Kind sitzt auf Spielplatz, von hinten fotografiert
imago images/Thomas Eisenhuth
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Gesellschaft

Pflegekinder: „Vielfalt an Familienmodellen“ gesucht

Pflegefamilien bieten Kindern, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht bei ihren Eltern leben können, ein neues Zuhause auf Zeit. Am Donnerstag wurden vom Land Neuerungen präsentiert – unter anderem werden nun auch Pflegepersonen für mehrere Tage pro Woche gesucht. Dabei muss es keinesfalls mehr die klassische Pflegefamilie sein.

Neben der Langzeit- und Krisenpflege gibt es künftig auch die Möglichkeit, dass Kinder mehrere Tage pro Woche in eine Pflegefamilie kommen. Dies kann der Fall sein, wenn die Eltern eine Entlastung benötigen. Der Lebensmittelpunkt bleibt aber bei den Eltern bzw. bei der bisherigen Bezugsperson des Kindes.

Für diese Maßnahme stehen drei Millionen Euro aus dem Sozialfonds zur Verfügung. Derzeit gebe es Angebote für etwa 200 Familien, doch der Bedarf sei höher. Daher werden stets neue Pflegefamilien und Eltern gesucht, die sich eine solche Aufgabe vorstellen können, betont Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Im Schnitt zwölf Jahre

Ein Kind bleibt durchschnittlich zwölf Jahre lang in einer Pflegefamilie, doch der Kontakt bleibt oft ein Leben lang bestehen. „Aktuell leben 195 Kinder in Dauerpflegeverhältnissen und neun Kinder in Krisenpflegeplätzen. Zusätzlich werden im Vorarlberger Kinderdorf 60 bis 70 Kinder stationär betreut“, erklärt Geschäftsführerin Alexandra Wucher.

Zahl der Pflegepersonen zurückgegangen

In Vorarlberg ging die Anzahl an Pflegepersonen in den vergangenen fünf Jahren um fast ein Viertel zurück. Der Bedarf an Pflegefamilien sei aber weiterhin vorhanden, so Wucher. Geworben wird daher für eine „Vielfalt an Familienmodellen“ – Pflegemutter und Pflegevater, gleichgeschlechtliche Paare, Personen mit queerer Identität sowie Familien mit Migrationshintergrund oder Fluchtgeschichte.

Gezielt werden auch Einzelpersonen oder z.B. erwachsene Personen, die zusammen in einer Wohngemeinschaft leben, angesprochen. „Wir versuchen, durch neue Pflegschaftsformen und verbesserte Rahmenbedingungen wieder mehr Menschen für diese besondere Aufgabe zu gewinnen“, so Wucher.

Ein Zuhause auf Zeit: Die wichtige Rolle von Pflegefamilien

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Vier verschiedene Varianten

So wird es in Vorarlberg mit der Neuregelung künftig vier – statt wie bisher zwei – Pflegschaftsformen geben. Neben der neuen tageweisen Variante – der „Entlastungspflege“ – wird auch eine „Verwandten- und Netzwerkpflege“ eingeführt. Die Langzeitvarianten werden umbenannt und umgestaltet. Es gibt eine „Bereitschaftspflege“, die für Kinder gedacht ist, bei denen eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht und deren weitere Perspektive ungewiss ist. Diese Form wird auf maximal zwei Jahre ausgeweitet. Von einer „Dauerpflege“ wird dann gesprochen, wenn eine minderjährige Person für unbefristete Zeit in einer Pflegefamilie untergebracht werden soll. Eine Rückführung dieser Kinder zu ihren Eltern ist vorerst nicht geplant.

Unterschiedliche Gründe

Kinder kommen aus vielfältigen Gründen in Pflegefamilien. Ebenso vielfältig können die Familien selbst sein. Das Wichtigste sei, dass Kinder und Pflegepersonen gut miteinander harmonieren, sagt Klaus Wolf, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Siegen. Dabei spiele es nicht unbedingt eine Rolle, ob die Pflegefamilie dem Idealbild von Vater, Mutter und Kind in einem Einfamilienhaus entspreche. „Kinder, die besondere Erfahrungen gemacht haben, kommen oft gut mit Erwachsenen zurecht, die ebenfalls ungewöhnliche und unterschiedliche Lebensstile haben“, so Wolf.

Oft Vorteile für alle Beteiligten

In den meisten Fällen profitierten am Ende alle Beteiligten, sagt Wolf. Er ist sich sicher: „Wenn alles gut läuft, kann es eine Win-Win-Situation für die Pflegeeltern, das Kind und manchmal sogar für die leiblichen Eltern sein.“ Das große Ziel sollte jedoch immer der Kontakt und die Möglichkeit der Rückkehr zur Herkunftsfamilie sein.