Gelbfleischiger Prachtsaftling
Wolfgang Dämon
Wolfgang Dämon
Chronik

Ein Drittel aller Pilze in Vorarlberg sind gefährdet

Fliegenpilze, Steinpilze und Milchpilze sind wohl die drei bekanntesten Pilzarten in Vorarlberg. Insgesamt wachsen hier 2.100 verschiedene Großpilze. Die inatura Dornbirn zog am Montag jedoch eine ernüchternde Bilanz: Jede sechste Pilzart in Vorarlberg ist gefährdet. Gründe dafür seien Überdüngung, Lebensraumschwund und der Klimawandel.

Als „Schwammerl“ gehören sie zur Herbstzeit. Wie es den Pilzen in unseren Wäldern, Wiesen, Mooren und Bergen geht, gibt aber auch Aufschluss darüber, wie fit die Ökosysteme sind. Für Vorarlberg zogen Fachleute nun eine „ernüchternde Bilanz“. Gut ein Drittel der 2.100 Pilzarten in Vorarlberg ist gefährdet, heißt es in der Roten Liste, die das Naturdokumentationszentrum inatura am Montag vorstellte.

Lila Milchling
Wolfgang Dämon
Dieser Pilz nennt sich Lila Milchling. Man findet den seltenen und ungenießbaren Pilz unter Erlen in feuchten Wäldern und entlang von Bächen, Füssen und Gräben. Er erscheint meist im September und Oktober.

Jährlich bis zu 100 neue Arten in Österreich

In der Roten Liste steht, dass 17 Prozent, das sind rund 350 der bekannten Pilzarten, als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht gelten. Weitere 16 Prozent wurden als potenziell gefährdet eingestuft, so der Salzburger Pilzspezialist Wolfgang Dämon. Er hat gemeinsam mit Laien wie Werner und Isabella Oswald vom „Pilzkundlichen Verein Vorarlberg“ die Rote List erstellt. Über Jahre sammelten sie 63.500 Verbreitungsdaten von 500 Fundorten. Der Schluss, dass der Rest der Pilzarten, ungefährdet ist, wäre trügerisch: Wegen ihrer verborgenen Lebensweise ist die Datenlage oft dürftig. Laut Dämon werden in Österreich 50 bis 100 Arten jährlich erstmals nachgewiesen.

Pilze sind keine Pflanzen. Zwar werden sie traditionell der Botanik zugerechnet, aber sie betreiben keine Photosynthese und stehen damit dem Reich der Tiere weitaus näher als dem der Pflanzen. In letzter Konsequenz werden die Pilze heute als eigenes Reich unter den Lebewesen angesehen.

Pilze können nicht einfach umgesiedelt werden

Anders als bei anderen Lebewesen sei es aufgrund ihrer Standortansprüche nicht möglich, Pilze einfach umzusiedeln. „Für den Schutz der Pilze müssen wir die natürlichen Lebensräume erhalten, möglichst vielfältig, möglichst großräumig“, betont Dämon, der generell mangelndes Bewusstsein um die Bedeutung von Pilzen ortet. „In der Biodiversitätsstrategie 2030+ des Ministeriums sind Pilze mit keinem Wort erwähnt“, kritisiert der Experte.

Den Pilzen setzen vor allem Überdüngung und Bodenfraß zu, aber auch die menschengemachte Erderwärmung. Steigende Temperaturen sind etwa für alpine Pilze ein Problem. Diese können verschwinden, ohne dass wir es mitkriegen, sagt Dämon.

Violette Kleinkoralle
Oswald
Die Violette Kleinkoralle wird auch als „Clavulina Amethystina“ bezeichnet.

Eine besondere Verantwortung besteht in Vorarlberg zudem für Pilze in Mooren sowie für jene seltenen Arten, die Dämon auf den Wiesen des Walgau fand. Der „Gelbgrüne Saftling“, der „Ochsenröhrling“ oder der „Schwärzende Wasserfuß“ hätten hier noch stabile Bestände, „das sind fast die einzigen in Österreich“, so der Forscher, der dafür plädiert, schon Kindern mehr Wissen um die Bedeutung von Pilzen mitzugeben.

Rote Liste für Großpilze vorgestellt

Insgesamt wachsen 2.100 verschiedene Großpilze in Vorarlberg. Und jede sechste Art davon ist stark gefährdet. Das steht auf der ersten Roten Liste für Großpilze, die am Montag in der inatura in Dornbirn vorgestellt wurde.

Viele Baumarten sind auf Pilze angewiesen

Pilze führen ein großteils unterirdisches Leben und werden nur wahrgenommen, wenn sie ihre Fruchtkörper an die Oberfläche schieben. Pilze sind jedoch von enormer Bedeutung für ihre Ökosysteme. Sie zersetzen totes Material, zudem können viele Pflanzen nur in Gemeinschaft mit Pilzen gut gedeihen, erklärt inatura-Forschungsleiterin Anette Herburger. Weil sie aus eigener Kraft die Mineralstoffe des Bodens nicht erschließen können, seien etwa viele Baumarten auf die Versorgung durch Pilze angewiesen. Die wirtschaftliche Wertigkeit von Pilzen beläuft sich laut Herburger auf rund 55 Billionen Dollar.