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©anja koehler | andereart.de
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Kultur

Viel Applaus für „Stromberger“ im Landestheater

Der Vorarlberger Historiker Harald Walser bezeichnet Maria Stromberger als „Engel in der Hölle von Auschwitz“. Die Krankenschwester hatte sich freiwillig ins Konzentrationslager versetzen lassen, um zu helfen. 1957 starb sie vereinsamt in Bregenz. Das Vorarlberger Landestheater beauftragte Autorin Gerhild Steinbuch, ein Stück dazu zu schreiben – am Samstag wurde es uraufgeführt.

Vier junge Frauen wollen politisch aktiv werden. Sie sind Kinder der 90er-Jahre, dem „Jahrzehnt der Freiheit“ und rechtsradikal motivierter Anschläge in Österreich und Deutschland. Sie suchen nach einer Form des angemessenen Erinnerns an den Holocaust und seine schwierige und widersprüchliche Aufarbeitung im Nachkriegsösterreich bis heute. Dabei stoßen sie auf Maria Stromberger, die vom Nachkriegsösterreich vergessen wurde.

Verbindung mit der Gegenwart

Autorin Gerhild Steinbuch hat im Vorfeld die Entscheidung getroffen, Maria Strombergers Biografie mit der Gegenwart zu verknüpfen. „Einfach, damit man nicht in Versuchung kommt zu sagen: Das ist eine alte Geschichte, das ist ein historischer Stoff, der hat nichts mit uns zu tun“, erklärt Steinbuch.

Regisseurin Berenice Hebenstreit und ihr Team haben in aufwändiger Recherchearbeit Material in Form von Fotos und Videos gesammelt, das auf einen mit Fäden bespannten Kubus projiziert wird. Einen Ort, in dem Geschichten, Bilder und Töne festgehalten und gespeichert sind. „So gelingt eine ebenso mutige wie auch sinnliche Inszenierung, die am Samstagabend zu Recht bejubelt wurde“, so ORF-Redakteurin Annette Raschner über die Uraufführung, die mit viel Applaus bedacht wurde.

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Walser: „Ich bin total fasziniert“

Begeistert von der Inszenierung ist auch Historiker Walser, der ein Buch über die Widerstandskämpferin geschrieben hat. „Ich bin total fasziniert. Das, was ich jetzt gesehen habe, ist eigentlich die Fortsetzung dessen, was ein Historiker leisten kann. Und es ist eine Fortsetzung mit Mitteln, die der Geschichtswissenschaft nicht nur Verfügung stehen“, so Walser nach der Uraufführung. Er hatte Maria Stromberg eine Biografie gewidmet mit dem Titel: „Ein Engel in der Hölle von Auschwitz“ und damit die Grundlage zum Theaterstück gelegt.

Uraufführung von „Stromberger oder Bilder von allem“

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In Bregenz Ausbildung zur Krankenschwester gemacht

Maria Stromberger wurde 1898 in Kärnten geboren. Im Sanatorium Mehrerau in Bregenz machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester. 1942 ließ sie sich freiwillig nach Auschwitz versetzen. Sie setzte sich dafür ein, dass Informationen über das Konzentrationslager nach außen gelangen konnte. Im Krankenrevier besorgte sie für Häftlinge Medikamente und Nahrungsmittel und versteckte und pflegte Kranke.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Stromberger vorübergehend mit hochrangigen Nationalsozialisten in ein Internierungslager bei Brederis eingesperrt. Nur Dank Interventionen aus Polen wurde sie wieder freigelassen, so der Historiker Walser. Als Krankenschwester zu wirken war ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, sie war als Textilarbeiterin tätig und sagte 1947 in Warschau im Prozess gegen den Lagerkommandanten Rudolf Höß aus. Bis zu ihrem Tod 1957 lebte sie in Bregenz.

Erst Ende der 80er als Widerstandskämpferin erwähnt

„Die Tragödie vieler Widerstandskämpfer gegen das Dritte Reich spiegelt sich – was die Zeit nach 1945 anbelangt – wohl selten in einer Person so krass wie bei Maria Stromberger“, schreibt Harald Walser. Erst fast 30 Jahre nach ihrem Tod wurde ihre Geschichte in Vorarlberg überhaupt zum ersten Mal erwähnt, und zwar in Meinrad Pichlers Beitrag über „Humanitäre Hilfe“ als eine Form des Widerstands gegen die NS-Herrschaft im Buch „Von Herren und Menschen“.

Basis für die Ausführungen waren die Erinnerungen des KZ-Überlebenden Hermann Langbein, den Gerhild Steinbuch in ihrem Stück ebenso erwähnt wie Edward Pyś, den Maria Stromberger in Auschwitz gepflegt hatte und mit dem sie brieflich von Bregenz aus in Kontakt blieb.

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Maria Stromberger Ausweis
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Buch Maria Stromberger Ein Engel in der Hölle von Auschwitz
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Harald Walser
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Historiker Harald Walser
Maria Stromberger Nachlass
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Nachlass von Maria Stromberger