Frau im Dunkeln, streckt die Hand aus
doidam10 – stock.adobe.com
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Soziales

ifs: Gewalt verhindern durch Trainings

Noch immer sind gewalttätige Übergriffe trauriger Alltag für zu viele Menschen auch in Vorarlberg. Ein Element beim Versuch, Gewalt einzudämmmen sind die Anti-Gewalt-Trainings, die das Institut für Sozialdienste (ifs) anbietet. Sechs Beraterinnen und Berater arbeiten mit bis zu 500 Klienten pro Jahr, so der Leiter der Gewaltberatung Mario Enzinger.

Um ein Gewaltproblem zu erkennen ist es auch notwendig, erst einmal zu definieren, was als Gewalt verstanden wird, erklärt Mario Enzinger, der Leiter der ifs-Gewaltberatung: „Es ist eine der Aufgaben der Gewaltberatung, mit den Klienten zu definieren: Wo beginnt denn für mich Gewalt? Beginnt sie beim Anschreien? Beginnt sie bei der Abwertung oder erst beim Zuschlagen? Für mich persönlich beginnt sie schon sehr früh, nämlich bei den Abwertungen, wenn ich Grenzen verletze und anderen Menschen einfach Leid zufügen kann.“

Auch freiwillig Teilnehmende

Die Anti-Gewalt-Trainings des ifs werden nicht nur z.B. von Behörden oder gerichtlich verordnet, sondern auch freiwillig wahrgenommen. Empfehlen würde Mario Enzinger so ein Training allen, die selbst spüren, dass sie Grenzen verletzen und Menschen wehtun: „Ich würde aber auch Menschen empfehlen zu kommen, die von anderen darauf hingewiesen werden, dass sie da Dinge gemacht haben, die nicht in Ordnung sind, dass sie jemanden verletzt oder abgewertet haben.“

In der Gewaltberatung werden dann Themen besprechen, die für das Delikt relevant sind: „Also wir müssen über Rollenbilder reden. Wir müssen über Emotionen reden, über Verantwortung sprechen, wir müssen die Daten rekonstruieren, Grenzen und Grenzverletzungen thematisieren und das eigene Deeskalationsverhalten anschauen. Und das Ganze immer wieder in Bezug auf die Person, die die Tat verübt hat.“

Mario Enzinger
ifs Gewaltberatung Leitung
ifs
Mario Enzinger, der Leiter der ifs-Gewaltberatung

Schein-Kooperation wird aufgedeckt

Anti-Gewalt-Trainings können auch angeordnet werden, z.B. müssen manche verurteilten Straftäter ein solches absolvieren, damit ihnen ein Teil der Strafe bedingt nachgesehen wird. „Das ist natürlich ein sehr anspruchsvolles Klientel, weil die Menschen zum einen sehr oft mit großen Widerständen zu uns kommen. Zum anderen haben sie jedoch den Druck, eine Auflage erfüllen zu müssen.“

Dabei sei es wichtig, dass die Berater Widerstände erkennen und thematisieren und Scheinkooperationen aufdecken, so Enzinger: „Und wenn das feststellt wird, werden diese besprochen und gegebenenfalls kann eine Gewaltberatung auch von unserer Seite abgebrochen werden.“

Anstieg häuslicher Gewalt

Gerade in letzter Zeit wurden am Landesgericht Feldkirch einige Fälle wegen fortgesetzter Gewaltausübung verhandelt, bei denen Familien über länger Zeit hinweg quasi tyrannisiert worden sind. Grundsätzlich verspürt man beim ifs einen moderaten Anstieg der häuslichen Gewalt, so Enzinger. „Die Wegweisungsstatistik zeigt einen Anstieg von zwölf Prozent für das vergangene Jahr. Ich denke, dass vor allem auch die Coronakrise bei Familien, in denen es vorher schon zu Gewalt gekommen ist, diese Situation natürlich verschärft hat.“

Die Enge in einer kleinen Wohnung, prekäre Arbeitsverhältnisse, Sorge um die Gesundheit, Homeschooling seien natürlich Faktoren, die eine ohnehin angespannte Situation noch erschweren könnten.

Auch Frauen üben Gewalt aus

Noch immer ist körperliche Gewalt ein hauptsächlich männliches Problem: „Im häuslichen Kontext können wir feststellen, dass 90 Prozent der Täter männlich und zehn Prozent weiblich. Prügelnde Frauen gibt es sehr wohl auch. An unserer Stelle beraten wir im Schnitt immer zwischen zehn und 15 Prozent weibliche Klientinnen.“

Gewaltschutzzentrum
ORF
Gewalt ist kein Kavaliersdelikt und doch noch offenbar zu wenig gesellschaftlich geächtet

„Gesunde Watsche“ gibt es nicht

Erschütternd ist, dass nach wie vor viele Menschen der Gewalt zustimmen. Eine österreichweite Studie hat im Vorjahr z.B. gezeigt, dass fast jeder dritte Jugendliche dem Satz „Eine gesunde Watsche hat einem Kind noch nie geschadet“ zustimmt. Enzinger betont: „Eine gesunde Watsche hat noch nie etwas Gesundes an sich gehabt, sondern ist einfach nur schädlich. Kein Kind wird auch nur irgendetwas lernen, wenn es geschlagen wird.“

Gewalt immer noch zu wenig geächtet

Man sollte eigentlich meinen, die gesellschaftliche Ächtung von Gewalt sei inzwischen weiter vorangekommen. Er würde sich das natürlich wünschen, so Enzinger: „Es ist leider immer noch für viele Menschen eine Art Kavaliersdelikt, denke ich. Und das ist ganz fatal. Ich denke, es braucht eine gesamtgesellschaftliche Haltung gegen Gewalt. Und wie gesagt, die gesunde Watsche ist ein absolutes No-Go in der Erziehung und auch sonst.“

Man sei aber auf Fälle sensibler geworden für das Thema, so der Leiter der ifs-Gewaltberatung: „Körperliche Gewalt hat es schon immer gegeben und ich befürchte, wird es auch weiterhin geben. Wichtig ist, genau hinzusehen und immer wieder Haltung dagegen zu zeigen und zu sagen: Das wollen wir so nicht in unserer Gesellschaft haben!“