Skifahrer Winter Kühtai
bause tom – bause.at – 2023
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Tourismus

Experte: Künftig mehr dynamische Preise denkbar

Seit 2022 wird in den Skigebieten im Montafon und im Brandnertal auf dynamische Preise gesetzt. Das heißt, die Preise für Tagestickets ändern sich dort täglich – je nach Nachfrage. Die Betreiber betonen die Vorteile, wie dass jene, die früh buchen, Geld sparen können. Doch es gibt auch Kritik an diesen Preissystemen, erklärt Tourismusforscher Mike Peters.

ORF Vorarlberg: Wird der Skiurlaub für viele Einheimische immer weniger leistbar?

Peters: Nicht nur für die Einheimischen. Wir haben jetzt doch wieder eine Preissteigerung von, ich würde mal sagen, zehn bis 14 Prozent, wenn man die Skigebiete in Österreich anschaut. Und die Situation ist zum einen natürlich der Inflation geschuldet. Zum anderen aber auch den Kosten der Energie, die, das darf man nicht vergessen, ja auch seit dem Ukraine-Krieg sehr stark in die Höhe geschossen sind. Also es sind einige Gründe und ich denke auch in Zukunft gibt es wenige Skigebiete, die den Preis vom letzten Jahr halten werden. Die meisten werden auch im nächsten Jahr wieder leichter anziehen, je nachdem wie sich eben die Fixkosten auch verändern.

ORF Vorarlberg: Wenn man jetzt Skifahren geht in Vorarlberg, zum Beispiel nach Lech oder in die Silvretta, dann sieht man ganz viele Auto-Kennzeichen aus der Schweiz oder aus Deutschland und man hat das Gefühl, dass die Einheimischen da wirklich in der Minderzahl sind und immer weniger werden. Ist das nur ein Gefühl oder lässt sich das auch in Zahlen nachweisen, dass die Einheimischen weniger werden?

Peters: Das hängt von Skigebiet zu Skigebiet ab. Es ist aber durchaus so, das sehen wir auch in Tirol, dass circa 20 Prozent Einheimische sind. Natürlich gibt es Hotspots zu bestimmten Zeiten, die dann wirklich voll mit internationalen Gästen sind. Da halten sich die Einheimischen eher zurück, weil einfach zu viel los ist und weil es auch günstigere Möglichkeiten gibt. Und tatsächlich ist es so, dass dieses Angebot immer teurer wird und die Leute zu bestimmten Zeiten nur relativ kurz kommen. Das heißt, sie sind mittlerweile drei Tage statt fünf oder sechs Tage da und in diesen drei Tagen muss das ganze Skigebiet ausgenutzt werden.

Tourismusforscher Mike Peters
Axel Springer
Mike Peters ist Professor an der Universität Innsbruck und beschäftigt sich mit Tourismusforschung im Forschungszentrum Tourismus und Freizeit

ORF Vorarlberg: Wie hat sich eigentlich der Stellenwert des Skifahrens bei den Menschen im Land entwickelt? Hat das noch diesen hohen Stellenwert, den es lange Zeit gehabt hat?

Peters: Es gibt nach wie vor die Viel-Skifahrer, die übrigens auch nicht allzu preiselastisch sind. Das heißt, die fahren nach wie vor Ski, aber sie suchen sich die Skigebiete besser aus. Und es gibt die Wenig-Skifahrer, die natürlich sehr preissensibel sind. Das betrifft nicht nur die Kosten für den Skitag, sondern auch das ganze Equipment. Das heißt, die kaufen sich auch nicht mehr ständig ein neues Equipment, sondern die leihen sich das aus, weil sie eben nur ein, zwei, vielleicht dreimal im Jahr Skifahren gehen. Und damit lohnt sich der Kauf des Equipments auch gar nicht mehr. Skifahren ist nach wie vor interessant, aber es ist ein Luxusgut, das muss man tatsächlich sagen. Das können sich nur jene leisten, die wirklich in den Skigebieten, direkt sehr nah bei den Skigebieten leben. Der Stellenwert hat auch abgenommen, weil wir sehr viele Zuwanderer haben, die keine Erfahrung im Skifahren haben. Die Kinder sind auch in den Schulen nicht mit dem Skifahren aufgewachsen, wie es bei uns ist. Zudem hatten wir auch die Diskussion mit den Schulskiwochen und den Skiwochen in den Kindergärten. Auch da gibt es bereits Schulen, die das ja nicht mehr anbieten. Dadurch nimmt die Nachfrage durchaus ab.

ORF Vorarlberg: Unter denen, die jetzt noch Skifahren gehen, kann man da beobachten, dass aufgrund der höheren Preise die Aufenthalte kürzer werden in den Skigebieten oder dass auf der Hütte weniger konsumiert wird?

Peters: Also die Aufenthaltsdauer hat, das hat man jetzt nach Covid sehr schön gesehen, tatsächlich auch abgenommen. Man spart zum Beispiel eine Nächtigung. Man spart aber auch bei den Zusatzleistungen, etwa bei Hütten- oder Restaurantbesuchen. Und man spart auch, indem man vielleicht nicht mehr den ganzen Tag fährt, sondern nur noch den Vormittag oder in dem man sich nur das Nachmittagsticket kauft und den Tag anders am Berg erlebt. Manche sparen auch, indem sie sehr früh buchen. Das haben viele Konsumenten gelernt, dass sie mit dem Risiko, vielleicht nicht das ideale Wetter zu haben, sehr früh buchen und somit auch eine relativ günstige Möglichkeit haben, noch Ski zu fahren.

ORF Vorarlberg: Bei diesen Preissteigerungen muss man sich ja schon fragen, wie es die Skigebiete schaffen wollen, die Einheimischen irgendwann nicht zu verlieren.

Peters: Wir kämpfen sowieso schon mit einer schwierigen Tourismusgesinnung. Die Akzeptanz des Tourismus liegt nicht überall vor. Es braucht Maßnahmen, um die Einheimischen ganz konkret anzusprechen. Wenn es in den Nebensaisonen Möglichkeiten gibt, dann sollte es Sonderaktionen geben, vor allem für Familien. Meines Erachtens sind auch Schulen und Kindergärten immer noch wichtig. Und auch Events lokaler Natur. Das heißt nicht nur Events, die rein auf internationale Touristen zugeschnitten sind, sondern auch lokale Events für die Einheimischen anzubieten am Berg. Ich glaube, das würde uns sehr, sehr helfen, damit wir auch die Einheimischen nicht als Skifahrerinnen verlieren.

ORF Vorarlberg: Was wir in Vorarlberg jetzt seit 2022 haben, sind Skigebiete, die das sogenannte Dynamic Pricing eingeführt haben. Da gibt es jetzt keinen fixen Preis für eine Tageskarte über die gesamte Saison, sondern der schwankt, je nach Nachfrage geht er rauf oder runter. In der Schweiz gibt es das schon in mehreren Skigebieten. Muss man davon ausgehen, dass auch in Vorarlberg immer mehr Skigebiete solche Preissysteme einführen?

Peters: Es wird heiß diskutiert. Bisher ist man in Österreich noch nicht ganz so begeistert von dieser Idee. Aber Sie haben recht, es ist durchaus anzunehmen, dass es mehr werden. Das hängt jetzt an der Nachfragesteuerung, also wie sie sich in den nächsten Jahren und Saisonen entwickelt. Ich denke, es werden einige Skigebiete versuchen. Wir sehen auch, dass es tatsächlich seitens des Angebots sehr gerne angenommen wird, weil ich natürlich gewisse nachfrageschwache Zeiten damit wieder befüllen kann. Der Haken ist am Ende allerdings schon, das sagen auch viele Konsumentenschützer, dass die Preisgestaltung nicht sehr transparent ist. Für den Konsumenten ist es nicht so leicht zu durchschauen, wie dieses Dynamic Pricing funktioniert. Es entsteht auch ein gewisser Kaufstress bei diesen Situationen. Es braucht viel Studium der Bedingungen und es braucht viel Zeit, um Geld zu sparen. Die Verbraucherschützer meinen, am Ende zahle der Kunde tatsächlich drauf. Das ist nicht wirklich ganz bewiesen, aber es ist schon so, dass jene Nachfrager oder Skifahrerinnen, die zeitlich nicht sehr flexibel sind, ins Hintertreffen kommen. Ich denke jetzt zum Beispiel an Familien, die ihre Kinder in der Schule haben. Während der Woche ist natürlich der Preis günstiger, aber sie müssen am Wochenende fahren. Familien gelten hier als die Gruppe, die mit dem Dynamic Pricing zumindest für kurzfristige Buchungen eher einen Nachteil erleiden.

ORF Vorarlberg: Die Betreiber jener Skigebiete, die diese dynamischen Preise anwenden, betonen die Vorteile, Zum Beispiel dass sich Frühbucher damit Geld sparen können. Aber es gibt also schon den Verdacht, dass es den Betreibern im Endeffekt darum geht, mehr Geld zu machen?

Peters: Naja, den Verdacht mag es durchaus geben, den Beweis ist man hier aber noch schuldig. Für die Betreiber hat es den Vorteil, dass Ressourcen gesteuert werden können. Sie haben nicht diese schwankende Nachfrage. Dadurch können sie sehr gut planen, wie viele Mitarbeiter sie an diesem oder jenem Tag brauchen. Also es hat schon sehr viele Management-Vorteile. Natürlich kann es durchaus sein, dass das ein oder andere Skigebiet, weil eben die Preisgestaltung nicht ganz so transparent ist, den einen oder anderen Euro drauflegt. Das wäre eine interessante Forschungsstudie.

ORF Vorarlberg: Die Skigebiete in den niederen Lagen bekommen mit dem voranschreitenden Klimawandel immer größere Probleme. Jene Gebiete in den höheren Lagen kommen besser weg. Wenn sich der Skiverkehr dann von den niederen in die höheren Gebiete verlagert, heizt das den Preis natürlich noch weiter an, oder?

Peters: Das sehen wir ja schon am Beginn oder auch am Ende der Saison, dass sich dann die Nachfrage auf sehr wenige Gebiete konzentriert und die dann vor allem am Beginn der Saison enorm ist. Das ist auch ein Mobilitätsproblem, wie Sie sagen. Also es ist tatsächlich sehr schwierig, den Verkehr in den Tälern und aus den Tälern heraus einigermaßen vernünftig zu lenken. Mit dem Problem kämpfen wir in vielen Tälern schon seit Langem. Auch da wurde schon diskutiert, ob man das nicht bekämpft, indem man Vorbuchungen beispielsweise für Parkplätze macht oder indem man beispielsweise jene Leute belohnt, die nachhaltig anreisen. Das heißt, dass sie mit dem Bus anreisen und somit das Ticket günstiger bekommen. Es gibt verschiedene Überlegungen, wie man das entzerren will, um auch hier die Nachfrage zu bestimmten Peaks dann einigermaßen im Zaum halten zu können.

ORF Vorarlberg: Für die Touristiker in Vorarlberg relevant ist noch immer ganz stark die Wintersaison, mehr als die Sommersaison. Aber gerade aufgrund des Klimawandels muss man natürlich da langfristig auch den Fokus stärker auf den Sommer legen. Wie gut funktioniert denn diese Verlagerung von der Winter- auf die Sommersaison hin?

Peters: Tatsächlich erstaunlich gut. Also wir haben natürlich aus den 90er Jahren gelernt und die Innovationsstärke in den Gebieten ist auch aufgrund dieser Not sehr stark gefordert. Der Klimawandel kommt uns auf der einen Seite entgegen, auf der anderen Seite ist er schlimm. Aber natürlich sind die Nebensaisonen auch durchaus attraktiver geworden. Das heißt, die Wandersaisonen gehen deutlich länger in den Herbst und teilweise auch in den Winter hinein. Die Saisonen verschieben sich und bieten auch die Möglichkeit für andere Produkte. Also ich denke zum Beispiel an das Winterwandern, das Schneeschuhwandern oder beispielsweise an das Biken im Schnee und so weiter. Also es gibt verschiedene Möglichkeiten, auch mit E-Bike und anderen technologischen Entwicklungen. Also ich glaube das funktioniert, allerdings immer mit einer starken Zeitverzögerung. Das heißt, es funktioniert nicht von einer Saison auf die andere. Viele Betriebe werden schließen, andere werden dafür wieder öffnen. Also es ist auch ein Strukturwandel und das dauert eben leider Gottes einige Jahre.