Politologe Peter Filzmaier
ORF Vorarlberg
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Politik

U-Ausschuss: Filzmaier für Live-Übertragung

Auftritte wie jene im Wiener U-Ausschuss können der Politik insgesamt schaden, sagt der Politologe Peter Filzmaier. Er glaubt, dass eine Live-Übertragung im Fernsehen gegen das schlechte Image helfen könnte.

ORF Vorarlberg: Herr Filzmaier, was haben denn diese zwei Tage überhaupt an Erkenntnissen zu dieser ganzen Causa Wirtschaftsbund gebracht?

Filzmaier: Die Tage im Wiener Untersuchungsausschuss im Nationalrat waren von Geschäftsordnungsdebatten gekennzeichnet, welche Fragen überhaupt erlaubt oder nicht erlaubt sind. Und das war auch erwartbar. Denn als dieser Untersuchungsausschuss auf Bundesebene eingerichtet worden ist, war die Causa Vorarlberg und Wirtschaftsbund schlicht und einfach nicht bekannt. Das heißt, es ist auch nicht klar genug geregelt, ob es in den Untersuchungszeitraum und in die Untersuchungsgegenstand hineinfällt und wenn ja, in welchem Ausmaß.

ORF Vorarlberg: Das heißt, Sie haben erwartet, dass es mehr Geschäftsordnungsdebatten als Inhalt gibt?

Filzmaier: Es ist vollkommen logisch, dass die Positionen schon bei der Geschäftsordnung je nach Partei unterschiedlich sind. Die ÖVP argumentiert durchaus nicht zu Unrecht: Die Causa Wirtschaftsbund, also die Selbstanzeige in der Steuerangelegenheit und die folgenden Ereignisse waren nach Ende des Untersuchungszeitraum laut U-Ausschuss. Der geht nur bis Oktober 2021. Da argumentieren die Oppositionsparteien wiederum: Nun gut, das mag stimmen, aber viele Vorkommnisse, auf die man sich jetzt bezieht, waren auch tatsächlich schon vorher. Dann sagt die ÖVP wiederum: ja aber es habe keine Bundesverwaltungsstellen betroffen. Und dieser Streit war erwartbar.

ORF Vorarlberg: Wie sehen Sie denn die Rolle der der Fraktion Fraktionen? Gerade die Grünen werden ja im U-Ausschuss auch als Opposition wahrgenommen, obwohl sie Regierungspartner der ÖVP sind.

Filzmaier: Die Grünen haben historisch gesehen sich als Kontrollpartei etabliert. Wollen sie dieses Image behalten, auf Bundesebene wie in Vorarlberg, dann müssen sie jetzt auch sich als Kontrolleure gebärden und das ist eine Oppositionsrolle. Denn die Regierung ist, auch wenn jetzt der ÖVP-Teil betroffen ist, eher diejenige, die kontrolliert wird. Und diesen Spagat versuchen die Grünen zu schaffen.

ORF Vorarlberg: Und schaffen sie ihn?

Filzmaier: Die Grünen sind in sich in ihrer Argumentation auch nicht logisch, denn von Bundesebene wird der Untersuchungsausschuss in Vorarlberg gefordert, namentlich vom grünen Parteichef Werner Kogler. Das ist auch naheliegend, denn warum soll nicht der Vorarlberger Landtag untersuchen? Die Vorarlberger Grünen biegen und wenden sich. Sie zeigen zwar ihr zunehmendes Misstrauen gegenüber dem Landeshauptmann und der ÖVP und dem Wirtschaftsbund sowieso. Sie wollen sich, so sagen sie selbst, aber nicht den eigenen Stuhl vor die Tür stellen, wenn das ganze Neue übernehmen sollte.

ORF Vorarlberg: Ist die diese Argumentation für Sie irgendwie nachvollziehbar?

Filzmaier: Inhaltlich ist der Untersuchungsausschuss in Vorarlberg schlicht und einfach der logische Weg. Es geht hier im Untersuchungsausschuss nicht um strafrechtliche Vorwürfe. Das sollen Ermittlungsbehörden, also Staatsanwaltschaft und allenfalls Gerichte klären, sondern um politisches Verhalten in Vorarlberg. Und das gehört in einen U-Ausschuss. Realpolitisch haben die Grünen natürlich recht. Wenn sie jetzt quasi den Koalitionspakt brechen, weil sie gegen die ÖVP abstimmen, führt das zu Neuwahlen. Und nach Neuwahlen sehen sich die Grünen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Oppositionsrolle wieder. Den Mehrheiten gegen die ÖVP wären ja nur mit den Freiheitlichen denkbar. Und das ist für die Grünen ein nicht gangbarer Weg.

ORF Vorarlberg: Wie sehen Sie das Bild der Politik allgemein, dass sie die Politik abgibt?

Filzmaier: Nach solchen Tagen im U-Ausschuss, unabhängig davon, ob rechtlich Vorwürfe zu Recht erhoben werden oder nicht, ist das Image der Branche Politik, also das der Parteien und hoffentlich nicht auch das der Demokratie ruiniert. Denn die Politik berücksichtigt eine Grundregel der Wirtschaft nicht: Was immer du tust, auch im schärfsten Wettbewerb, ruiniere nicht das gesamte Image der Branche. Genau das ist aber passiert. Es entsteht der Eindruck, in der Politik wird getarnt, getrickst, getäuscht, unabhängig von der rechtlichen Komponente.

ORF Vorarlberg: Liegt das an den vielen Geschäftsordnungsdebatten?

Filzmaier: Die Geschäftsordnung für den Untersuchungsausschuss ist richtig und wichtig, denn man stelle sich vor, es gäbe überhaupt kein Regelwerk. Dann würden sich die Parteien auf freier Wildbahn ohne Regeln gegenüberstehen. Aber die Politik schafft es nicht, dass die notwendigen Klärungen über die Geschäftsordnung in aller sachlichen Ruhe ohne Medien und Schlagzeilen vor sich gehen. Im Gegenteil: man befeuert Schlagzeilen. Nicht die Geschäftsordnung ist das Problem, sondern, dass Parteien nicht sachlich sich darüber verständigen können.

ORF Vorarlberg: Müssen sich da alle an der Nase nehmen?

Filzmaier: Das Dilemma ist, dass Untersuchungsausschüsse ja nicht öffentlich in dem Sinn sind, dass sie live im Fernsehen übertragen werden. Man ist auf indirekte Informationen angewiesen, einerseits natürlich von journalistischer Berichterstattung, andererseits was Politiker A über B und umgekehrt erzählen. Um die Frage zu klären, müssten wir es live ansehen können im Fernsehen. Und grundsätzlich wäre ich mittlerweile dafür, weil die Argumentation der Politik ist: Dann wäre es nur noch mediale Inszenierung. Aber das passiert ja so oder so.