Alexander Van der Bellen
APA/DIETMAR STIPLOVSEK
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Politik

Van der Bellen: „Sprache darf nicht ausgrenzen“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch die 77. Bregenzer Festspiele offiziell eröffnet. In seiner Rede warnte er vor Populismus und appellierte an alle, für Lösungen zu kämpfen. Sprache dürfe nicht zum Ausgrenzen verwendet werden: „Wer bestimmt, wer ‚normal‘ ist und wer nicht?“

Zu Beginn seiner Rede bezog sich der Bundespräsident auf die „Theorie der zerbrochenen Fenster“ aus der US-amerikanischen Sozialtheorie der 1980er Jahre. Diese besagt, dass wenn in einem Stadtteil eine zerbrochene Fensterscheibe nicht umgehend repariert wird, zerbrechen schnell alle Scheiben, da der Eindruck entsteht, dass sich niemand um diesen Stadtteil kümmert, was zu Vandalismus und Verfall führt.

Ein kleiner Anlass, der übersehen oder übergangen und nicht korrigiert wird, könne schnell als Freibrief verstanden werden, mehr und mehr zu zerstören, so Van der Bellen: „Warum ich diese Theorie erwähne? Weil in unserem Land gerade einige Fenster zerbrochen werden. Und das muss aufhören.“

„Wer gehört dazu und wer nicht?“

„Es scheint so, als ob sich manche Dinge in unserem Land nicht in die richtige Richtung entwickeln“, sagte der Bundespräsident. Man dürfe sich nicht daran gewöhnen, dass Sprache wieder zum Ausgrenzen verwendet wird: „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass wieder von einem ‚wir‘ und ‚den anderen‘ gesprochen wird.“ Van der Bellen stellte in diesem Zusammenhang die Frage: Wer sagt, wer dazu gehört und wer nicht, und wer bestimmt, wer „normal“ ist und wer nicht? „War Mozart ‚normal‘? Sicher nicht.“ Derart außergewöhnliche Begabungen sind nicht „normal“, so der Bundespräsident.

Es sei brandgefährlich, solche Begriffe so absolut zu verwenden, da sie sehr schnell gedankenlos wiedergegeben werden und so mehr und mehr zum Zusammenbrechen der Gemeinschaft beitragen könnten. „Und diese Zitate werden nicht nur von den üblichen Verdächtigen verwendet. Es scheint so, als würden sich verschiedene Parteien mittlerweile ein Vorbild aneinander nehmen.“

Van der Bellen: "Sprache darf nicht ausgrenzen“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch die 77. Bregenzer Festspiele offiziell eröffnet. In seiner Rede warnte er vor Populismus und appellierte an alle, für Lösungen zu kämpfen. Sprache dürfe nicht zum Ausgrenzen verwendet werden: "Wer bestimmt, wer ’normal‘ ist und wer nicht?“

„Populismus will keine Lösungen finden“

Für ihn scheine es so, dass manche politischen Akteure die Hoffnung verloren haben, dass man mit sachbezogenen Argumenten und inhaltlichen Konzepten durchkommt, so der Bundespräsident. Populismus sei aber nicht daran interessiert, Lösungen zu finden, Populismus wolle trennen und ausgrenzen.

Van der Bellen appellierte in seiner Rede an alle Politikerinnen und Politiker: „Hören Sie auf mit dem Ablenkungskampf um Begrifflichkeiten und Deutungshoheiten. Kämpfen Sie lieber um die besten Lösungen.“ Diese Lösungen müssten den Menschen dann auch so vermittelt werden, dass sie verstehen, was ihr persönlicher Nutzen ist. Es gebe viele Themen, die diskutiert, gelöst und vermittelt werden müssen, so Van der Bellen, und nannte als Beispiele den Ausbau des Wohlstands, die Berücksichtigung von Klima und Umwelt, die Verhinderung von Armut und den sozialen Zusammenhalt.

Menschenrechte und Menschenpflichten

„Ich glaube an unsere liberale Demokratie“, betonte der Bundespräsident – diese regle das Zusammenleben. Außerdem sprach er an, dass durch sie Mehrheiten bestimmen und dabei die Minderheiten geachtet werden: „Sie lässt uns in Freiheit leben, so wie wir sind und sein wollen.“

Mit den Menschenrechten würden auch Menschenpflichten einhergehen, so Van der Bellen. „Menschen, die zu uns kommen und dies akzeptieren, werden davon profitieren. Davon, unsere Sprache zu lernen. Von unseren Gebräuchen und Sitten. Von der absoluten Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die wir immer noch nicht erreicht haben, aber nach der wir streben. Von unserer Offenheit sexueller Orientierung gegenüber.“

Zum Schluss seiner Rede appellierte der Bundespräsident an alle: „Bringen wir das Beste in uns und an Österreich zum Vorschein, und nicht das Niedrigste.“ Man müsse lösungsorientiert über Herausforderungen reden. Wenn man nicht aufgibt, könne man durch alle Herausforderungen kommen.

Zahlreiche geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur trafen sich in Bregenz, viele Menschen fanden sich zum anschließenden Volksempfang ein. Vorarlberg.ORF.at hat die Eröffnung im Liveticker begleitet – mehr dazu in Liveticker von vorarlberg.ORF.at.