Stiller Notruf
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Chronik

Stiller Notruf gegen häusliche Gewalt

In Vorarlberg muss die Polizei oft mehrmals am Tag wegen häuslicher Gewalt einschreiten. Über 500 Betretungsverbote werden aus diesem Grund pro Jahr ausgesprochen. Die Polizei hat nun einen stillen Notruf für Handys eingerichtet. Damit können Opfer von häuslicher Gewalt direkt und heimlich die Polizei verständigen.

In der Landesleitzentrale der Polizeidirektion Bregenz langen alle Notrufe ein, die über die 112 gewählt werden. Rund 40 Beamtinnen und Beamte kümmern sich darum. Neben der Notrufnummer 112 gibt es auch die Möglichkeit, via Handy einen stillen Notruf abzusetzen. „Der ist für Gefährdungen in der Privatsphäre gedacht. Der vermutlich häufigste Fall wird sein, dass eine Frau von ihrem Partner bedrängt oder geschlagen wird. Um dann eine weitere Eskalation durch einen Anruf bei der Polizei zu verhindern, besteht die Möglichkeit, den stillen Notruf abzusetzen“, erklärt Christoph Feurle, der Leiter der Landesleitzentrale.

Der Notruf wird über die App „DEC 112“ aktiviert. Dafür muss man die App auf das Handy laden und die persönlichen Daten wie zum Beispiel die Adresse eingeben. Wird ein stiller Notruf abgesetzt, geht alles sehr schnell. „Als Nächstes werden von der Disposition zwei Polizisten an die betreffende Stelle entsandt. Die versuchen dann, die Situation zu deeskalieren“, ergänzt Feurle.

Häusliche Gewalt: Über 500 Betretungsverbote ausgesprochen

Polizei antwortet extra nicht auf Chatnachrichten

Problematisch wird es, wenn die Adresse in der App und der tatsächliche Aufenthaltsort nicht ident sind. „Die Einsatzfahrzeuge fahren zu der Adresse, die in der App hinterlegt ist. Wenn angegeben wird, dass das nicht die richtige Adresse ist, fahren sie zu den mitgesendeten GPS-Daten vom Handy. Falls es sich um einen größeren Wohnblock handelt, wäre es ein Vorteil, Stock und Türnummer über den Chat bekanntzugeben“, sagt Feurle.

Die hilfesuchende Person kann via Chat kommunizieren, Antwort gibt es bewusst keine. „Somit ist gewährleistet, dass das Handy nicht piepst oder klingelt und dadurch auch keine Eskalation der eh schon brisanten Situation hervorgerufen wird“, erklärt Feurle. Die gesamte Notruf-Kommunikation kann auch schriftlich erfolgen, was einen großen Vorteil für Hör- oder Sprachgeschädigte darstellt.

Gewaltschutzzentrum Vorarlberg befürwortet stillen Notruf

Angelika Wehinger vom Gewaltschutzzentrum Vorarlberg hält den stillen Notruf für eine gute Möglichkeit für manche Betroffene, rasch die Polizei zu verständigen. Dass es dafür aber eine Registrierung in der App braucht, könne für manche ein Hindernis sein. Dass die App auf dem Handy installiert werden muss, kann laut Wehinger auch die Gefährdung erhöhen, weil manche gefährdende Personen das Handy kontrollieren.

Das Gewaltschutzzentrum Vorarlberg bietet Beratungen an, in denen unter anderem auch der stille Notruf und dessen Anwendung besprochen wird.

Präventive Beratung und Gewaltprävention

Gewalt fängt bereits lange vor körperlicher Gewalt an

Für Wehinger fängt Gewalt bereits an, wenn der Partner oder die Partnerin immer fragt, mit wem man heute alles Kontakt gehabt hat oder wieso man sich wieder mit gewissen Menschen trifft. „Das wird zu Beginn oft als Liebe interpretiert, aber oft kommen dann noch weitere Formen der Gewalt hinzu, von Beleidigungen oder Demütigungen bis hin zu körperlichen Übergriffen“, erklärt Wehinger.

Anzeichen dafür, dass in der Nachbarschaft Gewalt passiert, sind laut Wehinger Schreie aus einer Wohnung oder auch laute Geräusche. In so einer Situation sei es wichtig, die Polizei zu rufen, um sich selbst nicht zu gefährden. Man könne die Situation aber auch durch ein Läuten an der Tür unterbrechen und zum Beispiel einfach um Milch bitten.