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Politik

Gewalt gegen Frauen nimmt zu

Psychische Gewalt ist die häufigste Gewaltform – über 40 Prozent aller Frauen waren oder sind davon betroffen. Das Fraueninformationszentrum femail startet deswegen eine breit angelegte Sensibilisierungskampagne. Aber auch physische Gewalt gegen Frauen nimmt zu, so das Ergebnis des Sicherheitsgipfels in Wien.

Fast jeden dritten Tag hat die Polizei im vergangenen Jahr in Vorarlberg einen Mann aus einer Wohnung weggeschickt, weil er seine Frau oder Lebensgefährtin verprügelt oder bedroht hat. Im Jänner des vergangenen Jahres haben die Beamten 21 Betretungsverbote ausgesprochen. Im Jänner 2021 wurden insgesamt 43 Betretungsverbote ausgesprochen, also mehr als doppelt so viele.

Frauennotwohnungen voll ausgelastet

Viele Frauen suchen Hilfe und Schutz, etwa in den Frauennotwohnungen. Die sind bereits voll ausgelastet. Auffallend ist die längere Verweildauer in den IFS-Frauennotwohnungen, sagt die Leiterin Anja Natter. Wichtig sei jetzt, vernetzt zu arbeiten und gemeinsam gegen Gewalt vorzugehen, sagt Mario Enzinger, Leiter der IFS Gewaltberatung.

Mehr Personal gefordert

Im IFS melden sich viele Klienten, die früher gewalttätig waren und jetzt befürchten, wieder rückfällig zu werden, erklärt Enzinger. Die Drucksituation wird durch die Beschränkungen und die CoV-Regelungen erhöht. Beispielsweise fallen Hobbys, Sportangebote und Kontaktmöglichkeiten weg. 85 Prozent der Klienten in der Gewaltberatung sind Männer. Um künftig Gewaltübergriffe zu verhindern, sei es wichtig, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen, sagt Enzinger. Auch die Täter müssen miteinbezogen werden. Dazu brauche es aber auch mehr Personal.

Auch die Frauengewaltschutzorganisationen fordern nach dem bereits neunten Femizid in diesem Jahr in Österreich eine drastische Aufstockung des Budgets und vor allem 3.000 zusätzliche Jobs, insbesondere in der Gewaltprävention – mehr dazu in 3.000 Jobs in Prävention gefordert (news.ORF.at).

Nach der Serie an Frauenmorden haben die zuständigen Regierungsmitglieder am Montag ein Maßnahmenpaket gegen die Gewalt in der Privatsphäre präsentiert. So sollen künftig der Datenaustausch zwischen den einzelnen Einrichtungen verbessert, die Fallkonferenzen verstärkt und die Tatmotive besser durchleuchtet werden – mehr dazu in Regierung schürt Maßnahmenpaket.

Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) und femail-Geschäftsführerin Lea Putz-Erath
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Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) und femail-Geschäftsführerin Lea Putz-Erath bei einer PK vergangenen Sommer

Psychische Gewalt ansprechen

Die femail-Kampagne „Weil es Zeit ist“ soll sensibilisieren und das Thema psychische Gewalt sichtbar machen, wenn wir darüber sprechen, können wir das Problem auch gemeinsam angehen, so Frauenlandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne).

Wiesflecker: „Erschreckende Zahlen“

„Das sind erschreckende Zahlen, die einen dringenden Handlungsbedarf aufzeigen – für Politik und Gesellschaft“, so Wiesflecker. Auch Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) unterstreicht die Dringlichkeit. „Psychische Gewalt ist eine niederträchtige Form der Gewaltausübung. Sie geschieht oft im Verborgenen, die Verletzungen sind unsichtbar – aber für die Betroffenen genauso schwerwiegend“, so Rüscher. Sowohl Prävention und Opferschutz, als auch Täterarbeit und effektive Strafverfolgung seien wichtig.

Feldkirch am 3.5.2021 PK Pressekonferenz femail FUer Frauen, Weil es Zeit ist – Start der Kampagne gegen kpsychische Gewalt gegen Frauen, am Podium Lea Putz-Erath Geschaeftsfuehrerin femail, Christa Bauer, Fachstelle Frauengesundheit femail, Verena H. Lei
Mathis Fotografie

Der Kampagnenstart erfolgt nahezu zeitgleich mit dem 10. Jahrestag der Unterzeichnung der sogenannten Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Am 11. Mai 2011 unterzeichnete auch Österreich die Konvention mit weitreichenden Verpflichtungen zur Prävention, zum Schutz von Opfern und zur wirksamen Strafverfolgung.

„Gewalt an Frauen ist nach wie vor ein massives Problem, in erster Linie ist es ein Männerproblem“, so Wiesflecker. Bevor es zu körperlicher Gewalt, im äußersten Fall sogar zu Morden kommt, werde meist bereits psychische Gewalt ausgeübt. Deshalb müsse verstärkt im Bereich Prävention und Täterarbeit angesetzt werden, fordert Wiesflecker.

Feldkirch am 3.5.2021 PK Pressekonferenz femail FUer Frauen, Weil es Zeit ist – Start der Kampagne gegen kpsychische Gewalt gegen Frauen, am Podium Lea Putz-Erath Geschaeftsfuehrerin femail, Christa Bauer, Fachstelle Frauengesundheit femail, Verena H. Lei
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Lea Putz-Erath und Christa Bauer von Femail beim heutigen Kampagnenstart

Umdenken notwendig

Mit einer Gesetzesnovelle, die ab September in Kraft tritt, ist die Männerberatung für sogenannte Gefährder verpflichtend. Um Gewaltkreisläufe zu durchbrechen, sollten Männer allerdings schon viel früher sensibilisiert und gegebenenfalls dazu aufgefordert werden, Hilfsangebote anzunehmen, sagt die Frauensprecherin der Vorarlberger Grünen Sandra Schoch: „Starke Männer holen sich Hilfe und lassen Hilfe zu.“

Debatte
Femizide: Was muss sich ändern? Diskutieren Sie mit auf ORF.at.

Vorarlbergs ÖVP-Frauensprecherin Gabriele Graf begrüßt die Ergebnisse des Sicherheitsgipfels der Bundesregierung zum Schutz von Frauen vor gewalttätigen Männern. "Gleichzeitig muss uns bewusst werden, dass wir gesamtgesellschaftlich überkommene Bilder von Männlichkeit verstärkt in Frage stellen müssen, um Femiziden den geistigen Nährboden zu entziehen.“

„femail“-Chefin Putz-Erath zu Gewalt gegen Frauen

„femail“-Geschäftsführerin Lea Putz-Erath kommentiert eine Studie über physische Gewalt gegen Frauen und mögliche Strategien dagegen.

Gewalt gegen Frauen kein privates Problem

In Österreich ist der Anteil der Frauen, die körperliche Gewalt erlebt haben, einer der höchsten in der EU, berichtet die EU-Grundrechteagentur (FRA). Sechs Prozent der Frauen in Österreich erlebten gemäß dem jüngsten FRA-Bericht körperliche Gewalt. Bei jungen Frauen zwischen 16 und 29 Jahren seien es 20 Prozent, teilte die Agentur heute mit – mehr dazu in Gewalt gegen Frauen: Eine der höchsten Raten in EU (news.ORF.at).

Was tun bei akuter Gewalt?

Bei akuter Gewalt können Sie bei folgenden Stellen anrufen und sich Hilfe und Unterstützung holen:

  • Polizei: 133 oder 112
  • SMS Polizei: 0800133133 (auch Notruf für Gehörlose)
  • Rettung: 144
  • Frauenhelpline: 0800222555

Hilfe für Frauen

Beratung für Männer