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Wirtschaft

Fahrradhersteller Simplon muss Personal abbauen

Weil die Absatzprognosen um etwa 40 Prozent zu hoch lagen und die kommenden ein bis zwei Jahre keine Besserung absehbar ist, wurden laut Wirtschaftspresseagentur (wpa) 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Fertigung beim AMS zur Kündigung angemeldet – Simplon wurde in der jüngeren Vergangenheit wie auch die gesamte Fahrradbranche vom Ketchup-Effekt erwischt.

Der Fahrradhersteller Simplon muss auf die Verwerfungen auf dem nationalen und internationalen Fahrradmarkt jetzt doch auch mit einer Anpassung beim Personalstand reagieren. Wie Geschäftsführer Jakob Luksch im Gespräch mit der Wirtschaftspresseagentur erklärte, hätten die bisherigen Maßnahmen allein nicht ausgereicht, um das Unternehmen auf die tatsächlichen Marktverhältnisse anzupassen.

Eine Fünftel der Fertigungs-Belegschaft

„Deshalb mussten wir heute leider 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Fertigung und den vor- und nachgelagerten Bereichen beim AMS zur Kündigung anmelden“, so Luksch. Insgesamt würden in diesem Bereich am Stammsitz in Hard bislang 100 Beschäftigte arbeiten. Man werde sich in der Fertigung folglich von knapp 20 Prozent der Beschäftigten trennen. Die Belegschaft sei am Montag über die Maßnahmen informiert worden. Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt.

Schwankungen zukünftig mit Leasingpersonal ausgleichen

Zukünftig soll der fixe Personalstand in der Fertigung bei den verbleibenden knapp 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegen. Auf saisonale Auftragsspitzen wolle Simplon zukünftig mit Leiharbeitskräften reagieren, mit denen der Personalstand in der Fertigung kurzfristig um etwa 25 Prozent angehoben werden könne. Entsprechende Verträge habe man mit Personalvermittlern bereits abgeschlossen. Insgesamt beschäftigt Simplon bislang an die 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Absatzprognosen um 40 Prozent zu hoch

Dass es schlussendlich zu Kündigungen kommen müsse, begründet Luksch mit dem Umstand, dass die bisherigen Absatzprognosen um etwa 40 Prozent über den tatsächlichen Verkaufszahlen liegen würden. „Man hat das früher leider viel zu positiv und optimistisch eingeschätzt. Wir gehen zudem davon aus, dass die Situation in den kommenden ein bis zwei Jahren so bleiben wird.“ Eine derartige Kündigung im großen Stil habe es in der bisherigen Geschichte von Simplon noch nicht gegeben. „Es war hoffentlich auch das letzte Mal“, so Luksch.

Lagerabverkauf hat deutlich angezogen

Bessere Nachrichten gebe es jedenfalls von den anderen Maßnahmen. So habe man den Abverkauf des hohen Lagerbestandes an fertigen Fahrrädern – vormals an die 400 Stück – durch verstärkte Vertriebsaktivitäten deutlich angekurbelt. „Wir gehen davon aus, dass wir die Lagerbestände bis September 2023 geleert haben.“ Auch der Verkauf nicht benötigter Komponenten – sie machen den Großteil des Lagerbestandes aus – an andere Hersteller habe sich gut entwickelt.

Für das laufende Geschäftsjahr 2022/23 (September) erwartet Luksch ein Umsatz von etwa 55 Millionen Euro und auch 2023/24 werde man auf diesem Niveau verharren. „Erst ab 2024/25 gehen wir wieder von nennenswerten Steigerungen aus.“ Bei der Prognose helfen soll auch eine deutlich verbesserte Bedarfsvorschau in Zusammenarbeit mit den Händlern.

Ketchup-Effekt

Simplon wurde wie die gesamte internationale Fahrradbranche aufgrund der Verwerfungen, welche die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie mit sich brachte, vom sogenannten Ketchup-Effekt erwischt: Zuerst kommt nichts, dann alles auf einmal.

Denn am Beginn der Pandemie schoss der Bedarf an Fahrrädern auf fast allen Märkten explosionsartig in die Höhe. Die Händler waren ausverkauft, mancherorts auch in Vorarlberg nahmen Geschäfte am Nachmittag gar kein Telefon mehr ab, weil sie ohnehin keine Räder mehr lagernd hatten. Die Hersteller wiederum konnten auf die massiv gestiegene Nachfrage nicht mit Produktionssteigerungen reagieren, weil die internationalen Lieferketten völlig durcheinander gekommen waren. Dadurch fehlten diverse auch einfachste Komponenten, bei denen man plötzlich mit Wartezeiten von sechs Monaten und mehr rechnen musste.

Als sich die Lieferketten wieder eingespielt hatten und die Hersteller die Produktion wieder vollständig aufnehmen konnten, kamen viel zu viele Komponenten und Räder auf einmal auf den Markt – der Ketchup-Effekt. Gleichzeitig hat sich unterdessen aber auch die Nachfrage aus diversen Gründen wieder reduziert. An dieser Situation – Überangebot und gesunkenes Kaufinteresse und damit sinkenden Preise – knabbert die Branche gegenwärtig. Branchenexpertinnen und -experten gehen davon aus, dass es die vom Simplon-Geschäftsführer genannten ein bis zwei Jahre dauern werde, bis sich die Situation wieder beruhige