Demenz
ORF Vorarlberg
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„Focus“

Demenz: Vorbeugung und Therapie

In der „Focus“-Sendung von ORF Radio Vorarlberg geht es dieses Mal um das Thema Demenz: Beim Montagsforum in St. Gallen (CH) berichtete der Demenz-Spezialist Ansgar Felbecker, Leitender Arzt der Klinik für Neurologie am Kantonsspital St. Gallen in der Schweiz über die neuesten Erkenntnisse.

Vergessen ist oft ein sinnvoller und wichtiger Mechanismus, um unangenehme Sachen aus dem Hirn zu bringen. Wenn aber das Vergessen krankhaft wird, dann sind wir konfrontiert mit einer großen Zahl an Gedächtnisstörungen und neurodegenerativen Erkrankungen, also Krankheiten, bei denen es zum Verfall des Nervensystems kommt. Die bekannteste dieser Krankheiten ist Alzheimer. Es gibt darüber hinaus aber noch einige andere Formen der Demenz.

Je älter wir werden, desto wahrscheinlicher ist es, an Demenz zu erkranken: Im Alter von über 90 Jahren liegt der Anteil der Demenzkranken in der Gesamtbevölkerung bei den Männern bei etwa 30 Prozent, bei den Frauen bei etwa 45 Prozent. Über die Hälfte hat also auch im sehr hohen Lebensalter keine Demenz. Demenz sei nie die Normalität, sagt Dr. Ansgar Felbecker. Er ist leitender Arzt der Klinik für Neurologie am Kantonsspital St. Gallen (CH), an der sogenannten Memory Klinik.

Dr. Ansgar Felbecker ist Leitender Arzt der Klinik für Neurologie am Kantonsspital St.Gallen. Demenz ist ein Spezialgebiet von ihm. An der sogenannten Memory-Klinik (in Österreich: Gedächtnisambulanz) macht er vor allem die Abklärung von jüngeren Menschen.
Peter Ruggle

Alzheimer ist häufigste Demenzform

Demenz ist zudem nicht gleich Alzheimer. Alzheimer ist allerdings die häufigste Demenzform. Zwei Drittel aller Fälle sind Alzheimer-Fälle, aber dann gibt es noch viele andere Formen und es lohnt sich, genau hinzuschauen. Die Demenzsymptome, die wir sehen, die wir spüren, sind nur die Spitze des Eisbergs, sagt Demenz-Experte Felbecker. In Wahrheit passiert unter der Oberfläche im Gehirn wahnsinnig viel mehr und viel, viel früher, als wir es eigentlich merken.

Prävention bereits in der Schule

Im Gehirn der Betroffenen starten die ersten Prozesse schon 20 Jahre vor Ausbruch der ersten klinisch sichtbaren Symptome. Das lange Kompensieren ist die Kunst unseres menschlichen Gehirns. Da man keinen Prozess stoppen kann, der schon 20 Jahre im Hirn sein Unwesen treibt, muss Prävention viel früher stattfinden. Aber am effektivsten ist die Prävention ganz früh. Die Wissenschaft kennt heute viele präventive Maßnahmen, die eigentlich schon in den Schulen starten sollten.

Sendungshinweis: „Focus – Themen fürs Leben“ bei ORF Radio Vorarlberg, 25. März 2023, 13.00 bis 14.00 Uhr

Gehör schützen – Demenz damit verhindern

Jede und jeder kann etwas gegen eine Demenzerkrankung tun. 60 Prozent ist Schicksal, 40 Prozent liegen in unserer Hand, sagt der Neurologe. Heute kennen wir ein Dutzend Faktoren, die demenzpräventiv sind. Es zeigt sich, dass die Bildung in jedem Lebensalter ein kleiner demenzpräventiver Faktor ist. Der zweite Faktor, den wir alle beeinflussen können, ist unser Gehör zu schützen. Eine neue Erkenntnis besagt, dass acht Prozent der globalen Demenz-Prävalenz durch eine effektive Behandlung einer Schwerhörigkeit mit Hörgeräten verhinderbar wären.

„Das ist eine wahnsinnig hohe Zahl. Also acht Prozent ist einer der größten Anteile, die wir haben. Das heißt, nehmen Sie das wirklich ernst! Menschen, die mit 50 schlecht hören, kriegen mit 65 eine Demenz. Da finden Prozesse im Hirn statt. Durch das schlechtere Hören werden Informationen ausgeblendet. Und das triggert diesen Prozess Demenz", sagt Felbecker.

Kopfverletzungen sollten unbedingt vermieden werden

Ein weiterer Punkt ist die körperliche Aktivität. Der Faktor ist laut Felbecker weniger stark, als früher gedacht wurde. Die globale Demenz-Prävalenz werde rein nur durch Sport mit etwa zwei Prozent beeinflusst. Also körperliche Aktivität ja, aber ganz wichtig mit Augenmaß, sagt der Neurologe. Vor allem Kopfverletzungen sollten vermieden werden. Problematisch sei vor allem das Thema Schädel-Hirn-Trauma, etwa bei Sportarten wie Boxen, American Football, aber auch Eishockey. Diese Sportler haben laut Felbecker erhöhtes Risiko und das ist in Amerika inzwischen sogar anerkannt. Bei den American Football Spielern ist Demenz eine anerkannte Berufskrankheit. Die NFL zahlt eine immense Summe, 500 Millionen Dollar, in eine Ausgleichsstiftung, um Einzelklagen zu vermeiden. Im europäischen Fußball ist vor allem auch viel Kopfball-Training in Jugendmannschaften sehr ungünstig, sagt Felbecker. In England wurde es letztes Jahr verboten. Kinder unter zwölf Jahren dürfen kein Kopfball-Training machen.