Blütenpracht am Friedhof
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Gesellschaft

Paradiesgärten – Friedhöfe der Zukunft

Allerheiligen und Allerseelen sind nicht mehr weit. Viele Menschen besuchen schon die Gräber ihrer Verstorbenen. Damit Friedhöfe aber nicht nur für den Tod stehen, will Rankweil ein neues Projekt umsetzen. Die Gemeinde möchte ihre Friedhöfe nach und nach in Paradiesgärten verwandeln. Bei der St. Michaels-Kirche wurde bereits damit begonnen.

Am Liebfrauenberg in Rankweil wird Friedhof neu gedacht. Er soll nämlich nicht zu einer trostlosen Kieswüste mit verwaisten Gräbern verkommen, sondern ein Ort der Begegnung sein, an dem Tod und Leben aufeinandertreffen, erklärt Martin Salzmann, Mesner in der St.-Michaels-Kirche: „Der Sankt-Michels-Friedhof ist in der letzten Zeit leider Gottes immer lückenhafter geworden, und wir möchten jetzt versuchen durch Begrünungen, durch Bepflanzung, in späterer Folge dann auch durch Sitzmöglichkeiten, einfach den Ort wieder mit seiner Aufenthaltsqualität zu heben. Damit die Leute einfach hier bleiben und verweilen.“

Friedhöfe der Zukunft

In Rankweil werden alle neun Friedhöfe nach und nach in Paradiesgärten verwandelt. Grund dafür ist, dass immer mehr Gräber verwaisen. Die Idee der Paradiesgärten wurde vor sechs Jahren vom Bregenzer Architekten Andreas Cukrowicz entwickelt.

Friedhöfe sterben buchstäblich aus

Schon vor sechs Jahren hat der Bregenzer Architekt Andreas Cukrowic das Konzept der Paradiesgärten entwickelt, denn vor allem die etwas abgelegenen Friedhöfe werden irgendwann buchstäblich aussterben: „So blöd das klingt – der Friedhof stirbt, die Flächen verwaisen. Jedesmal, wenn ein Grab wegkommt, wird die Kiesfläche größer.“

Statistisch verschwinden jährlich etwa 3,6 Prozent der Gräber, sagt der Architekt. „Das ist ein Prozess, der sehr schnell geht. Man sieht das in den letzten zehn Jahren am Sankt-Michaels-Friedhof, dass da schon sehr viel passiert.“

Fotostrecke mit 6 Bildern

St. Michaels-Kirche
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Der Sankt-Michaels-Friedhof am Liebfrauenberg in Rankweil
Trostlose Kieswüsten sollen vermieden werden
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Jährlich werden es im Schnitt 3,6 Prozent Gräber weniger und übrig bleiben leere Kiesflächen
Blütenpracht am Friedhof
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Ein Paradiesgarten lässt den Friedhof aufleben, macht ihn bunter
Friedhof St. Michael
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Durch die üppige Bepflanzung wird der Friedhof lebendiger – natürlich auch für Insekten
Friedhof Liebfrauenberg
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Der Freidhof soll zum Verweilen einladen – so sind künftig auch Sitzgelegenheiten vorgesehen
Friedhof am Liebfrauenberg
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Und wer sich kein Einzelgrab leisten möchte oder kann, soll ein ganzjährig bepflanztes Gemeinschaftsgrab nutzen können

Aussterben oder aufleben lassen?

Die Frage sei, was man mit so einem Friedhof macht: „Lässt man ihn einfach verwaisen, bis nur noch zwei-drei Gräber übrig sind? Das war die grundsätzliche Problemstellung. Und wir haben gefunden, ein Friedhof ist ein ganz besonderer Ort und haben ihn als Sonderform eines Gartens gelesen.“

Wenn man sich vorstelle, dass es dort gut duftet, Wasser plätschert, Schritte im Kies hörbar werden, gebe es auch akustisch sehr besondere Momente, erläutert Cukrowic: „Dann kann es ja sein, dass man zu träumen beginnt und gar nicht mehr das Gefühl hat, auf einem Friedhof zu sein, sondern vielleicht sogar das Gefühl hat, für einen ganz kurzen Moment im Paradies zu sein.“

Gemeinschaftsgrab – im Tod sind alle gleich

In einem Paradiesgarten befinden sich auch nicht nur Grabsteine – diese wollen oder können sich die Menschen oft nicht mehr leisten. Deshalb gibt es auch die Idee eines Gemeinschaftsgrabes, sagt der Mesner: „Mit dem Gedanken dahinter, dass im Tod alle gleich sind. Es gibt kein prächtiges großes Grab oder kleine armselige Gräber, sondern es gibt ein durchgehend bepflanztes Beet, in dem sich Menschen bestatten lassen können.“

„Ein Friedhof soll das Leben widerspiegeln“

Vielleicht ist ein Friedhof also in Zukunft ein Ort mit naturnahen Gemeinschaftsgräbern inmitten von Grünflächen – ein Zugewinn an Leben. Bei der St. Michaels Kirche soll es ab dem kommenden Frühling jedenfalls stetig bunter, lebendiger und fröhlicher werden. „Ja, ein Friedhof soll fröhlich sein“, bekräftigt Salzmann: „Ein Friedhof soll das Leben widerspiegeln. Weil ja auch die Leute um uns herum ja in einem vollen Leben gestanden sind. Und das soll sich auch im Nachhinein widerspiegeln.“