Gunther Hessel
ORF Vorarlberg
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Chronik

Wie Hessel die Sicherheitslage sieht

Das österreichische Bundesheer hat in seinem Risikobild-Bericht ein düsteres Bild gemalt. Der Vorarlberger Militärkommandant, Brigadier Gunther Hessel, sieht derzeit keine direkte Bedrohung für Österreich, dennoch sollte die Bevölkerung sensibilisiert werden. ORF-Redakteur Thomas Haschberger hat mit Hessel ein Interview geführt.

Bei der Präsentation des Berichts „Risikobild 2024 – Welt aus den Fugen“ haben hochkarätige Vertreter des Bundesheers und Fachleute ein düsteres Bild gezeichnet. So werde die neue Zeit der militärischen „Unordnung“ die Welt und Österreich noch „mindestens zwei Dekaden“ begleiten, sagte Generalmajor Peter Vorhofer. Die Gefahr einer Konfrontation zwischen der EU und Russland wird als „sehr hoch“ eingeschätzt – mehr dazu in ORF.at.

ORF Vorarlberg: Das Risikobild vom Bundesheer zeichnet ein recht düsteres Bild. Die Rede war davon, dass wir uns heuer auf eine hybride Kriegsführung einstellen müssen. Was bedeutet das eigentlich?

Hessel: Zunächst muss man sagen, dass die direkte Bedrohung Österreichs derzeit nicht gegeben ist, weil wir immer noch von NATO-Staaten umgeben sind bzw. der neutralen Schweiz. Eine hybride Bedrohung wäre, wenn Österreich eine Konfliktpartei unterstützen würde. Nehmen wir als Beispiel den Konflikt Russland-Ukraine. Wenn Österreich die Ukraine massiv mit Rüstungsgütern unterstützen würde, dann wäre Russland stark motiviert, in Österreich eine hybride Kriegsführung zu starten, um diese Lieferungen zu beenden. Oft würde das mit Cyber-Attacken gegen die Infrastruktur wie die Stromversorgung beginnen oder es würde eine Informationsoperation mit Fake News gestartet, um die österreichische Bevölkerung zu verunsichern.

ORF: Wie kann man sich auf so ein Szenario vorbereiten?

Hessel: Ich würde drei Dimensionen sehen, wie man sich auf dieses Szenario vorbereiten kann. Die erste Dimension ist, dass wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken. Der Schlüssel zur Sicherheit ist, die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Willst du den Frieden, bereite dich auf den Krieg vor. Der zweite Schlüssel ist sicher internationale Kooperation. Die Systeme sind so modern, so komplex, so aufwändig, dass wir international kooperieren müssen – auch als neutrales Österreich. Und die dritte Dimension, die darf man auf keinen Fall vergessen, weil das ist die wichtigste. Das ist wirklich kluge Diplomatie. Kluge Diplomatie ist umso stärker, je stärker eine klare verteidigungs- und sicherheitspolitische Dimension im Hintergrund bereit ist. Die Kriege, die wir jetzt sehen, Ukraine und Israel, Gaza, sind Produkte des Versagens der Diplomatie über Jahrzehnte hinweg.

Bundesheer zeichnet düsteres Bild

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ORF Vorarlberg: Jetzt haben wir auch gehört, die Bevölkerung soll sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt auch vorbereiten auf ein mögliches Kriegsszenario, egal wie das dann ausschauen könnte. Macht es Sinn, sich so wieder vorzubereiten?

Hessel: Also die wichtigste Vorbereitung ist die geistige Landesverteidigung. Das heißt, dass wir uns dieser Bedrohungen bewusst sind, und dass wir dann daraus das Bewusstsein bekommen, dass wir einen Beitrag leisten wollen. Das kann sein, dass man sich entschließt, zum Bundesheer zu gehen und im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht zu dienen. Ein weiterer Beitrag ist, dass wir uns informieren über Außenpolitik, Sicherheitspolitik und uns auch eine Meinung bilden. Jeder einzelne ist gefragt, aber auch die Wirtschaft, Stichwort Lieferketten, Reservebildung etc. Eine gewisse Bevorratung ist sicher kein Fehler – Stichwort Blackout, damit wir uns hier einfach sicherer fühlen.

ORF Vorarlberg: Wie kann sich das Bundesheer darauf vorbereiten?

Hessel: Ein Schlüssel zur Sicherheit ist die Verteidigungsvorbereitung – das hat auch die Verteidigungsministerin gesagt und das hat zwei Pfeiler: das eine ist der Budgetpfeiler, das andere ist der Personalpfeiler. In dem Risikobild, das jetzt veröffentlicht wurde, steht ganz klar drinnen, dass wir derzeit nicht verteidigungsbereit sind. Und das hat vor allem damit zu tun, dass wir nur eine sechsmonatige Wehrpflicht haben, ohne Übungspflicht. Und es gibt kein Land der Welt, das glaubt, Landesverteidigung mit einem 6-Monat-Grundwehrdienst leisten zu können. Und die Miliz kann nur funktionieren, wenn sie als Gesamtes wieder zum Üben kommt. Und das ist seit zwei Jahrzehnten nicht der Fall. Das muss wiederhergestellt werden.

ORF Vorarlberg: Noch einmal ganz kurz abschließend, das Risikobild ist ja recht düster. Teilen Sie die düstere Stimmung?

Hessel: Also erstens einmal, man muss hinschauen und die Bedrohungen bewusst wahrnehmen und sich darauf vorbereiten. Das Schönreden bringt überhaupt nichts. Aber man muss sich mit einer positiven Grundhaltung und einer optimistischen Zukunftshaltung darauf vorbereiten. Und diese Kombination, glaube ich, ist entscheidend.