Wohnzimmer: Holzbank und Holzstühle, große Fenster
ORF Vorarlberg
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Architektur

Großer Erfolg beim Bauherrenpreis

Die Gewinner des Österreichischen Bauherrenpreises sind Freitagabend in Kärnten bekanntgegeben worden. Gleich zwei der sechs prämierten Bauten stehen in Vorarlberg. Die Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs hat den Schul-Neubau in Bregenz-Schendlingen und das „Haus obd’r Lech“ ausgezeichnet.

Insgesamt wurden 132 Projekte eingereicht. Eine Nominierungsjury suchte dann 24 Projekte aus. Die Hauptjury, bestehend aus den Architekten Andreas Cukrowicz und Donatella Fioretti sowie dem Architekturpublizisten Albert Kirchengast, trafen dann die Auswahl.

Ausgezeichnet wurden neben den Vorarlberger Bauten unter anderem ein Streckhof mit Schnapsbrennerei im burgenländischen Weingraben, für die Jury „ein Lehrbeispiel, welch ungehobenen und anregenden Schatz alte Formen noch heute böten“, und ein pagodenartiger Stall für Wagyu-Rinder im Hausruckviertel in Oberösterreich. Der von der Zentralvereinigung (ZV) der Architektinnen und Architekten Österreichs seit 1967 vergebene Preis würdigt herausragende Bauten, Freiraumgestaltungen und städtebauliche Lösungen, die sich besonders durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Bauherren und Architekten auszeichnen.

Haus obd’r Lech

Oberlech 56, 6764 Lech
Bauherrschaft: Clemens Schmölz Architektur: Hein Architekten / Matthias Hein, Bregenz Gernot Thurnher, Feldkirch Tragwerksplanung: Andreas Gaisberger, Dornbirn
Fertigstellung: 1/2018

renoviertes Holzhaus von außen in Leh
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Haus obd’r Lech

Begründung der Jury:

Man wandert über satte Wiesen, den Weg weist die frische Fichtenschalung. Der zweigeschossige Einhof mit flach geneigtem Blechdach liegt da und genießt die Ruhe der Zwischensaison. Keine einfache Almhütte mehr, sondern ein Luxusobjekt, finden hier drei Paare mitsamt Weinsortiment und Koch (Einliegerwohnung) mietbaren Raum.

Die Transformation merkt man dem soliden Haus äußerlich nicht an. Weiterbauen lautet das Thema, zur Revitalisierung eines hochdesolaten Holzbaus. Der Zimmermann riet schon zum Abriss, als das Interesse des Eigentümers nach dem Bauforscher rief, der eines der ältesten Häuser weit und breit entdeckte – ein Walserhaus aus dem 14. Jahrhundert mit seltener Bohlen-Balkendecke. So wurde, was von der Strickstruktur zu retten war, gerettet.

Holzdecke
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Bohlen-Balkendecke

Ostseitig, anstelle des bereits in den 1950er-Jahren verlorenen Wirtschaftstrakts, entstand ein Zubau in Holzmassivbauweise. Die ursprüngliche Kubatur sollte wiederhergestellt werden, obschon die Bauordnung nur zehn Prozent Zugewinn erlaubte. Das gelingt durch Neuinterpretation des „Schopfs“ – luftige Loggien, in den Baukörper eingeschnittene Zellen von überraschender innenräumlicher Wirkung.

Durch den Wechsel von der Vertikal- zur Stülpschalung blieb der neu-alte Anbau ablesbar. In ihn sind größere Fensteröffnungen mit Schiebeläden eingelassen, während thermisch ertüchtigte, zweiflügelige Fenster mit Balken für die Gesamterscheinung bestimmend bleiben. Im Inneren wird das gelungene Zusammenspiel noch deutlicher: Weder ist das Alte inszeniert noch steht es plump neben dem Neuen. Die Räume verströmen den Geist von Wertschätzung und Neugier, der alle hier Tätigen angespornt hat. Vor allem aber herrscht Gemütlichkeit – ein mächtiger Kamin zieht sich im Mittelflur nach oben in den zentralen Aufenthaltsraum. Luxus wird dabei auf ganz eigene Weise artikuliert, weiß sich zurückzuhalten, unterliegt dem Respekt gegenüber Geschichte und Kontext: Wer die Geschichte des Hauses nicht kennt, meint eher, es müsse sich um eine behutsame Erweiterung handeln.

Schön ist die Könnerschaft im Holzbau; der gewisse Witz erfreut, den sich das Meisterliche leistet: Vom hölzernen „Spion“ bis zu den „Zirbenaugen“, die für Abwechslung sorgen bei so viel Weißtanne. Vieles ist durch den Dialog der Handwerker entstanden, auf die man sich hierorts verlassen kann – Handwerker, die auf der Skala des Möglichen den richtigen Ton treffen. Dieses Weiterleben durch Transformation gelingt wohl nur innerhalb einer solcherart hochentwickelten Baukultur.

Schule Schendlingen

Wuhrwaldstraße 26, 6900 Bregenz
Bauherrin: Landeshauptstadt Bregenz,
Abteilung Planung und Bau/Bernhard Fink
Architektur: studio bär, Bregenz; bernd riegger architekten,
Dornbirn; Querformat, Dornbirn
Tragwerksplanung: Manfred Plankel, Bregenz
Fertigstellung: 8/2017

Schulzentrum Schendlingen in Bregenz innen
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Begründung der Jury

Ein Gebäude, das durch die Durchdringung der Bauaufgabe auf struktureller wie formaler Ebene vollends überzeugt. Auch hier herrscht Kostendruck – wie so oft gibt es viele, die mitreden wollen. An der Spitze aber steht ein Pädagoge, der weiß, was er will. Die Klarheit seiner Vorstellungen spiegelt sich im Gebäude wider, einer Ganztagsschule für 6- bis 14-Jährige, die auf einem bereits 2012 ins Leben gerufenen Nachdenkprozess über zukünftige Bildungskonzepte beruht. In Schendlingen sollten diese Überlegungen erstmals gebaut werden. Dem Campus selbst kommt dabei keine geringe Bedeutung zu. Und so hört man oft beim gemeinsamen Rundgang vom „Raum als weiteren Pädagogen“. Flexibilität, Mehrfachnutzung, Clusterbildung – das Anforderungsbündel übersetzt das Architekten-Team in eine umso gelassenere, aber strenge Struktur, mit der es als Sieger aus dem zweitstufigen EU-weiten Wettbewerb hervorging. Den Anlass gibt der hohe Anteil an Schulkindern mit „Migrationshintergrund“ aus den Außenbezirken der Landeshauptstadt.

Schulzentrum Schendlingen in Bregenz innen
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Hier ist der Ort, an dem sie täglich mit der Stadtkultur in Kontakt kommen – die Straßen um die Schule wurden verkehrsberuhigt, üppige Glasflächen vermitteln zum Wohnquartier. Visuelle Hierarchien gibt es keine. Hier soll man allererst das Zusammenleben lernen. Dem „Prinzip Sichtbarkeit“ kommt eine wichtige Rolle zu, denn es sorgt für Aufmerksamkeit und Sorgsamkeit im Umgang miteinander und mit den Dingen. Diese Niederschwelligkeit ist Programm: Zum Direktor gelangt man nicht übers Vorzimmer, Sekretariat gibt es keines, das Lehrerzimmer ist ein Klassenraum und die Sonderunterrichtsräume wirken stets aufgeräumt.

Der Stil: Eine Art neuer Brutalismus, in die tektonische Lehre gegangen; Beton, Glas und Holz, von der Decke abgehängt Akustikpanele aus Filz, die für ein bisschen Ornamentik sorgen – wenn man so will. Denn alles ist auf den Punkt gebracht, durch das helle und schön gemaserte, sägeraue Eschenholz und die satten Betonflächen (zweischaliger Sichtbeton) aber nicht spröde, sondern direkt, ungeschminkt. So kann man den Grundriss wie ein Diagrammstudieren – ohne dass man sich in einem solchen befindet. Intelligent und kompakt ist dieser Musterschüler: Auflagen der Didaktik, Sicherheit, des Brandschutzes etc. – all das ist in eine Struktur integriert und bewältigt, die kraft ihrer sinnlichen Lapidarität zu Architektur wird. Der Dialog zwischen reformierter Pädagogik und anmutiger Gestaltung ist geglückt. Das gelingt dann, wenn Programme gut durchdacht sind und ambitionierte Architekten diesen Raum schenken.