Jagdberg
ORF Vorarlberg
ORF Vorarlberg
Bildung

Jagdberg: Vom Schreckensort zum Ort der Chancen

„Wenn du nicht folgst, kommst du auf den Jagdberg“ – viele Kinder haben diesen Satz Jahrzehnte lang gehört. Nicht ohne Grund: Die Burg Jagdberg in Schlins war lange Zeit von Gewalt, Missbrauch und Zwangsarbeit geprägt. Heute steht die Bildungsinstitution als Symbol für nachhaltige Entwicklung und Bildung junger Menschen.

In Schlins, auf einer Anhöhe, mit Blick über die Gemeinde, erhebt sich eine Burg mit einer dunklen Vergangenheit: der Jagdberg. Diese beginnt bereits im Jahre 1884, als Pfarrer Johannes Jehly, getrieben von Mitgefühl und Vision, den Grundstein für die Rettungsanstalt legte. Was anfangs als Zufluchtsort für verwahrloste und bedürftige Kinder begann, sollte sich im Laufe der Zeit zum Schauplatz von Gewalttaten und Misshandlungen an Kindern und dann zu einem Projekt der Hoffnung und des Wandels entwickeln.

In den frühen Tagen wurden lediglich 20 Kinder unter der Aufsicht der Kreuzschwestern von Ingenbohl beherbergt. Diese Kinder fanden anfangs nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Bildung und Geborgenheit in einem internen Schulbetrieb. 1928 wurden die Einrichtung in eine Bubenanstalt umgewandelt. Die Zahl der Kinder wuchs auf bis zu 130 an.

Entschädigungszahlungen
Als Reaktion auf die aufgedeckten Gräueltaten leitet das Land Vorarlberg Anfang der 2010er Jahre Maßnahmen zur Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels der Erziehungsgeschichte am Jagdberg ein. Entschädigungszahlungen in Höhe von 235.000 Euro werden an 13 ehemalige Zöglinge des Jagdbergs als Anerkennung des ihnen zugefügten Leids geleistet. Gleichzeitig will man mit der Einrichtung von Beratungsstellen ehemaligen Heimkindern eine Stimme geben.

Missbrauch unter Deckmantel der Erziehung

Während der NS-Zeit und des Zweiten Weltkrieges diente der Ort lange Zeit den Zielen des Regimes. Gleichzeitig begann hier auch das dunkelste Kapitel dieser Einrichtung. Das Landesjugendheim Jagdberg war bis in die 90er Jahre Schauplatz systematischer und schwerwiegender Misshandlungen.

Jugendliche „Zöglinge“ wurden extremen Formen körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt ausgesetzt. Die Erziehungsmethoden, die in dieser Einrichtung angewendet wurden, waren von einem strengen und gewaltbasierten Regime geprägt, das auf Unterdrückung und Strafe statt auf Förderung und Verständnis setzte. Zu dieser Zeit drohten Eltern ihren Kindern mit dem Jagdberg, ohne das wahre Ausmaß der dort herrschenden Brutalität zu kennen.

Mit dem Ende des Krieges kehrte die Einrichtung wieder unter die Führung des Landes Vorarlberg zurück und öffnete offiziell ihre Türen wieder für Kinder, die Schutz suchten. Die Erziehungsmethoden, die mit Gewalt geprägt waren, wurden dennoch bis in die 1990er Jahre weitergeführt. Als Landes-Fürsorge-Erziehungsanstalt beherbergte sie inzwischen jährlich weit mehr als 100 Buben. Bis Anfang der 1970er Jahre kam der überwiegende Teil der Knaben aus anderen Bundesländern Österreichs.

Jagdberg, Negative, schwarz-weiß, Datum 1.3.1977
Vorarlberger Landesbibliothek
Jagdberg, Fotonegativ, Datum 1.3.1977

Wiederaufbau und pädagogische Neuausrichtung

Lange Zeit dauerte es, bis neue pädagogische Ansätze ins Haus kamen. Mit dem Wiederaufbau nach einem Brand 1999 wollte man nun auch die vorherrschenden Bildungsmethoden verändern. Traditionelle Erziehungsformen, die von Gewalt, Missbrauch und Zwangsarbeit geprägt waren, standen nicht mehr im Mittelpunkt.

Einen großen Meilenstein markierte erst die Gründung der sozialpädagogischen Schule im Jahr 2003. Das Vorarlberger Kinderdorf und die Frohbotschaft Batschuns prägten einen Wandel an neuen Denkweisen, der sich immer weiter durchsetzen konnte. In dieser Zeit wurde versucht, alte Bilder von der Landeserziehungsschule und die damit zusammenhängenden Bilder von einer strengen, autoritären und hierarchischen Erziehung aufzulösen, erklärt die Schulleiterin der Paedakoop Privatschule, Alexandra Heinzle.

Jagdberg
ORF Vorarlberg
So schaut es heute am Jagdberg aus

Gründung von „Paedakoop“

Das Angebot des Jagdbergs wuchs über die Jahre an. Von Elternberatung über Therapie bis hin zur klinisch-psychologischen Diagnostik wurden Angebote geschaffen, die weit über die Grenzen Vorarlbergs hinaus Anerkennung finden. „Heute kann man sagen, dass dies ein Ort ist, wo Kinder so angenommen werden, wie sie sind. Wir versuchen auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen und einen Weg zu finden, damit sie dann wieder den Anschluss finden, auch im Regelsystem in der Schule“, sagt Simon Burtscher-Mathis, Geschäftsführer des Vorarlberger Kinderdorfes.

Katholische Privatschule
Die Paedakoop Privatschule ist eine katholische Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht und ist an den drei Standorten Schlins, Feldkirch und Wolfurt beheimatet. Schulträger ist das Werk der Frohbotschaft Batschuns, Schulerhalter das Vorarlberger Kinderdorf.

Mit der Gründung von „Paedakoop“ im Jahr 2013 verschmolzen Schule und Sozialpädagogik in eine Einheit. „Wir möchten den Kindern und Jugendlichen sinnvolles Lernen anbieten. Sie sollen lernen, selbstwirksam zu sein und ihren Selbstwert, ihre Fertigkeiten und Kompetenzen stärken“, erzählt Paedakoop-Schulleiterin Alexandra Heinzle.

Wichtiger Teil im Schulsystem

Heute hat die „Paedakoop“ drei Standorte mit rund 60 Kindern. Davon erhalten 24 Kinder zwischen sechs und 15 Jahren eine spezifische Begleitung und Förderung am Jagdberg. Man komme hier her mit den unterschiedlichsten Herausforderungen, sagt Heinzle. „Das können psychische oder körperliche Krankheiten sein oder Schwierigkeiten mit Bezugspersonen, Probleme in der Schule oder Probleme mit Gleichaltrigen.“

Durchschnittlich verbleiben die Jugendlichen eineinhalb Jahre am Jagdberg, entweder in kleinen Wohngruppen oder für einen kurzen Aufenthalt. Ziel ist die Rückkehr ins Regelschulwesen. Die derzeit lange Warteliste zeigt, dass sich die Institution zu einem wichtigen Teil in unserem Schulsystem entwickelt hat.

Großer Wandel in Schule Jagdberg

Busunfall beim Bahnhof Dornbirn | Unfall durch Sekundenschlaf | Gemischte Reaktionen zu Plänen für Bregenzer Bahnhof | Zweiter Jahrestag im Ukraine-Krieg | Großer Wandel in Schule Jagdberg | Altach uterliegt Hartberg | Salzburg besiegt Lustenau 7:0 | Sieg für Pinkelnigg | Dritter Platz für Bludenzer Doppelsitzer | Vorschau auf Doku „Models in Voralrberg“