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IMAGO/YAY Images
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„Focus“

Kloimstein: „Musik für Herz – LSD fürs Hirn?"

Primar Dr. Philipp Kloimstein leitet seit 2020 die Stiftung Maria Ebene. Er referierte bei „Anima“, dem Tag der Psychotherapie im Kulturhaus in Dornbirn, über neue Therapieansätze bei psychischen Erkrankungen – unter anderem spielt dabei auch LSD eine Rolle.

Vergangenen Samstag hat der Vorarlberger Landesverband für Psychotherapie zum siebten Mal zur Tagung „Anima“ geladen.
Circa ein Drittel der Bevölkerung leidet unter psychischen Erkrankungen. Die häufigsten sind Angststörungen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. 2004 war die Depression laut Weltgesundheitsorganisation WHO auf Platz drei unter allen Krankheiten, die es gibt. Und die Prognose von 2004 – noch lange vor der Pandemie und dem Ukrainekrieg – für das Jahr 2030 war, dass die Depression Platz eins einnehmen wird.

Suche nach neuen Behandlungsmethoden

Der Leiter des Krankenhauses Maria Ebene, Primar Philipp Kloimstein, sprach bei dieser Tagung zum Thema „Musik fürs Herz – LSD fürs Hirn? Therapeutische Zugänge mit Potenzial“. Kloimstein widmete sich dabei vor allem der Suche nach neuen Behandlungsmethoden in der Psychotherapie und besonders der Suche nach geeigneten Medikamenten. Bei der Entwicklung von Antidepressiva gab es in den letzten 40 Jahren nämlich kaum mehr eine nennenswerte Entwicklung. In den 1960er Jahren ist laut Kloimstein eigentlich alles passiert, was heute an Psychopharmaka so groß am Markt ist. Und seither gab es keine großen Gamechanger.

LSD als Therapieansatz

Jetzt aber ist die Rede von einer psychedelischen Renaissance. LSD wurde früher bereits in den 1960 Jahren in Europa im Rahmen der psychoanalytischen Therapie medizinisch verwendet, bis es verboten wurde. In der psychoanalytischen Therapie in Europa wurden diese psychedelischen Substanzen meistens in einer sehr niedrigen bis mittleren Dosis verabreicht, und zwar – ganz wichtig – betont Primar Philipp Kloimstein – im therapeutischen Setting. Es war eine kontrollierte Abgabe genauso wie eine begleitete Einnahme.

Jetzt wird der Einsatz zur Behandlung psychischer Erkrankungen, wie etwa bei schweren bzw. chronischen Depressionen oder bei der Behandlung von Suchterkrankungen, sowie bei posttraumatischen Belastungsstörungen neuerlich erforscht. Aktuell laufen größere Studien, insbesondere in den USA, aber auch in der Schweiz sowie in einzelnen Ländern der EU. Eine allgemeine Zulassung erfolgte aber bisher noch nicht. In Österreich ist die Forschung damit nicht zulässig.
Eine Sucht mit einem Suchtmittel zu behandeln – das mag eigenartig klingen. Das Abhängigkeitspotential und auch das Schadenspotential von LSD sind aber extrem niedrig.

Sendungshinweis: „Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 22. Oktober 2022, 13.00 bis 14.00 Uhr

Am stärksten abhängig machen Heroin und Morphin, gleich gefolgt von Nikotin. Primar Philipp Kloimstein merkt dazu am Rande an: „Zwischen 12.000 und 14.000 Menschen sterben in Österreich jährlich an den Folgen von Tabak. Wenn ich jetzt frage, wie viele Menschen an der Pandemie verstorben sind, dann müssen wir vielleicht kurz schlucken und uns überlegen, ob nicht allein die Tabakabhängigkeit schon seit Jahrzehnten eine versteckte Pandemie ist.“

Die Wirkung von LSD im Hirn: Eine Zunahme an Konnektivität, also eine Zunahme an Verkabelung im Hirn und dadurch natürlich eine Zunahme an neuronaler Plastizität, erklärt Primar Philipp Kloimstein. Es könnte im Hirn noch „etwas angestoßen werden“, ein disruptiver Effekt könnte sich einstellen. Der Leiter des Suchtkrankenhauses Maria Ebene Dr. Philipp Kloimstein regte bei der Tagung zudem an, Musiktherapie gezielter einzusetzen.

Primar Dr. Philipp Kloimstein übernahm mit 01.04.2020 die ärztliche Leitung der Stiftung Maria Ebene.
Stiftung Maria Ebene
Primar Dr. Philipp Kloimstein leitet seit 2020 die Stiftung Maria Ebene

Zur Person:

Primar Dr. Philipp Kloimstein leitet seit 2020 die Stiftung Maria Ebene. Kloimstein studierte Medizin an der Universität Wien, absolvierte ein MBA-Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist ausgebildeter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Von 2015 bis 2016 ging er einem Lehrauftrag an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich nach und ist seit 2016 als Gutachter in St. Gallen tätig. Zudem studierte Philipp Kloimstein auch Musik – Violine und Dirigieren.