Ausstellung Handwerk vorarlberg museum
Sarah Mistura
Sarah Mistura
Kultur

Handwerk im Fokus des vorarlberg museums

Die neue Sonderausstellung im vorarlberg museum widmet sich dem „Mythos Handwerk“. Die Schau, die in Kooperation mit zwei deutschen Häusern entstand, will nicht nur von der Geschichte des Handwerks erzählen, sondern auch die damit verbundenen Gefühle und Werte hinterfragen.

Für Vorarlberg mit seiner Textil- und Bauhandwerkstradition sei das ein „zentrales Thema“, sagten Museumsdirektor Michael Kasper und die Kuratorinnen am Donnerstag bei einer Presseführung. Die von 2. März bis 6. Jänner 2025 gezeigte Ausstellung verbindet die Schönheit handwerklicher Objekte mit zeitkritischen Fragen, etwa zum Umgang mit Ressourcen – Stichwort Reparatur – sowie zu Massenproduktion und ihren Folgen.

Anhand des damals innovativen Stecksystems des „Bregenzer Patent-Sessels“, der ab Ende des 19. Jahrhunderts in vielen Gasthäusern der Region stand, und der von einer Pilzform inspirierten Loungemöbel der Gebrüder Garnitschnig werden Fragen von Tradition und Fortschritt behandelt.

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Ausstellung Handwerk vorarlberg museum
Sarah Mistura
Gestrickte Metzgerei
Marcel Noecker
Ausstellung Handwerk vorarlberg museum
Sarah Mistura
Japanische Textilfärbeschablone
Museum Angewandte Kunst Frankfurt am Main
Design, Uhr, Venturi
MAK Frankfurt
Ausstellung Handwerk vorarlberg museum
Sarah Mistura

Gefängnisinsassen fertigten Stiefel: Keine Abnehmer

In Videos kommen Handwerker und Handwerkerinnen selbst zu Wort, eine in Venedig lebende Vorarlberger Schuhmachermeisterin erzählt unter anderem, warum von Gefängnisinsassen handgefertigte Kinderstiefel keine Abnehmer fanden.

Die Wegwerfgesellschaft und die Inszenierung von handwerklicher Arbeit spiegelt sich in der Gegenüberstellung einer „Painter Jeans“ von Helmut Lang mit einer Arbeitshose eines Ausstellungsmitarbeiters. Ins Spannungsfeld zwischen Luxus und Bodenständigkeit, aber auch in jenes des kulturellen Austausches von Techniken stechen kunstvoll bestickte Trachtenstücke und ein „afrikanisches“ Designerdirndl von Rahmee Wetterich.

Frage nach der Zukunft des Handwerks

Die Zukunft des Handwerks wird über die Frage, wie man Meisterschaft erlangt, die traditionelle Handwerkerwanderschaft sowie eine von Besuchern steuerbare Roboterhand und Keramikobjekte aus dem 3D-Drucker aufgegriffen. Überlegungen zur Ausbildung von Handwerkern und Handwerkerinnen sowie deren gesellschaftliche Anerkennung spannen den Bogen von den „Auer Lehrgängen“ der Bregenzerwälder Barockbaumeister hin zum heutigen Lehrmittelcontainer des Werkraum Bregenzerwald.

Zudem finden sich Objekte, Fotos und Videointerviews zu nahezu ausgestorbenen Handwerken wie der Bürstenmacherei, dem Textildrucken oder Korbflechten, zur noch in den 1970er-Jahren weit verbreiteten Heimarbeit von Frauen für die Textil- und Metallindustrie und zum aktuellen Do-it-yourself-Boom. Eine pinke Bohrmaschine verdeutlicht den Markt, den das Heimwerken für Werkzeug- und Materialhersteller inzwischen darstellt.

Verloren gegangenes Wissen aufgreifen

Das Handwerk erfahre eine große Transformation. „Es geht darum, verloren gegangenes Wissen wieder aufzugreifen und weiterzuvermitteln. Wie ist es mit der Ausbildung, wie entsteht eine gute Perspektive für die Zukunft?“, so Direktor Kasper über die gestellten Fragen. Die Idee zur in sechs Kapiteln gegliederten Ausstellung ist laut Theresia Anwander, Kuratorin des vorarlberg museum, in der Pandemie entstanden. Großteils per Videokonferenz bereitete sie die Schau gemeinsam mit dem Kunstgewerbemuseum Dresden und Grit Weber vom Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main vor. Eine Ausstellung über das händische Tun sei zugleich eine „über den Menschen überhaupt“, so Grit Weber bei der Presseführung.

Für Vorarlberg wurde die Schau zugespitzt verkleinert, zudem flossen laut Anwander regionale Erkenntnisse ein. So bedeutete Handwerk in Dresden mit seinem kurfürstlichen Hintergrund etwas anderes als hierzulande in den Alpen, wo Handwerk lange aus der Notwendigkeit erwachsen sei. Handwerker waren zum Überleben genötigt, hinaus in die Welt zu gehen, brachten aber von dort auch viel Neues mit. „Das prägt natürlich“, so Anwander.