Nach nicht einmal zweistündiger Beratung waren die acht Geschworenen im Mordprozess um den getöteten Sozialamtsleiter zu einem einstimmigen Urteil gekommen: Sie verurteilten den 35-jährigen türkischen Staatsbürger wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Einhellig waren sie der Meinung, dass der Angeklagte den Sozialamtsleiter vorsätzlich getötet hat.

„Äußerst brutal, rachsüchtig, kaltblütig“
In der Begründung sagte Richter Martin Mitteregger, der Angeklagte sei schuldig, dem Leiter der Sozialabteilung der BH Dornbirn am 6.2.2019 mit einem Küchenmesser einen wuchtigen Stich versetzt zu haben, die seine Aorta verletzte. Danach habe er weiter mehrfach – auch im Intimbereich – auf ihn eingestochen.
Mitteregger nannte den Mord kaltblütig, rachsüchtig und äußerst brutal. Mehreren Hinterbliebenen des Getöteten muss der Angeklagte jeweils 20.000 Euro zahlen. Der Angeklagte nahm das Urteil äußerlich regungslos und gefasst zur Kenntnis. Seine Verteidiger meldeten sofort Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Verteidiger Ludwig Weh sagte nach der Urteilsverkündung gegenüber vorarlberg.ORF.at, dass der Angeklagte nicht mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe gerechnet habe.
Kein Platz für blutige Rache
Der zum Tatzeitpunkt alkoholisierte und unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln stehende Angeklagte hatte den 49-jährigen Sozialamtsleiter am 6. Februar 2019 in dessen Büro erstochen. Zuvor und auch am Tattag war der 35-Jährige wegen noch nicht erfolgter Geldleistungen aus der Grundversorgung mehrmals vorstellig geworden – mehr dazu in Mordprozess: Angeklagter bestreitet Absicht. Über die genaueren Verletzungen des Opfers gab am Mittwoch Gerichtsmediziner Walter Rabl Auskunft – mehr dazu in Staatsanwältin: „Kein Platz für Selbstjustiz“.
Staatsanwältin Konstanze Manhart hatte zuvor in ihrem Plädoyer klargestellt , dass in Österreich „kein Platz sei für Selbstjustiz und blutige Rache“. In „ungeheuerlicher Weise“ habe der Angeklagte die Schuld auf das Opfer abgeschoben, sagte Privatbeteiligtenvertreter Nikolas Stieger. In einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr habe der Angeklagte dem Opfer „irrsinnige Dinge“ angedichtet, die den Getöteten zum Täter machen sollten.
Lange gemeinsame Geschichte
Der 35-jährige, in Vorarlberg aufgewachsene Türke und der Sozialamtsleiter hatten eine lange gemeinsame Geschichte. Sie trafen erstmals aufeinander, als der Angeklagte zwölf Jahre alt und der 49-Jährige Fremdenpolizist war. Gerichtsgutachter Haller hatte von einer frühen Karriere als Kleinkrimineller berichtet, die mit Drogenkonsum einherging.

1998, 1999 und 2002 wurde dem damals Jugendlichen die Abschiebung angedroht, sollte er sich künftig nicht an die österreichischen Gesetze halten. 2009 schließlich – nach 15 Verurteilungen überwiegend wegen Eigentums- und Drogendelikten – wurde die Abschiebung vollzogen. Verfügt wurde sie vom späteren Opfer, dem Sozialamtsleiter.
Anfang 2019 war der Angeklagte trotz bestehendem Aufenthaltsverbot illegal nach Österreich eingereist und hatte um Asyl angesucht – mehr dazu in 349 Tage später: BH-Mordprozess beginnt. Der 35-Jährige beteuerte bis zuletzt, bei der Tötung hätte es sich um einen „Unfall“ gehandelt. Er habe den Mann nicht umbringen wollen.
Bernhard Stadler (ORF) über den Mordprozess
Gerichtsreporter Bernhard Stadler spricht über den Prozess um den Mord am Sozialamtsleiter von Dornbirn und das Urteil gegen den Täter.
Lebenslange Haft für Mord an Sozialamtsleiter
Jener Mann, der im Vorjahr den Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn erstochen hat, wurde des Mordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Anlassfall für Diskussion um Sicherungshaft
Der Prozess fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen und enormem Medieninteresse statt. Die Tat gilt als Auslöser für Pläne, in Österreich die Sicherungshaft einzuführen. Sie soll bei Personen greifen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden.
Es ist nach wie vor umstritten, ob der Angeklagte vor dem gewaltsamen Tod des Sozialamtsleiters auf geltender Gesetzesbasis in Haft hätte genommen werden können oder nicht. In Vorarlberg wurden kurz nach der Tat Sicherheitsschleusen an den Eingängen von Behördengebäuden installiert. Diese bleiben als Dauereinrichtung bestehen.