Bürgermeisterin in Alberschwende sitzt am Tisch mit einem Mann
ORF Vorarlberg
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GW2020

Frauen im Bürgermeisteramt eher selten

Frauen im Bürgermeisteramt sind in Vorarlberg eher eine Seltenheit. Eine Frau Bürgermeisterin gibt es derzeit sind neun Gemeinden, zumindest vier davon treten nicht mehr an. Anders sieht es bei den Spitzenkandidatinnen aus: Vor allem bei den Grünen wächst ihre Zahl.

Vorarlberg hat aktuell einen Bürgermeisterinnen-Anteil von knapp 9,5 Prozent. Bisher war die Tendenz steigend, wenn auch nur langsam. Doch vier der neun Bürgermeisterinnen werden aufhören: Annette Sohler (Lingenau, Bregenzerwald), Judith Schilling-Grabher (Bildstein, Bezirk Bregenz), Gabriele Mähr (Schlins, Bezirk Feldkirch) sowie Luzia Martin-Gabriel (Sonntag, Großes Walsertal).

Rücktrittsgründe sind Arbeitsbelastung und Druck

Die Gründe für den Rückzug ähneln einander: stärker werdende Arbeitsbelastung und Druck auf Entscheidungsträger, komplexere Vorschriften und Schwierigkeiten, den teilweise in Teilzeit ausgeübten Politiker-Beruf mit der Familie zu vereinbaren, zudem der Kampf gegen Vorurteile. „Es war von Anfang an klar, dass ich das nur eine Zeit lang tue“, so Annette Sohler, die 2010 für sie überraschend ins Amt kam und nach zehn Jahren Vollzeit-Ortsleitung in den Landesdienst zurückkehren wird.

Porträtfoto der Lingenauer Bürgermeisterin Annette Sohler.
Gemeinde Lingenau
„Aufgaben müssten besser verteilt werden“

Für die Zukunft müssten Aufgaben besser aufgeteilt werden, „hier verbrennt man sonst die Bürgermeister“. Der Beruf sei zwar erfüllend, doch „es ist kein familienfreundlicher Job“, das betreffe auch die männlichen Kollegen.

Bürgermeisterin in Sonntag tritt ab

Ganz mit der Politik aufhören will Luzia Martin-Gabriel. Sie hatte 2016 das Bürgermeisteramt der 640-Einwohner-Gemeinde Sonntag von ihrem Langzeit-Vorgänger übernommen. „Wir haben einige schöne Projekte hergebracht“, so die Ortschefin, die zu 50 Prozent als Lehrerin arbeitet. Noch im November habe ihr die Gemeindevertretung das Vertrauen ausgesprochen, im Jänner habe man ihr dann mitgeteilt, dass der Rückhalt für sie fehle. „Ich war schon etwas vor den Kopf gestoßen“, sagte Martin-Gabriel. Frauen hätten in der Politik noch immer mit Vorurteilen zu kämpfen, „ganz klar“. Sie berichtete von teils heftigen Widerständen und Provokationen in der großteils männlichen Gemeindevertretung.

„Dass ich als Bürgermeisterin eigenständig Dinge entschieden habe, oder als Frau auch bei technischen Dingen mitgeredet habe, das wurde nicht akzeptiert“, so Martin-Gabriel. Sie habe zudem rechtliche Vorgaben sehr genau genommen und sei teilweise von Wirtschaftstreibenden bekämpft worden. „Die Gleichbehandlung aller Bürger ist mir wichtig, nur war man das halt nicht gewohnt“, so Martin-Gabriel. Sie werde nun wieder Lehrerin sein und freue sich auf mehr Zeit mit der Familie: „Denn Bürgermeisterin ist man eigentlich immer. Die Familie musste schon viel zurückstecken.“

Die Gemeindewahl wird es zeigen

Ob nach dem 15. März neue Bürgermeisterinnen in Vorarlberg dazukommen, ist im Vorfeld der Wahlen schwer abzuschätzen, da in 21 Gemeinden eine Listenwahl ohne Bürgermeisterdirektwahl stattfindet, und in 14 Gemeinden ohne Listen gewählt wird. Hier schreiben die Stimmbürger ihre Wunsch-Gemeindevertreter auf die Stimmzettel. Häufig rückten die weiblichen Vorarlberger Ortschefs für ihre zurückgetretenen männlichen Vorgänger ins Amt nach, oder kamen in Kleingemeinden zum Zug, wo sich der Andrang auf das Amt in Grenzen hält.

Die Bürgermeisterinnen kommen, im schwarzen Ländle wenig überraschend, bisher zumeist aus der ÖVP. Vier ÖVP-Frauen wollen heuer ihr Amt verteidigen: Andrea Kaufmann (Dornbirn), Angelika Schwarzmann (Alberschwende, Bregenzerwald), Katharina Wöß-Krall (Rankweil, Bezirk Feldkirch) und Eva-Maria Mair (Hard, Bezirk Bregenz), die die Agenden erst im Dezember 2019 von ihrem zurückgetretenen Vorgänger übernommen hat. Damit sind vier der 33 ÖVP-Spitzenkandidaten weiblich.

ÖVP versucht es mit öffentlichem Aufruf

Nach wie vor sei es schwierig, Frauen zu motivieren, sich politisch zu engagieren, hieß es aus den Vorarlberger Parteien. Die ÖVP versuchte es unter anderem mit einem öffentlichen Aufruf der Frauenbewegung. Auch ein Mentoring-Programm wurde gestartet, denn viele Frauen wünschten sich „ein langsames ‚Hineinwachsen‘ in politische Funktionen“.

Die FPÖ erklärte, man habe mehr Frauen als früher auf den Listen, das sei positiv. Aber nur in Hard stellt sich mit Sandra Jäckel eine FPÖ-Frau als Spitzen- und Bürgermeisterkandidatin zur Wahl. In Fußach (Bezirk Bregenz) kandidiert mit Elisabeth Schneider eine Frau an der Spitze jener Liste, der bisher FPÖ-Langzeitbürgermeister Ernst Blum vorstand.

In den elf Gemeinden, in denen NEOS heuer antritt, steht dagegen keine Frau an der Listenspitze. „Wir bedauern das sehr. Wir hätten uns mehr Frauen gewünscht und die weiter vorne“, so eine Sprecherin. Dabei habe man sich aktiv um Frauen bemüht und werde das weiter tun, schließlich sei man die einzige Partei mit einer Landessprecherin; auch im Landesvorstand säßen mehr Frauen als Männer.

Grüne tun sich leichter

Leichter tun sich offenbar die Grünen. In den 28 Gemeinden, in denen grüne oder grünnahe Gruppierungen antreten, sind fast die Hälfte der Spitzenkandidaten Frauen. „Wir haben schon lange eine Quote. Bei uns werden die Listen seit jeher nach dem Reißverschlussprinzip erstellt – und diese Aufbauarbeit macht sich eben bezahlt. Denn das macht was mit dem Denken. Wir bräuchten die Quote wahrscheinlich gar nicht mehr, denn bei uns ist es einfach normal, dass die Hälfte der Kandidaten Frauen sind“, begründete Christine Bösch-Vetter, Landtags-Klubdirektorin und Spitzenkandidatin in Lustenau. Ihr sei es dementsprechend nicht schwer gefallen, Frauen für die Lustenauer Grünen-Liste zu gewinnen. Nur Wünschen allein reiche aber eben nicht, so die Grüne an die Adresse der anderen Parteien.

Die SPÖ stellt ihre Listen zwar ebenfalls nach dem Reißverschlussprinzip auf, doch nur in drei der 22 Gemeinden, in denen die SPÖ antritt, sind Frauen ganz vorne. In Lustenau steht Manuela Lang an der Spitze, in Feldkirch Brigitte Baschny. In Frastanz (Bezirk Feldkirch) stellt sich Silvia Tiefenthaler auch als Bürgermeisterkandidatin zur Wahl.