Insolvenz-Antrag
IMAGO/Bihlmayerfotografie
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Wirtschaft

Privatinsolvenzen: Vorarlberg mit stärkstem Anstieg

Die Zahl der Privatinsolvenzen ist in Vorarlberg im Bundesländervergleich im ersten Halbjahr 2023 am stärksten gestiegen. Laut der Analyse des Gläubigerschutzverbandes Creditreform stieg die Zahl der Privatinsolvenzen um rund 37 Prozent. Bei den Unternehmensinsolvenzen hat Vorarlberg vergleichsweise niedrige Zahlen.

Die Creditreform analysierte die endgültigen Insolvenzzahlen für das erste Halbjahr 2023 in Österreich. Die Gesamtzahl der Privatinsolvenzen stieg demnach moderat um rund fünf Prozent auf knapp 5.000 Verfahren an. Das Vor-Pandemie-Niveau ist damit noch nicht erreicht.

Ein Blick auf den Bundesländervergleich zeigt aber deutliche Unterschiede in der Entwicklung. Den stärksten Zuwachs bei den Privatinsolvenzen gibt es in Vorarlberg (plus 37,1 Prozent), gefolgt von Salzburg (plus 24,2 Prozent) und Kärnten (plus 22,7 Prozent). In einem einzigen Bundesland sanken die Insolvenzen, nämlich in der Steiermark um 12,2 Prozent.

Wien Spitzenreiter bei Insolvenzbetroffenheit

Traditionell ereignen sich ein Drittel aller Privatinsolvenzen in der Bundeshauptstadt. Wien ist sowohl bei der absoluten Zahl an Insolvenzen (1.629 Fälle) als auch bei der relativen Insolvenzbetroffenheit Spitzenreiter: Zwölf von 10.000 erwachsenen Wienerinnen und Wienern schreiten zum Insolvenzgericht. Andererseits verzeichnet Wien neben Niederösterreich (plus 0,6 Prozent) den zweitgeringsten Anstieg (plus 1,5 Prozent).

Creditreform: Arbeitsmarkt verhindert größeren Anstieg

Bundesweit gesehen schwächte sich der Trend stark ab, denn im vergangenen Jahr stiegen die Privatinsolvenzen noch um 19 Prozent. Der Fachkräftemangel und der stabile Arbeitsmarkt würden die größte Insolvenzursache verhindern, heißt es bei Creditreform: den Verlust des Jobs und die dadurch bedingte Zahlungsunfähigkeit.

Die Inflation treffe viele, werde aber auch breitflächig etwa durch Gehaltserhöhungen, Teuerungsausgleich, Energiekostenzuschuss und Schulstartgeld abgefedert. Zudem würden immer mehr Menschen beginnen zu sparen, beim Stromverbrauch, im Gasthaus oder zum Leidwesen des Handels bei allgemeinen Konsumausgaben.

Österreichweit sind in etwa acht von 10.000 Erwachsenen zahlungsunfähig. Ein Drittel der Schuldnerinnen und Schuldner sind gescheiterte Selbstständige. Die Durchschnittsschulden liegen bei rund 61.000 Euro.

Moderater Anstieg zu erwarten

Zu erwarten sei ein weiterhin moderater Anstieg der Privatinsolvenzen, sodass das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 wahrscheinlich knapp verfehlt werde. Für das Gesamtjahr 2023 sei mit 9.000 bis 10.000 Privatinsolvenzen zu rechnen, so Creditreform. Selbst im Fall einer Rezession werde die Zahl der Arbeitslosen und der dadurch von einer Insolvenz bedrohten Personen nicht stark ansteigen, da der Fachkräftemangel ein langfristiges, da demografisches Problem sei.

Firmeninsolvenzen: Vorarlberg mit geringster Betroffenheit

Anders sieht es bei den Firmeninsolvenzen aus – diese haben österreichweit bereits das Vor-Pandemie-Niveau des Jahres 2019 erreicht, die Zahl stieg um zehn Prozent auf 2.661 Verfahren.

Auch bei den Bundesländerzahlen sieht es bei den Unternehmensinsolvenzen anders aus: Vorarlberg weist die geringste Insolvenzbetroffenheit aus, mit drei von 1.000 Unternehmen. Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrscht auch in diesem Bereich in der Bundeshauptstadt Wien mit elf Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen. Österreichweit müssen rund sieben von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen. Den stärksten Zuwachs verzeichnen Kärnten (plus 50,4 Prozent), die Steiermark (plus 12,5 Prozent) und Salzburg (plus 11,5 Prozent).

Halbjahr geprägt von großen Insolvenzen

Der Coronavirus-Nachholeffekt wirke nur mehr bedingt, heißt es bei Creditreform. Allerdings kommen die Herausforderungen Fachkräftemangel, Teuerung, schwacher Binnenkonsum und das Kränkeln von Österreichs wichtigstem Handelspartner Deutschland hinzu.

Laut einer Creditreform-Umfrage vom Frühjahr unter 1.400 österreichischen Unternehmen berichten 39 Prozent der heimischen Unternehmen von sinkenden Erträgen. Geprägt war das erste Halbjahr von einigen bekannten Firmeninsolvenzen wie kika/Leiner, Forstinger und Tally Weijl.

Mehr Insolvenzen im Tourismus

Bundesweit am stärksten stiegen die Insolvenzen im Beherbergungs- und Gaststättenwesen, im Tourismus (plus 24,5 Prozent) und in der Sachgütererzeugung (plus 20,2 Prozent). Trotz des großen prozentualen Zuwachses ist die Industrie nach wie vor relativ betrachtet krisenresistenter als die anderen Branchen.

Die Industrie kämpft aber mit sinkenden Aufträgen, hohen Löhnen und Energiekosten sowie einem Fachkräftemangel. Der Tourismus scheine heuer die Pandemie endgültig überwunden zu haben, heißt es bei der Creditreform, die Ausfälle während der letzten Jahre wirkten aber im Ergebnis nach und führten zu zahlreichen Aufgaben.

Rückgänge bei den Insolvenzen verzeichnen hingegen die Branche Verkehr- und Nachrichtenübermittlung, also der Transport (minus 10,7 Prozent) und das Kredit- und Versicherungswesen (minus 6,7 Prozent).

Handel und Bauwesen mit höchsten absoluten Zahlen

Die meisten Insolvenzen wurden im Handel (455), im Bauwesen (451) und in den unternehmensbezogenen Dienstleistungen (418) angemeldet. Der Handel leide durch die inflationsbedingte neue Sparsamkeit, der Bau durch die Verschärfungen bei der Immobilienkreditvergabe. Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrsche im Bau mit fast 19 von 1.000 Branchenunternehmen und ist damit 2,5-mal so hoch wie der österreichweite Durchschnitt.