Angeklagter in Handschellen mit Akten in der Hand
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Chronik

VfGH muss sich mit BH-Mord beschäftigen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) muss sich mit dem Prozess zum Mord in der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn beschäftigen. Ende Jänner war ein 35-jähriger Türke wegen Mordes am damaligen Sozialamtsleiter der BH Dornbirn zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Seine beiden Verteidiger hatten sofort Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet – mehr dazu in Anwälte wollen Urteil anfechten. Der Bregenzer Rechtsanwalt Wilfried Ludwig Weh möchte Normen in der Strafprozessordnung überprüfen lassen.

Der Verfassungsgerichtshof soll prüfen, ob gewisse Passagen tatsächlich verfassungskonform sind. Weh sieht dringenden Reformbedarf des Geschworenenverfahrens. Aus seiner Sicht sind drei Bestimmungen dieses Verfahrens verfassungs- und menschenrechtswidrig.

Freie Beweiswürdigung reformbedürftig

Dabei geht es erstens um die freie Beweiswürdigung, sie ist in den Paragrafen 323, 14 und 258 der Strafprozessordnung geregelt. „Die ist ein Übel“, sagte Anwalt Weh gegenüber ORF Radio Vorarlberg. Da werde mitunter willkürlich aus dem Bauch heraus entschieden, fernab jeder ernstzunehmenden, objektiven Beweiswürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände.

Unter dem Deckmantel „freie Beweiswürdigung“ würden gewissermaßen Beweise nach Belieben gedeutet – das dürfe nicht sein, so Weh. Die freie Beweiswürdigung ist seiner Ansicht nach daher unvereinbar mit dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“.

Verteidiger Ludwig Weh und Stefan Harg
Tarja Prüss
Die beiden Verteidiger des Verurteilten: Wilfried Ludwig Weh und Stefan Harg

Zweitens passt ihm nicht, dass es nach Paragraf 345 der Strafprozessordnung nur gewisse Gründe gibt, mit denen man eine lebenslange Haft bekämpfen darf. Ob ein Angeklagter lebenslang in Haft gehen muss, dürfe nicht davon abhängen, ob einem Verteidiger etwa in der Hektik eines Megaprozesses ein Formfehler unterlaufen sei, wenn dadurch etwa kein Rechtsmittel mehr zulässig sei.

Geheime Belehrung der Geschworenen

Als dritten Punkt beanstandet der Verteidiger die geheime Rechtsmittelbelehrung der Geschworenen im Beratungszimmer – geregelt in Paragraf 322 und 323 der Strafprozessordnung. Was dort passiere, sei völlig undurchschaubar. Theoretisch sei möglich, dass der Richter Druck auf die Geschworenen ausübe und sie beeinflusse, so Weh. Deshalb müsse diese Belehrung öffentlich sein, fordert der Bregenzer Rechtsanwalt.

Anfechtung von Normen sind selten

Normanfechtungsverfahren sind an sich schon nicht häufig. Zu den von Weh kritisierten Punkten gibt es kaum Entscheidungen. Er gehe da nach dem Prinzip vor, je öfter man an einer Regel rüttle, desto eher bestehe die Chance, dass diese dann irgendwann tatsächlich aufgehoben wird. Falls Weh vor dem Gericht recht bekommt, muss in Feldkirch neuerlich ein Geschworenenprozess stattfinden. Falls nicht, geht der Fall zum Obersten Gerichtshof.