Im Jahr 1939 stimmten 86,6 Prozent der wahlberechtigten Südtiroler Männer in einem erzwungenen Plebiszit für die „Option“ – die Auswanderung in das Deutsche Reich. Von den rund 216.000 „Optanten“ verließen jedoch nur etwa 75.000 tatsächlich das Land. Die Umsiedlung, die im Nazi-Jargon als „völkische Flurbereinigung“ bezeichnet wurde, führte zur Errichtung von Südtiroler-Siedlungen in verschiedenen Teilen Österreichs. Insgesamt wurden in Österreich 49 Siedlungen errichtet, neun entstanden in Vorarlberg – die größte steht in Bludenz.
Planung der Siedlungen noch vor dem Abkommen
Die Planung der Siedlungen begann in Vorarlberg bereits vor dem Abkommen von 1939 zwischen den Diktatoren Adolf Hitler und Benito Mussolini, das die Südtiroler vor die Wahl stellte, entweder auf die deutsche Sprache zu verzichten oder in das Deutsche Reich auszuwandern.
Während in Tirol und Salzburg noch nach geeigneten Grundstücken gesucht wurde, waren in Vorarlberg bereits die ersten Wohnungen fertiggestellt. Diese Wohnprojekte sind das Erbe des 1994 verstorbenen Architekten Alois Tschabrun, der als Chef der Vorarlberger Siedlungsgesellschaft Vogewosi Hunderte von Wohnungen in kürzester Zeit schuf.
Kriegsgefangene wurden eingesetzt
Mit dem Beginn des Krieges wurde der private Wohnungsbau eingestellt, und alle Ressourcen wurden auf die Siedlungsprojekte konzentriert. Tschabrun engagierte sowohl einheimische als auch deutsche Architekten und Baumeister für die Umsetzung der Projekte. Alle verfügbaren Arbeitskräfte seien gebündelt worden, unter anderem ab dem Jahre 1940 auch zahlreiche französische Kriegsgefangene und französische Zivilarbeiter, so Historiker Meinrad Pichler.
„Die Nazis hatten uns versprochen …“
Die Reaktionen auf die neuen Siedlungen waren gemischt. Ein Bewohner der ersten Stunde, der 1940 mit seiner Familie in eine der ersten Wohnungen einzog, war enttäuscht. „Die Nazis hatten uns versprochen, dass wir Einfamilienhäuser bekommen und wir mussten plötzlich in einer Wohnung landen mit 55 Quadratmetern“, erinnert er sich. Trotz einiger Mängel wie fehlender Wasseranschlüsse in den Badezimmern, waren die Wohnungen insgesamt jedoch angenehm zu bewohnen.
Das Erbe der Südtiroler Siedlungen
Noch immer gelten die Südtiroler-Siedlungen als Vorzeigeprojekte für verdichteten Wohnbau. Ihr Erbauer Tschabrun ist jedoch aufgrund seiner dubiosen NS-Vergangenheit in Vergessenheit geraten. Trotz dieser Kontroverse bleibt sein Beitrag zur Architektur und Stadtplanung in Vorarlberg unbestritten, seine Siedlungen sind ein wichtiger Teil des kulturellen und historischen Erbes der Region.
Die in die Jahre gekommenen Gebäude werden nun nach und nach renoviert und restauriert. Unter anderem in Bludenz und Bregenz – mehr dazu in Südtiroler-Siedlung wird neu gebaut (vorarlberg.ORF.at).