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Sulzberg: Nur einer darf zurücktreten

Nach den gleichzeitigen Rücktritten des Sulzberger Bürgermeisters, des Vizebürgermeisters und zweier Mitglieder der Gemeindevertretung beschäftigen sich die BH Bregenz und das Land mit dem Thema. Einen gleichzeitigen Rücktritt von Gemeindeoberhaupt und Vize sieht das Gemeindegesetz nämlich nicht vor. Deshalb stellt sich nun die Frage: Wer war zuerst? Und vor allem: Wer war der Zweite?

Seit Montag ist die 1.800 Einwohner zählende Gemeinde Sulzberg führungslos. Bürgermeister Lukas Schrattenthaler, Vizebürgermeister Peter Blank und zwei Gemeindevertreter traten zugleich von ihren Ämtern zurück. Damit stellen sie die Juristen und Juristinnen beim Land und bei der Bezirkshauptmannschaft vor eine Herausforderung. Denn grundsätzlich gilt: Das Gemeindeoberhaupt kann dem Vize den Rücktritt erklären und umgekehrt. Dass beide gehen, ist nicht vorgesehen.

Land: Der Zweite muss bleiben

„Beide gegenseitig und gleichzeitig“ sei laut Gesetz nicht möglich, betonte die zuständige Juristin beim Land, Martina Schönherr. Der zweite Rücktritt war also ihrer Ansicht nach nicht wirksam. Derjenige, der das Rücktrittsgesuch als Zweiter stellte, sei weiterhin im Amt und müsse die Gemeindegeschäfte weiterführen.

Jetzt müssen Land und BH also herausfinden, wer – vielleicht nur um ein paar Sekunden – zuerst den Rücktritt erklärte. Der andere hätte dann einem Unzuständigen den Rücktritt erklärt und sei rechtmäßig gar nicht zurückgetreten, heißt es beim Land.

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Kehrte an seinen Schreibtisch zurück: Lukas Schrattenthaler übt sein Amt als Bürgermeister vorerst weiter aus – bis ein neuer Vizebürgermeister im Amt ist
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Pressemitteilung
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Schrattenthaler: Zettel gleichzeitig übergeben

Der Ex-Bürgermeister – oder möglicherweise Immer-noch-Bürgermeister – Schrattenthaler sagte dazu, sein Vize Blank und er seien einander am Montagnachmittag gegenübergestanden und hätten einander tatsächlich gleichzeitig den Zettel mit dem unterschriebenen Rücktrittsansuchen überreicht. Diese hätten sie dann dem Gemeindesekretär gegeben, und der habe sie abgestempelt. Schrattenthaler sprach von juristischen Spitzfindigkeiten, Sulzberg sei jetzt eben führungslos.

Wer organisiert die Neuwahl?

Laut dem Gemeindegesetz muss spätestens vier Wochen nach dem Rücktritt eines Bürgermeisters oder einer Bürgermeisterin eine Neuwahl stattfinden. Wenn geklärt sei, wessen Rücktritt unwirksam war, müsse derjenige mit dem unwirksamen Rücktritt die Wahl organisieren, sagte Juristin Schönherr. Schrattenthaler sah dagegen die BH am Zug. Er und sein Vize Blank seien zurückgetreten, die Behörde müsse nun eine Neuwahl organisieren.

„Persönliche Angriffe und Drohungen“

Die Rücktritte in Sulzberg am Montag waren ein Paukenschlag in der Gemeindepolitik. Schrattenthaler, ehemaliger NEOS-Kommunikationschef und Landesgeschäftsführer der Vorarlberger Grünen, sprach in seinem Rücktrittsschreiben von einem untragbaren Maß der persönlichen Belastung. Es habe persönliche Angriffe und Drohungen gegenüber Mitarbeitern und Gemeindemandataren gegeben. Er hegte weiters die Hoffnung, dass sein Rücktritt dazu beitrage, „dass sich die Spannungen in der Gemeinde legen und Raum für eine Stärkung des dörflichen Zusammenhalts geschaffen wird“.

„Untragbar geworden, dieses Amt weiterzuführen“

Blank schrieb in seinem Rücktrittsbrief, dass es „aufgrund der derzeitigen Umstände in der Gemeinde und Gemeindepolitik für mich untragbar geworden ist, dieses Amt weiterzuführen“. Gemeindevertreter Peter Haimerl sprach von einer gefährlichen Drohung, die ihm in der Ausübung seines Mandats widerfahren sei und die er zur Anzeige gebracht habe. David Dorner legte sein Mandat aus „persönlichen Gründen zurück“. Alle vier Gemeindepolitiker traten 2020 für die Liste Sulzberg an, die 78 Prozent der Stimmen für sich verbuchte.

Krisensitzung der Gemeindevertretung

Die geschrumpfte Gemeindevertretung kam am Montagabend noch zu einer Krisensitzung zusammen. Das weitere Vorgehen und ein ungefährer Zeitplan seien besprochen worden, so Gemeindevorstand Tobias Wirthensohn gegenüber dem ORF. Mögliche Kandidaten oder Kandidatinnen für die Nachfolge hätten sich noch nicht gemeldet, so Wirthensohn.