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ORF.at/Christian Öser
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Politik

Ökonom Sutter: „Wir werden real ärmer werden“

Das Entlastungspaket des Bundes stößt beim Vorarlberger Wirtschaftsforscher Matthias Sutter auf grundsätzliche Zustimmung. Die Abschaffung der Kalten Progression sei eine Erleichterung. Aber allen Erwachsenen 500 Euro zu schenken, gehe am Ziel vorbei. Sutter rechnet zudem damit, dass sich der Staat das Geld über Steuern wieder hereinholt – und dass wir „real ärmer werden“.

Das von der Bundesregierung am Montag präsentierte Entlastungspaket stößt bei Wirtschaftsforschern auf geteilte Reaktionen. Den einen sind Maßnahmen wie die Einmalzahlungen zu wenig zielsicher, andere loben die Nachhaltigkeit anderer Vorhaben – etwa die Abschaffung der Kalten Progression oder die Index-Anpassung von Sozialleistungen. Auch der Vorarlberger Wirtschaftsforscher Matthias Sutter sieht das Paket im Grundsatz positiv, erwähnt aber auch Kritikpunkte.

Matthias Sutter
ECONtribute
Wirtschaftsforscher Matthias Sutter: Der gebürtige Harder ist Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck.

Sutter: Da fehlt ein „bisserl das Zielwasser“

Die vorgesehene Abschaffung der Kalten Progression werde ab dem nächsten Jahr eine spürbare finanzielle Erleichterung für die Leute bringen, sagt Sutter. Und zumindest einige der geplanten Einmalzahlungen in diesem Jahr seien ebenfalls sinnvoll: „Ich glaube, die grundsätzliche Intention ist eine sehr gute, gar keine Frage. Insbesondere, dass man Familien hilft über diesen Familienbonus, dass man für Kinder Zuschläge macht, dass es Einmalzahlungen für Geringverdiener gibt, das ist alles sehr, sehr sinnvoll.“

Was er aber als Ökonom für weniger sinnvoll erachte, „ist, dass wir allen in Österreich lebenden Erwachsenen 500 Euro schenken wollen“ – unabhängig davon, ob sie es dringend brauchen oder nicht. Da fehle ein „bisserl das Zielwasser“, so Sutter.

Berechnung Familie
Finanzministerium
Berechnung des Finanzministeriums, was die Entlastung einer Familie bringt

Sutter: Staat wird Geld über Steuern hereinholen

Der Wirtschaftsforscher gibt auch zu bedenken, dass die vom Bund vorgesehenen 28 Milliarden Euro an Entlastungen irgendwie finanziert werden müssten.

Die Rechnung der Bundesregierung ist derzeit ziemlich einfach: Je höher die Inflation, desto mehr Steuergelder fließen. Der Großteil der 28 Milliarden Entlastung soll demnach automatisch wieder in die Staatskasse zurückfließen.

Diese Rechnung kann Sutter nicht ganz nachvollziehen: „Zu sagen, man bekomme aufgrund der Inflation danach sehr viel höhere Steuereinnahmen rein, das stimmt grundsätzlich – aber wenn ich die Kalte Progression ab 2023 abschaffe, schon nicht mehr so stark. Ob diese Rechnung, 24 Milliarden von 28 kriege ich wieder rein, stimmt, wage ich zu bezweifeln.“

Volkswirt rechnet mit höheren Steuern

Die zweite Hoffnung der Regierung: Die Entlastung lässt den Menschen mehr Geld zum Leben und das kurbelt den Konsum an. Und dieser Konsum fließe ebenfalls in den Staatshaushalt.

Auch daran will Sutter nicht ganz glauben, denn die Teuerung gehe weiter und lasse kaum Spielraum für mehr Konsum. Der Vorarlberger Volkswirt geht also davon aus, dass die Regierung auf ein altbewährtes Finanzierungssystem zurückgreifen wird: „Zahlen muss man das, indem man einfach irgendwann mal Mehreinnahmen erwirtschaftet – und die werden natürlich über den Steuerkuchen erwirtschaftet.“

Vermögens- und Erbschaftssteuer als Mittel?

Sutter kann sich dabei auch vorstellen, dass Vermögens- und Erbschaftssteuern zur Finanzierung des Entlastungspaketes beitragen sollen. „Das würde ich Moment nicht ausschließen, dass diese Diskussion wieder virulent wird. Der Staat wird die Kosten der Inflation nicht bei jedem einfach abdecken können. Das wird nicht funktionieren. Wir werden real ärmer werden.“ Denn die Inflation geht weiter, auch wenn die Teuerung den Prognosen zufolge ab nächstem Jahr nicht mehr ganz so schnell voranschreitet wie bisher.

„Kalte Progression“ (Quelle: oesterreich.gv.at)

In Österreich ist der Lohn- bzw. Einkommensteuertarif bislang progressiv gestaltet. Das bedeutet, dass das Einkommen in einzelne Teile zerlegt und mit nach Tarifstufen ansteigenden Steuersätzen besteuert wird.

Wenn die Löhne jedes Jahr um die Inflationsabgeltung steigen, aber die für die Lohnsteuer maßgeblichen Tarifstufen gleich bleiben, rücken von Jahr zu Jahr immer mehr Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer in höhere Tarifstufen vor bzw. bleiben in der höchsten Tarifstufe.

Die steuerliche Bemessungsgrundlage steigt aufgrund der Lohnerhöhung im Zeitablauf an, ohne dass der Steuertarif entsprechend angepasst wird. Trotz gleichbleibenden realen Wertes der steuerlichen Bemessungsgrundlage erhöht sich die Steuerlast überproportional. Der Effekt, dass die jährlichen Lohnerhöhungen zu einer steuerlichen Mehrbelastung führen, wird kalte Progression genannt. Um die kalte Progression zu vermeiden, müssten die Tarifstufen und die Steuerabsetzbeträge jährlich an die Inflation angepasst werden.

Und dieses Geld werde sich der Staat in den nächsten Jahren wohl über Steuern wieder hereinholen, ist Sutter überzeugt.