Der Projektleiter der Aufzuchtstation in Überlingen Johannes Fritz geht von sieben Abschüssen aus. Dokumentiert ist der Tod Waldrapp-Weibchens „Afra“. Dieses Weibchen ist in diesem Frühjahr erstmals aus dem Winterquartier in der Toskana an den Bodensee zurückgekommen und im Herbst wieder in den Süden geflogen.
Ein Sender hat am 9. November „Afras“ Tod bei La Spezia an der ligurischen Mittelmeerküste angezeigt. Die italienische Polizei hat dann den Vogel gesucht und auch gefunden.
Strafrechtliche Ermittlungen
Nun laufen strafrechliche Ermittlungen, denn der Abschuss dieses besonders geschützten Vogels ist verboten. Deswegen kann der Tiroler Projektleiter auch keine näheren Angaben zu den weiteren möglichen Abschüssen machen. Wenn die Polizei einen Wilderer erwischt, werde man auch zivilrechtlich klagen, sagt Fritz. Das diene zum einen der Abschreckung, zum anderen bedeute der Tod jedes einzelnen Waldrapps einen Verlust von rund 15.000 Euro.
Jagen zum Zeitvertreib
Illegale Vogeljagd ist eine massive Bedrohung für die Artenvielfalt wildlebender Vögel: Allein in Italien werden laut BirdLife International pro Jahr durchschnittlich 5,6 Millionen Vögel illegal geschossen oder gefangen, zumeist als sportliche Betätigung und aus Tradition.
Seit 2017 gibt es in Italien einen nationalen Aktionsplan zum Kampf gegen das illegale Töten von Wildvögeln. Darin sind sieben „Black Spots“ definiert, in denen die illegale Tötung besonders gehäuft auftritt. Nicht enthalten ist bislang die Ligurische Küste von La Spezia bis Grosseto. In dieser Region, die eine stark frequentierte Zugroute zahlreicher Vogelarten ist, verzeichnet das Waldrappteam die meisten illegalen Abschüsse.
„Illegale Jagd in erschreckendem Umfang“
„In dieser Region findet illegale Jagd in erschreckend großem Umfang statt, sowohl auf Waldrappe als auch auf andere Zugvogelarten. Wir fordern deshalb, einen weiteren „Black Spot“ zu definieren und entsprechende Maßnahmen zu setzen, “ so Johannes Fritz.
Fritz vermutet, dass die vermehrte Anzahl illegaler Abschüsse in diesem Herbst auch eine Begleiterscheinung der Pandemie ist. Damit einhergehende Einschränkungen im beruflichen und sozialen Leben führen zu vermehrten Freizeitaktivitäten im Freien. In Italien zählt die Vogeljagd zu den beliebten outdoor-Aktivitäten und offenbar auch die Wilderei. Ein temporäres Jagdverbot in mehreren italienischen Regionen, das aufgrund der COVID Pandemie verhängt wurde und seit 15. November gilt, gibt Fritz Hoffnung, dass es zu einer Entspannung der Situation kommt.
Fliegen lernen mit Ultraleichtflugzeugen
Der Waldrapp war einst ein in Europa häufiger Vogel, der in Frankreich, in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Spanien und im Westen des Balkans beheimatet war. Im 17. Jahrhundert starben die Waldrappe in Mitteleuropa aufgrund intensiver Bejagung aus.
Das Waldrappprojekt
Etwa 150 konnten in den letzten Jahren aber nachgezüchtet werden, 90 davon am Bodensee. Seit 2017 wurden sie in Überlingen und Heiligenberg aufgezogen, und selbst das Fliegen haben sie von ihren menschlichen Zieheltern erlernt, indem es diese mittels Ultraleichtflugzeugen vormachten. Mit diesen Ultraleichtflugzeugen wurden die Vögel dann auch ins Winterquartier nach Italien begleitet. Einen Zwischenstopp gab es damals beim ersten Flug auch auf der Niedere bei Andelsbuch im Bregenzerwald.