Trinkwasser wird in ein Glas eingeschenkt
ORF.at/Dominique Hammer
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Umwelt

„Ewigkeitschemikalien“ fast überall nachweisbar

PFAS-Chemikalien sind wasserfest, öl- und hitzebeständig – und wegen ihrer herausragenden Eigenschaften in vielen Alltagsgegenständen. Allerdings finden sie sich auch in Böden, im Trinkwasser und in 99 Prozent der Menschen. Boden-Proben aus Vorarlberg zeigten bereits die höchste PFAS-Konzentration in Österreich. Zu entfernen sind die Chemikalien kaum.

Im Volksmund besser bekannt als „Ewigkeitschemikalien“ symbolisieren Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) exemplarisch die zweischneidige Natur von menschlichen Innovationen. Vor über 80 Jahren von Menschen erfunden, wurden sie aufgrund ihrer hohen Beständigkeit in fast allen modernen Techniken der heutigen Zeit eingesetzt.

Die wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften machen sie für Industrie und Verbraucher gleichermaßen wertvoll. „Die Eigenschaften von PFAS sind beispiellos. Sie bringen Leistungsfähigkeit in Produkte, die unser tägliches Leben einfacher, sicherer und komfortabler machen“, erklärt Christof Strabler, Hochschullehrer an der Fachhochschule Vorarlberg. Daher kommen sie von der Beschichtung von Kochgeschirr bis hin zu Outdoor-Bekleidungen, Windrädern, Lithium-Ionen-Akkus, Mikrochips, Fast-Food-Verpackungen, Feuerlöschschäumen und sogar in FFP2-Masken vor.

Nachteil: Praktisch nicht abbaubar

Ihre lange Beständigkeit macht sie aber gleichzeitig zu einem größeren Problem. Sie sind in der Umwelt praktisch nicht abbaubar. Dadurch reichern sie sich auch an der Nahrungskette an und kommen im Trinkwasser, im Boden und in den abgelegensten Regionen der Erde vor.

Bei hohen Konzentrationen können sie sogar zu einem größeren Problem werden, sagt Strabler. „Zum Beispiel in Altötting bei Bayern, wo die Blutkonzentrationen ungefähr 100- bis 150-fach höher sind wie bei uns. Deshalb dürfen sie beispielsweise kein Blutplasma mehr spenden.“

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Erdbeeren
LWK Vorarlberg
Am häufigsten von der Ewigkeitschemikalie PFAS belastet sind Früchte, insbesondere Erdbeeren.
Kontaktlinse
ORF
Sie werden sowohl in Brillenglasbeschichtungen als auch bei weichen Kontaktlinsen verwendet. Für die optische Industrie wäre ein Komplettverbot ohne passende Alternativen existenzbedrohend.
Regenschirm
New Africa – stock.adobe.com
In vielen Textilien, unter anderem auch in Regenschirmen, wird mit PFAS gearbeitet.
E-Auto
ORF.at/Christian Öser
Viele Umwelttechnologien der heutigen Zeit beinhalten PFAS-Chemikalien, neben Windrädern und Wärmepumpen beispielsweise auch E-Autos.
Wolfsbarschfilet wird in der Pfanne angebraten
ORF
Die klassischen Antihaftpfannen bestehen laut zahlreichen Untersuchungen großteils aus PFAS-Chemikalien. Als Alternative werden Eisen- oder Emaillepfannen empfohlen. Aber auch in vielen tierischen Nahrungsmitteln, wie Fleisch, Fisch oder Eier kommt PFAS vor.
white KN95 or N95 mask for protection pm 2.5 and corona virus isolated on grey background. Prevention of the spread of virus and pandemic COVID-19.
Dan74 – stock.adobe.com
Der schützende Effekt der FFP2-Masken hat die Folge, dass dafür bei der Herstellung auch die bedenklichen Chemikalien zum Einsatz kommen.

Grenzwert in Dänemark 50-mal strenger

„Das PFAS-Problem wurde lange Zeit unterschätzt“, erklärt Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker der Umweltschutzorganisation Global 2000. Der Grenzwert für PFAS im Trinkwasser zum Beispiel wurde in Österreich erst vor einem Monat festgelegt, dabei orientierte man sich an der europäischen Richtlinie. Dieser Wert sei zu „lasch“, sagt Burtscher-Schaden.

Mit 100 Nanogramm pro Liter im Trinkwasser platziere sich Österreich beim Grenzwert zudem ganz hinten im europäischen Vergleich. In Dänemark sei der Wert 50-mal strenger als in Österreich. Noch dazu muss der aktuelle Grenzwert im österreichischen Trinkwasser erst ab 2026 verpflichtend überwacht werden.

Wie PFAS vermeiden?
Bei Outdoorkleidung, Schuhen und Imprägniermitteln kann man auf „Fluorfrei“, „frei von PFC“ oder „ohne PFAS“ achten. Vorsicht bei „PFOA-frei“ bzw. „PFOS-frei“: Hier kann trotzdem PFAS enthalten sein. Auch bei einzelnen Kosmetika kann man durch Aufschriften wie „Frei von PFAS“ die Chemikalie vermeiden. In zertifizierter Naturkosmetik sind PFAS grundsätzlich nicht enthalten. Im Allgemeinen hilft es, auf Umweltlabels oder Biolabels zu achten, um PFAS zu entgehen.

Höchste Boden-Konzentrationen in Vorarlberg

In Vorarlberg wurden in knapp 80 Prozent der Bodenproben PFAS-Chemikalien gefunden, wie eine Studie des Umweltinstituts Vorarlberg zeigt. In Untersuchungen zwischen 2018 und 2021 wurden die hohen Werte in den Gemeinden Fußach, Gaissau, Höchst sowie im Raum Rankweil gemessen. Vergleichsdaten zwischen sieben Bundesländern zeigen, dass Vorarlbergs PFAS-Konzentration in den untersuchten Zeiträumen zu den höchsten in Österreich gezählt hat.

PFAS in 40 Prozent der Trinkwasserproben

Auch in Vorarlbergs Grundwasserproben kommen PFAS vor. In über zwei Drittel der Stichproben seit 2018 wurden PFAS in unterschiedlichen Konzentrationen gefunden, bestätigt eine Studie des Umweltinstituts Vorarlberg.

Aktuelle Analysewerte der AGES zeigen, dass auch in knapp 40 Prozent der Trinkwasser-Proben aus Vorarlberg PFAS vorkommt. Diese Proben zwischen 2021 und 2023 überschreiten jedoch nicht den EU-Höchstgehalt und österreichischen Grenzwert von 100 Nanogramm pro Liter, heißt es von der AGES auf ORF-Anfrage.

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Mögliche Risiken bei langfristigem Kontakt

Das bloße Nachweisen von PFAS im menschlichen Körper sage jedoch nichts über deren Gefährlichkeit aus, sagt Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner von der MedUni Wien. Für Menschen außerhalb von risikoreichen Arbeitsumgebungen seien die akuten Risiken aufgrund niedriger Konzentrationen oft gering.

Langfristige Kontakte könnten jedoch zu Gesundheitsproblemen führen – dazu gehören Entwicklungsstörungen, Gewichtszunahme und Organvergrößerungen. „Wichtig sind auch die Erkenntnisse aus Bevölkerungsstudien“, sagt Hutter, die auf Probleme wie Stoffwechselstörungen, Schwächung des Immunsystems, geringere Antikörperbildung nach Impfungen und ein potenziell erhöhtes Krebsrisiko hinweisen.

Im menschlichen Körper nur schwer abbaubar

Abbauen lassen sich PFAS vom menschlichen Körper nur schwer. Bei sofortigem Einnahmestopp würde die Halbwertszeit, je nach PFAS-Typ, ein halbes bis mehrere Jahre betragen, sagt Hutter. Aktuelle Forschungsansätze suchen nach Therapien und Medikamenten, die die schnelle PFAS-Ausscheidung vom Körper bewirken.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen einen Schwellenwert für eine tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge von vier der insgesamt 10.000 bekannten PFAS festgelegt. Dieser liegt derzeit bei 4,4 Nanogramm pro Kilogramm und Körpergewicht pro Woche.

Bedenkliche Chemikalie fast überall nachweisbar

PFAS-Chemikalien sind wasserfest, öl- und hitzebeständig – und wegen ihrer herausragenden Eigenschaften in vielen Alltagsgegenständen. Allerdings finden sie sich auch in Böden, im Trinkwasser und in 99 Prozent der Menschen. Boden-Proben aus Vorarlberg zeigten bereits die höchste PFAS-Konzentration in Österreich. Zu entfernen sind die Chemikalien kaum.

Auch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat die Verwendung von einzelnen PFAS stark reglementiert. Diskutiert wird auch über ein Komplettverbot. Das Problem zeigt sich aber besonders bei der Suche nach umweltfreundlichen Alternativen, wie etwa für Wärmepumpen oder in der Akkutechnologie für E-Autos. Ein Komplettverbot von PFAS könnte daher auch die bisherige Klimaforschung wieder für mehrere Jahre zurückschrauben.

Hohe Verbrauchererwartungen

In der Textilchemie gibt es bereits Alternativen, die PFAS ersetzen können. Mit Naturwachsen beschichtete Textilien oder mit Silikonen könne man eine sehr gute Wasserschutzschicht anbieten, sagt Tung Pham, Universitätsprofessor für Textilchemie der Universität Innsbruck. Die volle Performance mit einer Fett- und UV-Abweisung, die PFAS anbietet, könne man dadurch aber nicht gewährleisten.

Pham weist darauf hin, dass sowohl Produzenten als auch Konsumenten ihre Ansprüche an Textilien überdenken müssten – nicht immer sei die höchste Wasserfestigkeit im Alltag erforderlich. In Europa hat die Textilbranche daher begonnen, das umzusetzen, was in den letzten Jahren zu einer Reduzierung von PFAS in Outdoorjacken geführt hat.

Essenziell sei die Ewigkeitschemikalie nur in Textilien, die einen hohen Schutzgrad erfordern, unterstreicht Pham. Dies betrifft beispielsweise die Sicherheitsausrüstung für Feuerwehrpersonal oder medizinische Ausrüstungen. „Den Einsatz bei Freizeitbekleidung finde ich jedoch übertrieben“, sagt Pham.

Schwierige Entfernung aus dem Boden

Schwierig ist auch die Entfernung von PFAS aus dem Boden. Eine Möglichkeit wäre das Ausgraben und Verbrennen des Bodens, sagt Christof Strabler von der FH Vorarlberg. „Aber das ist energetisch mühsam, weil es mindestens 1.000 Grad Celsius benötigen würde.“ Effizienter ist hingegen eine Methode aus der Biotechnologie, in der PFAS anhand von Mikroben abgebaut werden sollen, erklärt Strabler.

Fortgeschrittener sind die Technologien, um PFAS aus dem Wasser zu entfernen. Zum Beispiel kann das Wasser durch eine spezielle Membran gepresst werden, um Schadstoffe zurückzuhalten. Derzeit sei aber auch diese Technik teuer und entferne Mineralien aus dem Wasser, erklärt Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden.