In seiner Eröffnungsrede wandte er sich wegen der Teuerungskrise mit einem deutlichen Appell an die türkis-grüne Koalition: Die Regierung müsse jetzt, „und zwar ohne Verzögerung“, das tun, „wofür sie gewählt wurde – sorry -: arbeiten, arbeiten“, forderte das Staatsoberhaupt bei der Eröffnung der Festspiele. „Die Dringlichkeit gebietet rasches, geschlossenes und entschlossenes Handeln. Und vor allem Solidarität.“
Seine Worte seien „vielleicht ein wenig ungewohnt für eine Festspiel-Eröffnungsrede“, merkte Van der Bellen zu Beginn an. Man solle zwar Dinge nicht schlechtreden, aber „wenn wir uns nicht in die eigene Tasche lügen wollen“, müsse man zur Kenntnis nehmen: Spätestens wenn der Winter komme, „laufen wir in ein massives Energieproblem“, wenn man jetzt nicht dementsprechend vorbereitend handle, warnte der Bundespräsident.
Preisanstieg dramatisch
Bereits jetzt stiegen Preise für viele Produkte des täglichen Bedarfes dramatisch, sagte Van der Bellen. „Hunderttausende von Menschen in unserem Land haben Angst und sind am Rande der Verzweiflung. Das sind alleinerziehende Mütter, Mindestpensionisten, aber auch Menschen, die bislang keine gröberen Geldsorgen hatten.“ Zur Bewältigung der Probleme sei Solidarität gefragt.
„Finde ich es gut, wenn Regierende auf allen Ebenen, die uns durch diese Situation leiten sollen, auch viel mit sich selbst beschäftigt und abgelenkt sind? Natürlich nicht“, sagte Van der Bellen. Dennoch sprach er sich klar gegen Neuwahlen aus: Er sehe seine Verantwortung darin, „gerade in dieser Zeit die größtmögliche Stabilität zu garantieren“ und „dafür zu sorgen, dass wir Wochen und Monate völliger Unmanövrierbarkeit vermeiden“, sagte das Staatsoberhaupt, das sich selbst im Herbst der Wiederwahl stellt.
Festspielrede Bundespräsident Alexander van der Bellen
Die 76. Bregenzer Festspiele sind feierlich eröffnet worden. Der Festakt fand mit viel Prominenz aus Kultur und Politik und viel Musik im Festspielhaus statt. Nach zweijähriger CoV-Pause gibt es auch wieder den traditionellen Volksempfang.
Ausbau der nicht fossilen Energiegewinnung muss folgen
Die Lösung der Probleme müsse eine gesamtstaatliche, gemeinsame Anstrengung sein. Strom- und Gasmärkte seien sehr komplex, Bund, Länder und Gemeinden seien gefordert und müssten mit Unternehmen kooperieren, die auf Aktienmärkten operieren – „das ist alles nicht einfach“. Die Anstrengungen müssten auch „entsprechend kommuniziert werden“.
Liveticker zum Nachlesen

vorarlberg.ORF.at hat die Eröffnung mit einem Liveticker begleitet – zum Nachlesen gibt es den Ticker hier.
Den Vorwürfen der Korruption müsse eine umfassende Aufarbeitung und Aufklärung dieser Vorwürfe folgen, sagte Van der Bellen. Dem Einschalten der Wärmekraftwerke mit fossilen Brennstoffen, das im Augenblick leider die bestmögliche Option sei, müsse schnell ein massiver Ausbau der nicht fossilen Energiegewinnung folgen. Der „Abfederung der steigenden Preise“ müsse „eine gute und nachhaltige Absicherung für alle“ folgen, wünschte sich Van der Bellen. Man werde das alles bewältigen, wenn man zusammenhalte, zeigte sich Van der Bellen überzeugt.
Van der Bellen: „Wir sind nicht Putins Vasallen“
Die Energiekrise, die Inflation und die Armutsgefahr seien „ein bewusst herbeigeführter, kriegerischer Akt“, kritisierte Van der Bellen den russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf. „Warum ist plötzlich alles unsicher, was über Jahrzehnte so sicher schien? Weil nicht so weit von hier in Moskau ein Diktator herrscht, der es nicht ertragen kann, dass Menschen in Europa in individueller Freiheit und Unabhängigkeit leben wollen.“
Putin träume von einer Wiedergeburt eines russischen Imperiums. Er habe einen Krieg begonnen, „er lässt Bomben auf Städte und Dörfer werfen, treibt Millionen Menschen in die Flucht“. Zehntausende haben bereits ihr Leben verloren, erinnerte Van der Bellen. „Während wir heute die Festspiele eröffnen, harren Familien in ukrainischen Städten in Kellern und Luftschutzbunkern aus.“
Zudem drossle der russische Präsident die Gasversorgung in Europa, „und machen wir uns nichts vor, er wird sie ganz abdrehen, wann immer es ihm gefällt“. Diese Abhängigkeit sei „unerträglich“, aber es sei auch unerträglich, „auch nur mit dem Gedanken zu spielen, sich zum unterwürfigen Verbündeten eines Diktators zu machen“, betonte Van der Bellen unter Applaus der Gäste.
„Wir sind nicht Putins Vasallen.“ Vergangene Regierungen hätten die Gefahr der Abhängigkeit „nicht gesehen, ignoriert“, Politik und Wirtschaft hätten hier „Fehler gemacht“, räumte Van der Bellen ein. „Und ja, ich selbst habe mich auch täuschen lassen – ich hatte Putin anders eingeschätzt.“
Van der Bellen von Demonstranten ausgepfiffen
Bei seiner Ankunft auf dem Symphonikerplatz vor dem Bregenzer Festspielhaus wurde Van der Bellen von Demonstranten und Demonstrantinnen mit Trillerpfeifen ausgepfiffen.
Pfeifkonzert für Van der Bellen
Bei seiner Ankunft auf dem Symphonikerplatz vor dem Bregenzer Festspielhaus wurde Van der Bellen von Demonstranten und Demonstrantinnen mit Trillerpfeifen ausgepfiffen.
Metzler spielte auf Korruptionsvorwürfe an
Festspielpräsident Hans-Peter Metzler war mit Gedanken zum „grausamen Vernichtungskrieg“ in der Ukraine als Erster ans Rednerpult getreten. „Menschen verlieren ihr Leben, ihre Freiheit, ihre Existenz“, stellte er fest. Der Begriff der Freiheit blieb auch in seinen weiteren Ausführungen bestimmend. Er bezeichnete es als eine zentrale Aufgabe des demokratischen Staates, „Kunst und Kultur in ihrer Freiheit nicht nur zu schützen und zu sichern, sondern ebenso wie die Bildung grundsätzlich und bewusst zu fördern“.
In Österreich und nicht nur in Österreich brauche es keine Vereinnahmung der Kunst für wie auch immer anders geartete Ziele und Zwecke als für Freiheit, Demokratie und Humanität. Ein breites Angebot an Bildungs- und Kultureinrichtungen sei immer noch unabdingbar für neue Lösungsansätze, für Perspektiven, für Mitmenschlichkeit und für Lebensqualität.
Österreich habe dabei ein bisher gut funktionierendes, verantwortungsvoll umgesetztes Fördersystem – das müsse auch so bleiben, forderte der Festspielpräsident. Den vehementen Ruf nach Fundraising und privatem Sponsoring stellte Metzler infrage. „Auf Biegen und Brechen Geld zu beschaffen ist aber ein zweischneidiges Schwert, wie sich nun herausgestellt hat“, sprach er wohl auch die in Österreichs Innenpolitik publik gewordenen Korruptionsvorwürfe der jüngsten Zeit an, ohne sie zu nennen.
Mayer: „Wir sind nicht wehrlos“
Grünen-Kunst- und -Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer – sie vertrat Kulturminister Werner Kogler (Grüne) – hob angesichts des beinahe drei Jahre währenden Krisenzustands „Europa“ als Hoffnung hervor in einer „Welt, die nie wieder so sein wird, wie sie war“.
Der Zusammenhalt im vereinten Kontinent werde helfen, den Krieg und die damit verbundenen Krisen zu überstehen. „Wir sind nicht wehrlos“, widersprach sie auch im Hinblick auf die Coronavirus-Pandemie „entschieden“ Albert Camus, der 1947 in „Die Pest“ formulierte: „Und doch finden Pest und Krieg die Menschen immer gleich wehrlos.“ Die Politik müsse die multiple Krisensituation als Gestaltungsauftrag begreifen.
Eröffnung der Bregenzer Festspiele
Die Bregenzer Festspiele sind am Mittwoch feierlich eröffnet worden – ganz ohne CoV-Einschränkungen, aber auch ohne die Spitze der Bundesregierung. Die Teuerungskrise und der Krieg in der Ukraine haben auch die Reden im Festspielhaus dominiert.
Politische Prominenz bei den Bregenzer Festspielen
Bei der Eröffnung und bei den Premieren der Bregenzer Festspiele ist auch immer politische Prominenz vertreten – und zwar nicht nur aus Vorarlberg. „Vorarlberg heute“ hat sich umgeschaut.
Festspielempfang nach zwei Jahren Pause
Nach zwei Jahren CoV-Zwangspause war heuer auch wieder der traditionelle und immer sehr beliebte Festspielempfang möglich.
Gespräch mit Festspiel-Intendantin Elisabeth Sobotka
Anlässlich der Eröffnung der Bregenzer Festspiele ist Intendantin Elisabeth Sobotka zu Gast in „Vorarlberg heute“.
Gespräch mit Wolfgang Urstadt, technischer Leiter Bregenzer Festspiele
Wolfgang Urstadt, technischer Leiter der Bregenzer Festspiele, über die technischen Herausforderungen, die eine Großproduktion wie „Madame Butterfly“ mit sich bringen.
Mayer zeigte sich darüber hinaus überzeugt, dass die Kunst helfen könne, scheinbare Unausweichlichkeit zu überwinden. Sie nahm Bezug auf Frauenfiguren in den diesjährigen Festspiel-Produktionen und legte dar, wie etwa „unsere tiefsten Emotionen uns zu übermenschlichem Handeln motivieren können“. Anhand der Figuren dringe man tief in die Natur des Menschen ein.
„Es ist diese Kraft, die der Kunst eigen ist“, so die Staatssekretärin. Die Bregenzer Festspiele brächten Höhen und Tiefen der Menschlichkeit nicht nur dem angestammten Opernpublikum nahe, sondern einem weit größeren Personenkreis – und damit „Egalität in das vermeintlich Elitäre“, sagte Mayer.
„Ode an die Freude“ zum Abschluss der Eröffnungsfeier
1.800 Gäste waren ins Festspielhaus geladen. Durch das Programm führte Puppenspieler Nikolaus Habjan. Es spielten die Wiener Symphoniker unter Leitung von Residenzdirigent Enrique Mazzola. Auf Wunsch Van der Bellens erklang zum Abschluss die Europahymne „Ode an die Freude“, um damit die Einigkeit Europas zu betonen, hieß es vonseiten der Festspiele. Nicht mit dabei war Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Termine zu Energiekrise und Teuerung hielten ihn von einem Besuch ab, teilte sein Büro mit.
Auch Wallner und Kogler krankheitsbedingt nicht dabei
Infolge seiner Coronavirus-Infektion war auch Vizekanzler und Kulturminister Kogler nicht bei der Eröffnung. Ebenfalls krankheitsbedingt nicht dabei war Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Vorarlbergs Landes- und Gemeindepolitik war dennoch gut vertreten, angeführt von Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink und Landtagspräsident Harald Sonderegger (beide ÖVP).