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APA/Barbara Gindl
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CHronik

Gewalt: Immer mehr Frauen kommen zur Beratung

In Niederösterreich ist am Montag eine Frau getötet worden. Tatverdächtiger ist ihr Ehemann. Damit sind in den vergangenen vier Tagen in Österreich sechs Frauen gewaltsam getötet worden. Auch insgesamt nimmt die Gewalt an Frauen nicht ab. Laut Angelika Wehinger, Leiterin des ifs-Gewaltschutzzentrums, steigt aber auch die Zahl der Frauen, die sich nach Gewalttaten beraten lassen.

Die steigende Zahl an Frauen, die zur Beratung kommen, sei keineswegs nur negativ zu werten, sagt Angelika Wehinger vom ifs. „Wir erklären uns das nicht unbedingt so, dass die Gewalt steigt, sondern dass sich Betroffene schneller an Beratungseinrichtungen wenden. Dass unser Angebot bekannt ist und dass sich Betroffene auch schneller an die Polizei wenden und dort Hilfe suchen“, so Wehinger. Im Opferschutzbereich könne man vor allem präventiv arbeiten, also aufzeigen, wie man sich vor einer Gewalttat schützen und bei einer Gewalttat wehren könne.

Als Femizid

bezeichnet man die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Beim überwiegenden Teil der Morde an Frauen bestand ein Beziehungs- oder familiäres Verhältnis (z.B. Partner, Ex-Partner oder Familienmitglied) zwischen Täter und Opfer.

Bedeutung der Gleichstellung zwischen Mann und Frau

Bei der Verhinderung von Femiziden, also der Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts, gehe es vor allem auch um die Vermittlung von Rollenbildern, so Wehinger. Dabei gehe es um eine echte Gleichstellung zwischen Mann und Frau – sei es finanziell, sei es die Vermittlung durch Bildung. Nur eine echte Gleichstellung könne geschlechtsspezifische Gewalt wirklich verhindern. Aber „schlussendlich, trotz aller Bemühungen, liegt natürlich die Verantwortung, Gewalt zu beenden, Gewalt nicht auszuüben, immer bei der gewaltausübenden Person“, betont Wehinger.

Hinter vielen Femiziden stehe ein Besitzdenken. Solche Männer würden die Frau als ihr Eigentum ansehen. Und wenn die Frau einen Schritt in Richtung Trennung mache, werde das in solchen Konstellationen gefährlich. Dann stelle eine Tötung sozusagen den Versuch dar, diese Trennung zu verhindern. „Und deshalb ist es wichtig, diesen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sehen, wenn man über dieses Thema spricht“, so Wehinger. Viele Frauen hätten auch das Bild, dass eine ideale Familie aus Mann, Frau und Kind bestehe. Ein Leben ohne Mann sei für diese Frauen praktisch nicht vorstellbar – das erschwere den Ausstieg aus der Gewalt, so Wehinger.

Betroffenheit nach Femiziden

Am Montag wurde in Niederösterreich erneut der gewaltsame Tod einer Frau gemeldet. Am Freitag soll ein Mann in Wien vier Frauen und ein Mädchen getötet haben. Binnen 24 Stunden seien dabei in Wien so viele Frauen von Männern getötet worden „wie im gesamten Jahr 2023“, so der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) am Sonntag. Mehr dazu in: An einem Tag so viele Femizide wie in ganz 2023 (wien.ORF.at, 25.02.2024)

51 Mordversuche und schwere Gewaltfälle

2023 wurden österreichweit 26 Femizide verübt, zusätzlich habe es 51 Mordversuche bzw. Fälle schwerer Gewalt an Frauen gegeben, so der AÖF. „Gewalt an Frauen ist ein strukturelles und gesamtgesellschaftliches Problem. Österreich ist das einzige Land in der EU, in dem mehr Frauen als Männer durch Männerhand getötet werden“, wurde erläutert. Beim überwiegenden Teil der Morde an Frauen bestand ein Beziehungs- oder familiäres Verhältnis zwischen Täter und Opfer.

Der Verein fordert „eine weitere Stärkung des Opferschutzes für von Gewalt betroffene Frauen. Jede Frau in Österreich hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben. Die Opfer müssen noch stärker geschützt und die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden“. Präventionsprojekte sollten ausgebaut werden.

Jede dritte Frau ist von Gewalt betroffen

Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das in Österreich besonders groß ist. Nach wie vor sind die Zahlen zu Femiziden im Vergleich zu anderen EU-Ländern extrem hoch.

  • In Österreich ist jede dritte Frau von körperlicher und/oder sexueller Gewalt innerhalb oder außerhalb von intimen Beziehungen (erlebt ab dem Alter von 15 Jahren) betroffen – laut Statistik sind es nahezu 35 Prozent der weiblichen Bevölkerung.
  • Mehr als jede vierte Frau musste eine Form von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erfahren (26,59 Prozent).
  • Mehr als jede fünfte Frau ist von Stalking betroffen (21,88 Prozent).

Kaum ein Tag ohne häusliche Gewalt

In Vorarlberg muss die Polizei teilweise mehrmals am Tag aufgrund häuslicher Gewalt einschreiten: 2022 wurden in Vorarlberg insgesamt 518 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen.

Die ifs Gewaltschutzstelle in Vorarlberg verzeichnet einen Anstieg der Fälle. Etwa 84 Prozent der Opfer sind demnach weiblich und rund 90 Prozent der gefährdenden Personen sind männlich.

Betretungs- und Annäherungsverbote werden in Vorarlberg hauptsächlich gegen Männer angeordnet, zeigt die Statistik. Über 92 Prozent der gefährdenden Personen waren männlich und knapp 8 Prozent weiblich.

In der ifs-Frauennotwohnung suchten im Jahr 2022 insgesamt 50 Frauen und 45 Kinder Schutz vor Gewalt, insgesamt kamen so 5.054 Belegtage durch Frauen und 5.806 Belegtage durch Kinder zusammen.