Ein großer Parkplatz auf dem nur zwei Autos stehen, daneben ein Acker.
APA/HELMUT FOHRINGER
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Umwelt

Bodenschutz soll Flächenfraß stoppen

Naturschutzbund und Umweltdachverband forderten am Dienstag eine bundesweite „netto Null“ beim Bodenverbrauch. Im Rahmen einer Bundesländer-Tour wurde die Initiative „Stopp Flächenfraß“ vorgestellt. Darin werden unter anderem finanzielle Anreize für Gemeinden gefordert, die dem Flächenfraß entgegentreten.

Mehr als 7.000 Quadratmeter Boden werden jeden Tag in Vorarlberg verbraucht, rechnen die Umweltschützer vor. Das entspricht der Fläche von einem Fußballfeld. Für Naturschutzbund und Umweltdachverband ist das deutlich zu viel. Sie wollen den Flächenfraß stoppen, fordern eine bundesweite „netto Null“ – also, dass keine neuen Flächen mehr umgewidmet werden.

Bodenfreiheit: Gewidmete Flächen würden ausreichen

Kerstin Riedmann, Geschäftsführerin des Vereins Bodenfreiheit hält das durchaus für realistisch: „Wir haben in Vorarlberg einen Baulandüberhang, das heißt, wir haben gewidmete Flächen, die nicht bebaut sind.“ Und zwar mehr als genug, meint Riedmann: „Im Wohnbereich ist es so, dass, wenn wir die aktuelle Baustruktur, kleinteilige Bausubstanzen wie Wohnblöcke oder Einfamilienhäuser weiterziehen in die Zukunft, könnte die Bevölkerung von Vorarlberg nochmals zur Hälfte untergebracht werden. Also wir reden von über 200.000 Menschen, die noch Platz finden würden auf der gewidmeten, ungenutzten Fläche, die uns zur Verfügung steht.“

Finanzielle Anreize für Gemeinden

Damit eine „netto Null“ beim Bodenverbrauch gelingt, brauche es finanzielle Anreize für die Gemeinden, meinen Naturschutzbund und Umweltdachverband. Gemeinden, die keine Flächen umwidmen, sollen dafür Geld vom Bund bekommen.

Stopp Flächenfraß!

90 Prozent unserer Lebensmittel kommen direkt oder indirekt aus dem Boden. Also müssen wir diesen Boden schützen und dürfen ihn nicht wahllos verbauen. So die Meinung von Boden- und Umweltschützern. Sie wollen die Bodenversiegelung und die großflächige Bebauung in Vorarlberg stoppen. Mit konkreten Plänen.

Böden entsiegeln

Grundstücke nicht zu verbauen ist aber nur eine Möglichkeit des Bodenschutzes. Bebauten Boden zu entsiegeln eine weitere Möglichkeit. In Göfis wurde beispielsweise ein Parkplatz verkleiner, um eine Naturfläche freizulegen, beschreibt Hildegard Breiner, die Obfrau des Naturschutzbunds Vorarlberg.

„Wenn man einen Parkplatz entsiegelt, dann ist das eine große Tat, weil man einfach zeigt, dass das Bewusstsein durchgegriffen hat: Wir müssen offene Böden haben“, sagt Breiner: „Und wenn das noch dazu auf einem Parkplatz geschieht, wo die heilige Kuh Auto so im Vordergrund steht, dann ist das schon sehr bemerkenswert, auch wenn es insgesamt jetzt noch keine große Fläche ist. Aber es könnte Schule machen.“

Grüne Lösungen für heiße Zeiten

Die Grünen nehmen die extremen Wetterereignisse der vergangenen Tage und Wochen zum Anlass, um auf die Folgen der Klimakrise aufmerksam zu machen. Ihre Vorschläge, wie man gegen die Hitze vorgehen kann, klingen mitunter ganz simpel.

Grüne fordern „Lösungen für heiße Zeiten“

Alle Jahre wieder machen die Grünen im Sommer ebenfalls auf die Bodenversiegelung aufmerksam. Die Wetterextreme sollten nachdenklich stimmen, wie sorglos mit der Natur umgegangen wird, hieß es am Dienstag bei einer Medieninformation in Hard. Auch die Grünen fordern Entsiegelungsmaßnahmen, um Hitze und Dauerregen zu begegnen. „Wir müssen Bäume pflanzen, wir müssen Beton aufbrechen und wir müssen Fassaden begrünen“, sagt Grünen-Klubobfrau Eva Hammerer: „Das brauchen wir, damit das Wasser abfließen bzw. versickern kann bei Starkregen und damit die Menschen vor Hitze geschützt sind.“

Die grünen Lösungen für heiße Zeiten klingen einfach. Das Zauberwort „Klimawandel-Anpassungs-Maßnahmen“ hingegen ist alles andere als einfach. „Ein Meilenstein wird die Einführung einer Grünflächenzahl sein“, meint der Grünen-Raumplanungssprecher Bernhard Weber: „Das kann man sich vorstellen wie die Baunutzungszahl. Da sgeht es um den Anteil von Grünflächen auf dem Boden, an Fassaden und auf Dächern im Verhältnis zum Bebauungsgebiet. Das gilt es einzuführen!“ Pro bebautem Quadratmeter sollte also ein Anteil Grünfläche geschaffen werden müssen, fordern die Grünen.

Maier (Umweltdachverband) zur Bodenversiegelung

Seit Jahren machen Umweltorganisationen auf den Bodenverbrauch aufmerksam – dennoch wird fleißig weiterversiegelt. An was liegt es? Franz Maier, der Präsident des Umweltdachverbandes antwortet.

Interview mit Umweltdachverbands-Präsident Maier

Zum Leben brauchen wir Wasser, Luft und Boden. 90 Prozent unserer Lebensmittel kommen direkt oder indirekt aus dem Boden, mahnen die Umweltorganisationen: Also sollten wir den Boden schützen und nicht wahllos verbauen. Mit der Initiative „Stopp Flächenfraß“ wollen Boden- und Umweltschützer nicht nur auf die großflächige Versiegelung der Böden aufmerksam machen, sondern erheben auch konkrete Forderungen, erklärt der Präsident des Umweltdachverbandes, Franz Maier, im Interview mit dem ORF Vorarlberg.

ORF Vorarlberg: Sie warnen schon lange vor der Versiegelung der Böden. Trotzdem findet sie jeden Tag statt. Was läuft da schief?

Maier: 11,4 Hektar pro Tag werden in Österreich verbaut, verbraucht. Auch in Vorarlberg geht der Trend wieder nach oben. Etwa die Fläche von zehn Einfamilienhäusern plus der entsprechenden Gärten werden tagtäglich in Vorarlberg verbaut. Das ist ein Wert, der viel zu hoch ist. Wir sollten eigentlich bei netto null sein. Das, was verbraucht wird, soll auf der anderen Seite renaturiert und zurückgegeben werden für die natürlichen Kreisläufe.

ORF Vorarlberg: In der Kritik stehen immer wieder die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Denken Sie zu sehr an Ihre Gemeinde und nicht über den Tellerrand hinaus?

Maier: Bürgermeister sind heute verpflichtet, nur für ihre Gemeinde zu denken. Es gäbe aber auch die Möglichkeit, Gemeindegrenzen überschreitende Gewerbegebiete auszuweisen und dann auch die Einnahmen in der Kommunalsteuer auf die entsprechenden Gemeinden zu verteilen, anstatt dass jede Gemeinde extra ihr eigenes Gewerbegebiet ausweist. Wir haben auch einen Vorschlag heute erstattet, im Finanzausgleich Anreize zu schaffen für Gemeinden, die Flächen in ihrem Zuständigkeitsbereich renaturieren, also der Natur wieder zurückgeben. Dafür soll es einen sehr hohen, attraktiven finanziellen Bonus geben für derartige Gemeinden, die dieses Ziel netto null Flächenverbrauch erreichen in ihrem Zuständigkeitsbereich.

ORF Vorarlberg: Auf ihrer Agenda stehen auch Tourismus-Themen. Sie sagen, die Touristiker sollen sich mehr einbringen in diese Angelegenheit, in diesen Landschaftsschutz. Was meinen Sie?

Maier: Wir sehen, dass die Endausbau-Grenzen des technisierten Skitourismus längst erreicht sind. Die Touristiker sollten sich zu diesen Grenzen bekennen und Investitionen in Zukunft in die
Qualitätsverbesserung der bestehenden Anlagen geben und auch Angebote entwickeln, die keine technische Erschließung brauchen, etwa für den Skitouren-Boom und für das Schneeschuh-Gehen. Hier gibt es Potenzial, das längst nicht ausgeschöpft ist.

ORF Vorarlberg: Die Touristiker sagen, sie würden dann abgehängt, die Gäste kämen nicht mehr.

Maier: Ich glaube nicht, wenn die Angebote attraktiv sind, auch im Mobilitätsbereich, dass Menschen aus den Ballungszentren mit Öffis in die Skigebiete kommen, dort abgeholt werden und Erleichterungen erfahren und das auch kostengünstig ist, dass das Angebote wären, die bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind.

ORF Vorarlberg: Kommen wir noch zu einem ganz anderen Punkt: Energiewende. Eher Photovoltaik oder Windenergie? Beides ausbauen? Was ist Ihre Präferenz?

Maier: Auf alle Fälle Photovoltaik. Das ist jene erneuerbare Energieform, die die stärkste Akzeptanz in der Bevölkerung aufweist. Und es gibt hunderte, tausende Flächen, die verbaut sind: Nicht nur Dächer, sondern auch Lärmschutzwände, die Hallen von Gewerbegebieten, Industriegebieten usw. Mülldeponien, die man verwenden könnte für Photovoltaikanlagen, ohne dass man in die freie Fläche, in das Grünland gehen muss. Das müsste Priorität haben.