Angeklagter
Tarja Prüss
Tarja Prüss
Chronik

Lebenslang für Mord an Sozialamtsleiter

Im Mordprozess um den getöteten Sozialamtsleiter verurteilten die Geschworenen den 35-jährigen Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Das Urteil fiel einstimmig. Die Verteidigung meldete Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an.

Nach nicht einmal zweistündiger Beratung waren die acht Geschworenen im Mordprozess um den getöteten Sozialamtsleiter zu einem einstimmigen Urteil gekommen: Sie verurteilten den 35-jährigen türkischen Staatsbürger wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Einhellig waren sie der Meinung, dass der Angeklagte den Sozialamtsleiter vorsätzlich getötet hat.

Richter Martin Mitteregger, umringt von Kameras
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Richter Martin Mitteregger

„Äußerst brutal, rachsüchtig, kaltblütig“

In der Begründung sagte Richter Martin Mitteregger, der Angeklagte sei schuldig, dem Leiter der Sozialabteilung der BH Dornbirn am 6.2.2019 mit einem Küchenmesser einen wuchtigen Stich versetzt zu haben, die seine Aorta verletzte. Danach habe er weiter mehrfach – auch im Intimbereich – auf ihn eingestochen.

Mitteregger nannte den Mord kaltblütig, rachsüchtig und äußerst brutal. Mehreren Hinterbliebenen des Getöteten muss der Angeklagte jeweils 20.000 Euro zahlen. Der Angeklagte nahm das Urteil äußerlich regungslos und gefasst zur Kenntnis. Seine Verteidiger meldeten sofort Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Verteidiger Ludwig Weh sagte nach der Urteilsverkündung gegenüber vorarlberg.ORF.at, dass der Angeklagte nicht mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe gerechnet habe.

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Verteidiger Ludwig Weh und Stefan Harg
Tarja Prüss
Die Verteidiger meldeten Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an
PRozessbeobachter bei BH Mordprozess
Tarja Prüss
Die ausführlichen Taschen- und Personenkontrollen sorgten für lange Warteschlangen vor dem Schwurgericht
Angeklagter
Tarja Prüss
Der Prozess fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt
Schwurgerichtssaal voller Leute
Tarja Prüss
Der Schwurgerichtssaal war bis auf den letzten Platz gefüllt
RIchter und Verteidiger
Tarja Prüss
Richter Martin Mitteregger und Verteidiger Stefan Harg
Angeklagter
Tarja Prüss
Bei der Urteilsverkündung sorgten zehn Beamte für Sicherheit im Saal, weitere Polizisten waren draußen postiert
Staatsanwältin Konstanze Manhart
Tarja Prüss
Staatsanwältin Konstanze Manhart

Kein Platz für blutige Rache

Der zum Tatzeitpunkt alkoholisierte und unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln stehende Angeklagte hatte den 49-jährigen Sozialamtsleiter am 6. Februar 2019 in dessen Büro erstochen. Zuvor und auch am Tattag war der 35-Jährige wegen noch nicht erfolgter Geldleistungen aus der Grundversorgung mehrmals vorstellig geworden – mehr dazu in Mordprozess: Angeklagter bestreitet Absicht. Über die genaueren Verletzungen des Opfers gab am Mittwoch Gerichtsmediziner Walter Rabl Auskunft – mehr dazu in Staatsanwältin: „Kein Platz für Selbstjustiz“.

Staatsanwältin Konstanze Manhart hatte zuvor in ihrem Plädoyer klargestellt , dass in Österreich „kein Platz sei für Selbstjustiz und blutige Rache“. In „ungeheuerlicher Weise“ habe der Angeklagte die Schuld auf das Opfer abgeschoben, sagte Privatbeteiligtenvertreter Nikolas Stieger. In einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr habe der Angeklagte dem Opfer „irrsinnige Dinge“ angedichtet, die den Getöteten zum Täter machen sollten.

Lange gemeinsame Geschichte

Der 35-jährige, in Vorarlberg aufgewachsene Türke und der Sozialamtsleiter hatten eine lange gemeinsame Geschichte. Sie trafen erstmals aufeinander, als der Angeklagte zwölf Jahre alt und der 49-Jährige Fremdenpolizist war. Gerichtsgutachter Haller hatte von einer frühen Karriere als Kleinkrimineller berichtet, die mit Drogenkonsum einherging.

Angeklagter
Tarja Prüss
Der Angeklagte nahm das Urteil ohne äußerliche Regung zur Kenntnis

1998, 1999 und 2002 wurde dem damals Jugendlichen die Abschiebung angedroht, sollte er sich künftig nicht an die österreichischen Gesetze halten. 2009 schließlich – nach 15 Verurteilungen überwiegend wegen Eigentums- und Drogendelikten – wurde die Abschiebung vollzogen. Verfügt wurde sie vom späteren Opfer, dem Sozialamtsleiter.

Anfang 2019 war der Angeklagte trotz bestehendem Aufenthaltsverbot illegal nach Österreich eingereist und hatte um Asyl angesucht – mehr dazu in 349 Tage später: BH-Mordprozess beginnt. Der 35-Jährige beteuerte bis zuletzt, bei der Tötung hätte es sich um einen „Unfall“ gehandelt. Er habe den Mann nicht umbringen wollen.

Bernhard Stadler (ORF) über den Mordprozess

Gerichtsreporter Bernhard Stadler spricht über den Prozess um den Mord am Sozialamtsleiter von Dornbirn und das Urteil gegen den Täter.

Lebenslange Haft für Mord an Sozialamtsleiter

Jener Mann, der im Vorjahr den Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn erstochen hat, wurde des Mordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Anlassfall für Diskussion um Sicherungshaft

Der Prozess fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen und enormem Medieninteresse statt. Die Tat gilt als Auslöser für Pläne, in Österreich die Sicherungshaft einzuführen. Sie soll bei Personen greifen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden.

Es ist nach wie vor umstritten, ob der Angeklagte vor dem gewaltsamen Tod des Sozialamtsleiters auf geltender Gesetzesbasis in Haft hätte genommen werden können oder nicht. In Vorarlberg wurden kurz nach der Tat Sicherheitsschleusen an den Eingängen von Behördengebäuden installiert. Diese bleiben als Dauereinrichtung bestehen.