Mann telefoniert
ORF.at/Sonja Ryzienski
ORF.at/Sonja Ryzienski
Chronik

„Gekaperte“ Rufnummern: Zahlreiche Betroffene

In Vorarlberg häufen sich bei der Arbeiterkammer (AK) Beschwerden über „Rufnummerndiebstahl“. Die AK verzeichnet täglich mehrere Anfragen. Betroffene würden teils bis zu 50 Anrufe pro Tag erhalten, weil ihre Nummern von Kriminellen für Betrugsanrufe verwendet werden – und die potenziellen Betrugsopfer die Nummer auf ihrem Display zurückrufen.

So manch einer – nennen wir ihn zum Beispiel Markus – ist komplett genervt – nach etlichen Anrufen von etlichen unbekannten Leuten, die am Telefon sagen: „Ich hatte Ihre Nummer auf dem Display“. Und das, obwohl Markus gar niemanden angerufen hatte.

Eine dieser Anruferinnen ist – zum Beispiel – Daniela. Sie kennt Markus gar nicht und ruft ihn eben nur an, weil sie seine Nummer auf dem Display hatte. Dabei war es gar nicht Markus, der sie angerufen hatte – sondern Betrüger, die vielleicht vorhatten, Daniela mit einer der gängigen Betrugsmaschen hinters Licht zu führen, sie aber nicht erreichen konnten. Und auf diese Weise bekommt Markus etliche Anrufe über Tage hinweg – eben weil die Betrüger bei etlichen Anrufen seine Nummer benutzen.

Betroffene bekommen bis zu 50 Anrufe pro Tag

Solche Szenarien tauchen seit einigen Monaten gehäuft auf, die österreichische „Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH“ (RTR) zählte allein in den Monaten August und September über 4.000 Beschwerdefälle österreichweit – die Dunkelziffer liegt wohl weitaus höher, wird vermutet.

Auch bei der Vorarlberger Polizei ist das Thema bekannt, konkrete Anfragen oder Anzeigen von Betroffenen sind aber bis beim Landeskriminalamt noch keine eingegangen. Offenbar wenden sich die Betroffenen in diesem Zusammenhang eher an die Arbeiterkammer.

Laut AK-Konsumentenberater Franz Valandro verzeichnete die AK in den vergangenen Tagen und Wochen einen deutlichen Anstieg an Anfragen, derzeit seien es mehrere pro Tag. „Es gibt Leute, die bekommen 30 bis 50 solcher ´Rückrufe’ pro Tag von Personen, die sie selber gar nicht angerufen haben“, so Valandro. Für die Betroffenen sei das sehr belastend.

Identität verschleiern und Vertrauen erwecken

Der Hintergrund: Beim sogenannten „Call-ID-Spoofing“ (oder auch „Caller ID Spoofing“) verwenden Kriminelle bei Betrugsversuchen vorgetäuschte Telefonnummern, um ihre Identität zu verschleiern. Die Täter sitzen meist im Ausland – und um sich das Vertrauen eines potenziellen österreichischen Opfers zu erschleichen, verwenden sie österreichische Nummern.

„Aus zumeist im Ausland befindlichen Callcentern werden tausende Anrufe mit dem Ziel getätigt, dass überhaupt abgehoben wird. In Folge kann dann das ganze Betrugsspektrum – vom Herauslocken persönlicher Daten bis hin zu finanziellem Betrug – zur Anwendung kommen“, erklärt Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Telekommunikation und Post das Vorgehen der Kriminellen.

Technisch leicht machbar

Über das sogenannte „Call-ID-Spoofing“ werden aber nicht nur komplett gefakte Nummern verwendet, sondern auch bestehende. Denn welche Telefonnummern im Betrugsfall verwendet werden, unterliegt dem Zufall, da die am Display aufscheinenden Rufnummern automatisch generiert und verfälscht werden. Eine Telefonnummer zu manipulieren, sodass bei Anrufen eine falsche Nummer oder bei SMS eine falsche Absendererkennung angezeigt wird, ist technisch relativ leicht möglich.

Keine Schutzvorkehrungen möglich

Die damit verbundenen Rückrufe können die Betroffenen viele Nerven kosten, ein finanzieller Schaden entstehe bei „Call-ID-Spoofing“ für diejenigen, deren Telefonnummer verwendet worden ist, aber nicht unmittelbar, so Franz Valandro von der Vorarlberger AK.

Allerdings: Werden etwa Telefonnummern von Unternehmen missbraucht, kann das negative Reputationsfolgen und somit nachteilige Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb nach sich ziehen. Und: "Höchst ärgerlich ist, wenn die eigene Rufnummer beispielsweise auf Warnlisten von Spamdetektoren auf Smartphones landet“, so Steinmaurer. Denn viele Smartphones verfügen über solche Spamdetektoren, die auffällige Anrufe bzw. Rufnummern identifizieren und sie über eine Warnliste sperren lassen.

„Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH“ (RTR)
Die „Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH“ (RTR) steht zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Zu ihren Kernaufgaben gehört die Förderung des Wettbewerbs im Rundfunk-, Telekommunikations- und Postmarkt.

Problem der Spamdetektoren

Und dann wird es mühsam, denn die österreichischen Mobilfunkanbieter haben keinen Einfluss auf Spamdetektoren auf mobilen Endgeräten, betont man bei der RTR. „Wenn die eigene Nummer auf einer Warnliste landet, muss man sich daher an die Endgerätehersteller wenden, an Google, Apple oder die jeweiligen App-Anbieter. Davor muss man allerdings herausfinden, auf welchen Smartphones der Spamverdacht angezeigt wird, damit man sich an den richtigen Anbieter wenden kann. Alles also sehr kompliziert, zeitaufwendig und letztlich unbefriedigend“, so Steinmaurer.

Wechsel der Rufnummer als letzter Ausweg

Derzeit kann man persönlich weder im Vorfeld noch im Betrugsfall Schutzvorkehrungen treffen, so dass man nicht mehr angerufen wird. „Machtlos“ ist das Wort, das AK-Konsumentenberater Valandro verwendet, was die derzeitigen Möglichkeiten angeht, gegen dieses „Call-ID-Spoofing“ vorzugehen.

Deshalb gebe es auch nicht viele Tipps für die Betroffenen – außer, dass die Belästigung in der Regel zeitlich begrenzt sei. „Manchmal hört es schneller auf, manchmal dauert es länger“, so Valandro. Vermutlich würden die Betrüger von Zeit zu Zeit die Nummern wechseln. Laut Auskunft der Polizei dauern solche Anrufwellen in den meisten Fällen im Schnitt rund drei Wochen.

Als letzten Ausweg rät die AK Betroffenen, ihre Rufnummer zu wechseln. Was natürlich auch mit viel Aufwand verbunden ist – für manche Betroffene sei das angesichts der Belastung durch die vielen Anrufe aber trotzdem die bessere Lösung, sagt Valandro.

Polizei: Im Zweifel Gesprächsnachweis anfordern

Das Vorarlberger Landeskriminalamt empfiehlt: Nur bei Rufnummern abnehmen, die bekannt bzw. eingespeichert sind. Zudem rät die Polizei, einen Vermerk anzulegen und das Problem bei der RTR zu melden – und jedenfalls dann einen Einzelgesprächsnachweis beim Telefonanbieter anzufordern, wenn nachgewiesen werden muss, dass die Anrufe nicht vom Rufnummerninhaber erfolgten. Denn schließlich könnte es sein, dass die Betrüger mit der Rufnummer jemanden am Telefon betrogen und etwa Geld abkassiert haben.

Auf einem solchen Nachweis werden vom Telefonanbieter sämtliche ausgehenden Telefonate und Datenverbindungen aufgelistet. Wenn auch sehr unwahrscheinlich: Es könne sein, dass der Rufnummerninhaber von der Polizei kontaktiert werde, heißt es beim Landeskriminalamt. Von strafrechtlichen Konsequenzen sei aber für die Rufnummerninhaber wohl nicht auszugehen.

Neue Regelung soll vor dem Sommer greifen

Hoffnung setzt AK-Konsumentenschützer Valandro auf eine Gesetzesnovelle, die die Regierung derzeit umsetzt. Derzufolge sollen die österreichischen Telefonanbieter bei Anrufen aus dem Ausland mit österreichischen Rufnummern künftig eine Verifizierung der Rufnummer vornehmen – mehr dazu in: Anrufe mit „gekaperter“ Nummer sollen schwieriger werden (help.ORF.at).

Künftig soll gelten: "Wenn ein Missbrauchsfall vorliegt, dann darf der Anruf nicht zugestellt werden“, so der Staatssekretär für Digitalisierung, Florian Tursky, bei einer Pressekonferenz Anfang Oktober. Die Verordnung soll nach einer Anpassungsfrist noch vor dem nächsten Sommer in Kraft treten. „Das bedeutet, dass wir eine solche Rufnummernmissbrauchs-Welle wie derzeit in Zukunft nicht mehr erleben werden“, so Tursky weiter.

Auch Valandro glaubt, dass die neue Regelung das Problem zumindest weitgehend unterbinden wird. „Die Novelle wird dem Ganzen den Zahn ziehen“, so der Konsumentenschützer – wenngleich die Betrüger wohl wieder andere Wege finden werden, befürchtet Valandro.

Neuerungen durch die Novelle

• Wenn ein Anruf aus dem Ausland nach Österreich getätigt wird und dabei eine österreichische Rufnummer übertragen wird, obwohl sich diese nicht im Ausland befindet, wird die Anzeige dieser Rufnummer beim Angerufenen unterdrückt.
• Besteht für Netzbetreiber die Möglichkeit, die Authentizität des Anrufes aus dem Ausland zu prüfen, ist dieser verpflichtet, bei Fehlschlagen dieser Prüfung den Anruf zu unterbinden.

Meldestelle für Missbrauch von Rufnummern

Die RTR rät dazu, bei zweifelhaften Anrufen skeptisch zu bleiben und gegebenenfalls Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Wer von dem Rufnummernmissbrauch betroffen ist, kann dies unter Rufnummernmissbrauch.at melden. Damit kann die RTR betrügerische Aktivitäten, die gehäuft auftreten, rasch erkennen und die Bevölkerung informieren.