regionalen Lockerungen zu einer Art Testgebiet werden, berichtete die Nachrichtenagentur APA. Die Entscheidung soll heute im Gesprächsmarathon zwischen Bundesregierung, Experten und Ländervertretern fallen.

Wallner: „Habe nicht vor, locker zu lassen“

Der Vorarlberger Landeshauptmann Wallner sagte am Montag im ORF Radio Vorarlberg-Interview, der Unterschied zu anderen Bundesländern vor allem im Osten sei groß, was das Infektionsgeschehen angehe. „Deshalb habe ich der Bundesregierung gesagt, ich wünsche mir für Vorarlberg da einen eigenen Weg gehen zu können.“ Er werde diese Eigenständigkeit bei den Verhandlungen mit Wien vehement einfordern, so Wallner: „Ich habe nicht vor, locker zu lassen.“

Es bleibe immer auch ein gewisses Restrisiko übrig, so Wallner, in Vorarlberg haben sich Virusmutationen noch nicht so breit gemacht und die Schule hat eine Woche später begonnen als im Osten Österreichs. Aber auch die Öffnung des Handels habe in Vorarlberg eigentlich bis jetzt sehr wenig Auswirkungen gehabt, „die Schulöffnungen werden wir sehen, wo das noch hinführt“, so Wallner.

„Aber wenn sich die Kinder in der Schule mehr oder weniger laufend testen müssen und am Nachmittag im Freien kein Fußballtraining machen dürfen, versteht das eigentlich auch bald keiner mehr.“ In diesem Bereich sei zum Beispiel ein Öffnungsschritt relativ einfach möglich, ohne dass man ein großes Risiko eingehe.

Wallner: Öffnung der Gastronomie nur mit Testpflicht

Bei der Gastronomie müsse man wissen, dass eine Öffnung nur mit Testverpflichtungen gehe. Dazu brauche es noch mehr Testangebote, so Wallner. Es werde derzeit sehr intensiv darüber diskutiert, ob Selbststests, die man zu Hause machen kann, dafür zugelassen werden.

„Man kann sich das ja auch so vorstellen, dass man vielleicht bei der ein oder anderen Teststation vorbeifährt, einen Selbststest macht, sich registrieren lässt und damit in die Gastro kommt. Man kann sich aber auch vorstellen, dass man vor Ort einen solchen Test durchführen könnte wie bei den Schülern in der Schule. Ich glaube, da wäre ein gewisser Spielraum da“, so der Landeshauptmann.

FPÖ für vollständige und sofortige Öffnungen

Noch weitergehende Öffnungen fordern die Vorarlberger Freiheitlichen. FPÖ-Landesobmann Christof Bitschi sprach sich im Vorfeld der heutigen Verhandlungen in Wien für sofortige und vollständige Öffnungen für Vorarlberg aus – mit klaren Regeln. Dass auch der Sport-, Kultur- und Freizeitbereich wieder hochgefahren werde, sei überfällig – vor allem für die Kinder, die hier sehr unter den Einschränkungen leiden würden.

Zunächst Beratung mit Expertengruppe

Zunächst trifft die Bundesregierung am Montag alleine eine Expertengruppe, der unter anderem die Virologin Dorothee von Laer, die Epidemiologin Eva Schernhammer und der Vizerektor der MedUni Wien, Oswald Wagner, angehören. Danach werden per Video die Oppositionsparteien zugeschaltet. Schließlich wird mit den Landeshauptleuten konferiert, die zumindest zum Teil persönlich anreisen. Im Anschluss wird das weitere Vorgehen öffentlich gemacht.

Aus der Regierung heißt es zur APA, dass sich auch die Experten für regional angepasstes Vorgehen aussprechen würden. Zuletzt hatten medizinische Berater vor weiteren österreichweiten Lockerungen gewarnt, das Infektionsgeschehen verschlechterte sich in den vergangenen Tagen österreichweit – mehr dazu in news.ORF.at: Regierung vor heikler Entscheidung.

Fidler befürchtet Anstieg der Infektionen

Auch der Vorarlberger Gesundheitsexperte Armin Fidler befürchtet, dass es mit weiteren Lockerungen zum jetzigen Zeitpunkt wieder zu einem Anstieg der Coronavirus-Infektionen kommen wird – ähnlich wie in Südtirol. Die logische Folge wäre dann ein neuerlicher Lockdown, sagte Fidler dem ORF.

In Südtirol „waren die Zahlen nach dem harten Lockdown sehr, sehr gut, relativ lange gut“, so Fidler. Dann habe man Öffnungen umgesetzt, „und musste dann sehen, dass man wieder schließen musste, weil das ganz einfach alternativlos war“. Südtirol habe Intensivpatienten wieder aus dem Land verlegt, weil die Krankenhäuser wieder voll gewesen seien.

„Die Problematik ist, wenn wir so eine Situation wieder haben, wie wir sie aus dem vergangenen November kennen, dann bleibt natürlich eine weitere Schließung praktisch alternativlos, weil wir ganz einfach mit dem Rücken zu Wand stehen, was die Bettensituation in den Krankenhäusern betrifft.“

Höhere Werte im Osten

Die Ampelkommission hatte sogar die Rücknahme von Öffnungsschritten nahegelegt, wenn eine Inzidenz von 200 auf 100.000 Einwohner vorliegt. Diese ist in Niederösterreich mit 196,2 bereits fast erreicht. Auch Wien, das in Lockdown-Zeiten beständig unter 100 lag, nähert sich der 200er-Marke mit großen Schritten (aktuell 186,6).

Warum gerade im Osten das Infektionsgeschehen so stark wächst, ist Gegenstand unterschiedlicher Überlegungen. Einerseits soll sich hier die infektiösere britische Variante früher breitgemacht haben, andererseits haben gerade in Wien und Niederösterreich die Schulen eine Woche früher geöffnet, was auch als möglicher Effekt angesehen wird.

Vorarlberg mit niedrigster 7-Tage-Inzidenz

Unter 100 liegt die Marke nur in zwei Bundesländern, knapp in Tirol trotz der dort grassierenden vermutlich impfresistenteren Südafrika-Variante, und deutlicher in Vorarlberg. Die am Sonntag vermerkten 72,8/100.000 sind allerdings auch schon wieder ein Anstieg. Vor einigen Tagen lag der Wert in Vorarlberg noch nahe an der Wunschmarke von 50.