Φωτογραφική έκθεση υπηρεσίας Διπλωματικού και Ιστορικού Αρχείου. Photo exhibition of the Diplomatic and Historical Archive Department,
Kultur

Das Tagebuch des Deserteurs Bilgeri

Der Vorarlberger Lehrer Rudolf Bilgeri, Vater des Künstlers Reinhold Bilgeri, lief 1944 als Soldat in Griechenland zu den Partisanen über. Er erzählt die Geschichte seiner Desertion in „Tagebuchblättern“ aus seiner Kriegsgefangenschaft. Herausgegeben von den Historikern Ingrid Böhler und Peter Pirker entstand ein Buch, das das Schweigen vieler Soldaten aus jener Zeit bricht.

Athen 1944: Die NS-Besatzer haben mit Hilfe griechischer Kollaborateure ein Gewaltregime aufgebaut, jeder Widerstand der hungernden heimischen Bevölkerung wird brutal unterdrückt. Straßenkämpfe, Anschläge und Überfälle der Stadtpartisanen sind in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs Alltag.

Mittendrin ist der aus Hohenems stammende Soldat Rudolf Bilgeri (1907–1992). Der damals 38-jährige Lehrer, Ehemann und Vater ist seit 1943 bei Nachrichtendienststellen in Saloniki und Athen als technischer Zeichner eingesetzt. Bisher von Kampfeinsätzen verschont, befürchtet er, in der immer angespannter werdenden Lage bald in solche zu geraten.

Überlaufen, um die verhasste Uniform loszuwerden

Der überzeugte Katholik läuft mit Hilfe der Übersetzerin Dina mit zwei Kameraden zu den Partisanen der Volksbefreiungsarmee ELAS über, wo er die „verhasste“ Uniform los wird und in Verstecken in den Armenvierteln Athens die schwierigen Lebensverhältnisse der Bevölkerung teilt, bevor er in zweijährige britische Kriegsgefangenschaft in Ägypten gerät und schließlich nach Vorarlberg heimkehrt. In nüchterner Sprache berichtet er von Straßenkämpfen, Gräueltaten und den verheerenden Verhältnissen in Athen, aber auch von Gastfreundschaft und Tavernenbesuchen.

Fotostrecke mit 11 Bildern

Rudolf Bilgeri als Gefreiter der Wehrmacht 1943/44
privat
Rudolf Bilgeri als Gefreiter der Wehrmacht 1943/44
Politische Beurteilung Rudolf Bilgeris vom 22.02.1943
privat
Politische Beurteilung Rudolf Bilgeris vom 22.02.1943
Rudolf Bilgeri mit Sohn Wolfram im Sommer 1942 in Wolfurt
Miro Kuzmanovic
Rudolf Bilgeri mit Sohn Wolfram im Sommer 1942 in Wolfurt
Einzelseite aus Richard Bilgeris Fotoalbum: „Einige Tage vor Papas Abschied – Ende der schönen Zeit – Papa ist Soldat“
Miro Kuzmanovic
Einzelseite aus Richard Bilgeris Fotoalbum: „Einige Tage vor Papas Abschied – Ende der schönen Zeit – Papa ist Soldat“
Einzelseite aus Richard Bilgeris Fotoalbum: „Glückliche Stunden – Vor der Abreise von Papa nach Saloniki“
Miro Kuzmanovic
Einzelseite aus Richard Bilgeris Fotoalbum: „Glückliche Stunden – Vor der Abreise von Papa nach Saloniki“
Postkare von Rudolf Bilgeri an seine Familie: „Gruß aus Saloniki“
privat
Postkare von Rudolf Bilgeri an seine Familie: „Gruß aus Saloniki“
Partisaninnen und Partisanen der ELAS, Stabskompanie der II. Division in Aspropirgos, Athen im Oktober 1944 – ein Foto aus derm Nachlass von Kostas Ksanthakis
privat
Partisaninnen und Partisanen der ELAS, Stabskompanie der II. Division in Aspropirgos, Athen im Oktober 1944 – ein Foto aus derm Nachlass von Kostas Ksanthakis
„Auf der Flucht!“ – Seite aus den Tabebuch-Aufzeichnungen von Rudolf Bilgeri
privat
„Auf der Flucht!“ – Seite aus den Tabebuch-Aufzeichnungen von Rudolf Bilgeri
Blick auf das britische Kriegsgefangenenlager 380 in Ägypten, in dem auch Rudolf Bilgeri gefangen gehalten und von dort inhaftierten Nazis terrorisiert wurde
Historische Archivaufnahme
Blick auf das britische Kriegsgefangenenlager 380 in Ägypten, in dem auch Rudolf Bilgeri gefangen gehalten und von dort inhaftierten Nazis terrorisiert wurde
Aus dem Archiv von Richard Bilgeri: Eine Gruppe von Kriegsgefangenen bei der Bewachung eines Wasserreservoirs
Miro Kuzmanovic
Aus dem Archiv von Richard Bilgeri: Eine Gruppe von Kriegsgefangenen bei der Bewachung eines Wasserreservoirs
Eine Zeichnung des „Cage 4“ (= Käfig 4) im britischen Kriegsgefangenenlager 380 in Ägypten
privat
Eine Zeichnung des „Cage 4“ (= Käfig 4) im britischen Kriegsgefangenenlager 380 in Ägypten

Nazis machten auch Gefangenschaft zur Hölle

Besonders eindrücklich wirken seine Schilderung des Lebens im Kriegsgefangenenlager, wo in „Nazi-Cages“ (Nazi-Käfigen) weiter militärischer Betrieb und der Heil-Hitler-Gruß gepflegt wird: „Politische Gegner und missliebige Elemente führen darin ein Höllenleben“, so Bilgeri. Die laut dem Verfasser 1.000 Nazi-Gefangenen bedrohen die 200 „Anti-Nazi“-Häftlinge, darunter Bilgeri, in Sprechchören, bedenken sie mit Beschimpfungen und Steinhagel.

Buchtitel
Universitätsverlag Wagner
„Bei den Partisanen in Athen. Tagebuch eines Deserteurs der Wehrmacht“ von Rudolf Bilgeri, Hrsg. von Peter Pirker und Ingrid Böhler. Erschienen im Universitätsverlag Wagner. 176 Seiten. 24,90 Euro.

Forschungsprojekt der Uni Innsbruck

Seit Ende 2019 wird am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck in einem Forschungsprojekt die Geschichte der abtrünnigen Tiroler und Vorarlberger Soldaten im Zweiten Weltkrieg aufgearbeitet. Nach Aufrufen meldeten sich zahlreiche Angehörige von früher als „Verräter“ verfemten Deserteuren und damaligen Helfern, ein „positiver Effekt der Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure“ 2009, wie die Herausgeber schreiben.

Reinhold Bilgeri offenbarte die Quelle

Unter diesen Angehörigen war auch Richard Bilgeri, ein Sohn Rudolf Bilgeris, der den Historikern die illustrierten „Tagebuchblätter“ des Vaters 2020 vorstellte, ebenso Fotos der Familie seit den 1930er Jahren. „Bereits die erste Durchsicht der Aufzeichnungen Bilgeris offenbarte, dass es sich um eine besondere historische Quelle handelte“, so Pirker und Böhler über die ungewöhnliche Kriegsbiografie des Vorarlberger Lehrers.

„Das ‚Nie wieder‘ habe ich von Papa gelernt“

Ergänzt wird das Tagebuch durch Beiträge des Herausgebers und der Herausgeberin sowie des Historikers Iason Chandrinos, der Bilgeris Aufzeichnungen in der Besatzungszeit in Athen 1941 bis 1944 einordnet. Im Nachwort teilt Musiker und Filmemacher Reinhold Bilgeri persönliche Erinnerungen an seinen Vater, demzufolge dieser wenig über die Erlebnisse sprach: „Mein Vater war ein stiller Mann. (…) Auch was die Vergangenheit betraf, war er ein Schweiger, und doch hat sie ihn nie ganz losgelassen.“ Es wird deutlich, wie prägend die Erlebnisse des Vaters für den Künstler waren: „Das ‚Nie wieder‘ habe ich von Papa gelernt und ich werde sein Vermächtnis wahren, solange ich lebe.“

Wohin mit Relikten und Aufzeichnungen?

In vielen Familien gibt es schriftliche Aufzeichnungen oder andere Überbleibsel aus der Vergangenheit. Oft bleiben solche „Dachbodenfunde“ verschollen, weil Nachkommen unsicher sind, was sie damit anfangen sollen oder ob solche Relikte ihnen vielleicht sogar irgendwie schaden könnten. Wohin also mit den Fundstücken, speziell auch aus der NS-Zeit? „In erster Linie in die Archive, würde ich meinen“, antwortet die Historikerin Ingrid Böhler: "Deren Auftrag ist es, zu sammeln und zugänglich zu machen. Aber natürlich hat nicht jede Gemeinde ein geeignetes bzw. professionelles Archiv. Dann ist man gut beraten, eine Ebene weiter oben anzusetzen, d. h. im Landesarchiv anzufragen.