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APA/dpa/Marijan Murat
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Politik

Kritik an „Vorarlberg Kodex“ für Asylwerber

Asylwerberinnen und Asylwerber sollen in Vorarlberg künftig mit der Unterschrift eines „Vorarlberg Kodex“ zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Das sieht ein Vorschlag der Vorarlberger ÖVP vor. Für Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle ist dieser aber noch zu unausgereift, sie ortet Symbolpolitik dahinter.

„Vorarlberg Kodex“

Die Vorarlberger ÖVP legte den Vorschlag vor, Asylwerber bereits bei der Übernahme in die Grundversorgung einen „Vorarlberg Kodex“ unterschreiben zu lassen, der zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet – als Gegenleistung für die kostenlosen Deutschkurse, die Vorarlberg als einziges Bundesland anbietet.

Zwar erkenne die ÖVP mit dem „Vorarlberg Kodex“ das wichtige Thema Integration an, sagte Stainer-Hämmerle. „Dennoch würde ich die Vorschläge eher unter Symbolpolitik einordnen“, betonte sie. Das begründet die Politologin damit, dass die Hürden auf dem Arbeitsmarkt für Asylwerberinnen und Asylwerber nach wie vor unverändert hoch bleiben würden und die Abwicklung in den Gemeinden noch nicht geklärt sei – mehr dazu unter ÖVP stellte „klare Regeln“ für Asylwerbende vor.

Wahlstrategie gegen drohende Niederlage

Das Thema der Beschäftigung von Asylwerberinnen und Asylwerbern ist Stainer-Hämmerle zufolge dabei nicht zufällig gewählt worden – im Hinblick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr stecke eine Wahlstrategie dahinter. Die FPÖ stehe derzeit laut Umfragen bundesweit auf Platz eins. „Der ÖVP droht in Vorarlberg im kommenden Herbst auch eine Niederlage“, so die Politologin.

Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle
ORF Vorarlberg
Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht die Vorschläge der ÖVP als Symbolpolitik an

Die ÖVP betrachte das Thema mehr aus der Perspektive der Wählerinnen und Wähler bzw. deren Vorteilen gegenüber Asylwerberinnen und Asylwerbern – und weniger aus der Perspektive der Betroffenen, analysiert Stainer-Hämmerle.

Beschäftigung als Schlüsselfaktor zur Integration

Um die Verpflichtung von Asylwerberinnen und Asylwerbern zu gemeinnütziger Arbeit entbrannte eine bundesweite Diskussion. Dabei wurde vor allem infrage gestellt, ob die Betroffenen zu gemeinnütziger Arbeit in Gemeinden oder Vereinen verpflichtet werden dürfen. Grundsätzlich sei Beschäftigung ein Schlüssel zur Integration, sagte Caritas-Direktor Walter Schmolly.

Walter Schmolly
ORF
Walter Schmolly, Direktor der Caritas Vorarlberg, hält Beschäftigung für einen Schlüssel zur Integration

„Beschäftigung schafft eine Tagesstruktur, ermöglicht Beziehungen und unterstützt beim Deutsch lernen“, argumentierte er. Insofern halte er den Vorschlag der ÖVP für ein positives Signal hinsichtlich der Integration. Grundsätzlich sei die Bereitschaft der Asylwerberinnen und Asylwerber, sich zu beschäftigen, hoch. „Deutlich höher als das Angebot, das derzeit geschaffen werden kann“, meinte Schmolly. Würde man die gesetzlichen Hürden für gemeinnützige Arbeiten senken, brauchte es Schmolly zufolge vermutlich keine Diskussion über eine Zwangsbeschäftigung von Asylwerbenden.

Stundenzahl an gemeinnütziger Arbeit stark gesunken

Im Rahmen der Nachbarschaftshilfe sei es bis 2018 noch völlig unkompliziert gewesen, dass Asylwerberinnen und Asylwerber gemeinnützige Arbeit leisten, blickte Schmolly zurück. Das sei von den Betroffenen gut angenommen worden. Seither würden die bürokratischen Hürden die Beschäftigungszahlen senken. Man habe damals über 20.000 Stunden an gemeinnütziger Arbeit pro halbem Jahr vermitteln können, berichtete er. Dieses Jahr seien es nur mehr 3.000 Stunden gewesen, bedauerte Schmolly. „Das ist eine Größenordnung von 20 bis 25 Prozent maximal, die jetzt noch erreicht werden“, sagte er.

Bedenken aus rechtlicher Sicht

Aus rechtlicher Sicht kommen zu den Plänen der Vorarlberger ÖVP Bedenken von Verfassungsjurist Peter Bußjäger. Die Umsetzung der Vorschläge seien ihm zufolge nicht leicht. Gesetzlich wäre es einfach, Asylwerberinnen und Asylwerbern die Möglichkeit zu geben, arbeiten zu gehen, betonte er. Wenn man sie aber dazu zwingen wolle, bekomme man schnell Probleme mit der Menschenrechtskonvention und dem Asylrecht, gab er zu bedenken.