Eine Betreuerin (Kindergärtnerin) liest Kindern aus einem Buch vor
APA/HARALD SCHNEIDER
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Politik

Auch Grenzgänger bekommen teilweise Kinderbetreuungsgeld

Manchen Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern, die in der Schweiz oder in Liechtenstein arbeiten, wird seit Februar kein Kinderbetreuungsgeld mehr ausbezahlt. Laut Arbeiterkammer Vorarlberg betreffe das aber nicht alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Die Auszahlung hänge davon ab, in welchem Land man arbeite und wo die Familie wohne.

Die Arbeiterkammer beschreibt die Situation als juristisch komplex und betont, dass es sich um Einzelfälle handle, die individuell geprüft werden müssten. Eine pauschale Aussage darüber, ob Grenzgängerinnen und Grenzgänger Kinderbetreuungsgeld erhalten, könne daher nicht getroffen werden.

Allerdings könne man bezüglich Arbeits- und Wohnort, die über die Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds entscheiden, zwischen drei Konstellationen unterscheiden. Zwei Urteile des Obersten Gerichtshof hätten kürzlich in zwei seltenen Fällen zu einer Änderung in Bezug auf die Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds geführt.

Drei verschiedene Konstellationen

1) Ein Elternteil arbeitet in der Schweiz oder in Liechtenstein, ein Elternteil in Vorarlberg. Die Familie wohnt in Vorarlberg.

Wenn sich der Lebensmittelpunkt einer Familie in Vorarlberg befindet, wo das Kinderbetreuungsgeld als Leistung gilt, hat jener Elternteil, der im Ausland arbeitet, Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld. Jener Elternteil, der im Inland arbeitet, kann zwischen pauschalem und einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld wählen.

2) Ein Elternteil arbeitet in der Schweiz oder in Liechtenstein, ein Elternteil in Vorarlberg. Die Familie lebt in der Schweiz oder in Liechtenstein.

In dem Fall erhält kein Elternteil gemäß der aktuell diskutierten Weisung aus dem Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien kein Kinderbetreuungsgeld, denn der Lebensmittelpunkt liegt in der Schweiz beziehungsweise in Liechtenstein, wo es keine vergleichbare Leistung gibt.

3) Ein Elternteil arbeitet in der Schweiz oder Liechtenstein, ein Elternteil ist erwerbslos. Die Familie wohnt in Vorarlberg.

Auch in diesem Fall wird gemäß der Ministeriumsweisung kein Kinderbetreuungsgeld mehr ausbezahlt. Anders sieht es aus, wenn der erwerbslose Elternteil bereits gearbeitet hat und in Karenz ist. Wenn in dieser Zeit ein zweites Kind geboren wird, bleibt in dieser Zeit der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bestehen.

ÖGK zur Grenzgängerproblematik

Unter Vorarlbergs Grenzgängern herrscht Unsicherheit. In den vergangenen Tagen haben Bericht e die Runde gemacht, wonach ihnen das Kinderbetreuungsgeld gestrichen wird. Ausgangspunkt ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs zu einem speziellen Fall. Die Sache ist ingesamt kompliziert – grundsätzlich können Grenzgänger aber durchatmen.

Telefone bei der Arbeiterkammer liefen heiß

Bei der Arbeiterkammer liefen die Telefone in den letzten Tagen heiß, weil viele Grenzgängerinnen und Grenzgänger fürchteten, kein Kinderbetreuungsgeld mehr zu bekommen. „Die Leute waren in recht heller Aufregung aufgrund des Berichtes, der so gestaltet war, dass der Anschein entstanden ist, dass jeder Auslandsbezug, jede Auslandstätigkeit ein Problem für Kinderbetreuungsgeld darstellt, was allerdings nicht so ist“, erzählt Andreas Nussbaumer, Referent für Frauen und Familie bei der Arbeiterkammer.

„Teilweise war es so, dass wirklich Überlegungen angestellt wurden, die Dienstverhältnisse kurzfristig nach Österreich zu verlegen, ungeachtet, ob wirklich ein Problem entsteht, sodass man wirklich den Eindruck gehabt hat, da entsteht jetzt Panik und man versucht, das Ganze noch zu retten, obwohl eigentlich vom Sachverhalt her alles klar wäre“, meint Nussbaumer.

Bis zu 15 Klagen bei der Arbeiterkammer offen

Die Arbeiterkammer geht davon aus, dass derzeit etwa zehn bis 15 Klagen bezüglich der Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds offen sind. „Wobei ich glaube, dass noch deutlich mehr dazukommen, weil einige unserer Mitglieder bereits auf Bescheide warten, denen von den Krankenversicherungsträgern mitgeteilt wurde, dass sie keinen Anspruch haben und ein negativer Bescheid ergehen wird“, vermutet Nussbaumer.

Regelungen fußen auf OGH-Urteil

Das Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien verweist bezüglich der Auszahlung des Kinderbetreuungsgelds für Grenzgängerinnen und Grenzgänger auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Vorjahr. Demnach darf Grenzgängerinnen und Grenzgängern in gewissen Fällen kein Kinderbetreuungsgeld mehr ausbezahlt werden. „An die Entscheidung des OGH ist das Familienministerium gebunden und es gibt bei der Auslegung keinerlei Ermessensspielraum“, heißt es vonseiten des Ministeriums in einer schriftlichen Stellungnahme.

Wallner sieht wenig Spielraum

Das Land Vorarlberg habe bereits Kontakt mit dem Familienministerium aufgenommen. Allerdings betont auch Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), dass es derzeit wenig Spielraum gebe. „Die Antwort war bisher: ‚Es braucht eine genauere Prüfung, es schaut aber nicht so gut aus im Moment.‘. Das heißt, wir stehen derzeit etwas unbefriedigt in der Situation, dass dieses OGH-Urteil unmittelbar anzuwenden ist“, sagt er.

„Eine Lösung von heute auf morgen sehe ich derzeit nicht“, bedauert Wallner. Er ist der Meinung, dass man sich die rechtliche Situation gemeinsam mit dem Grenzgängerverband genau anschauen müsse. „Dort sind Lösungswege aufgezeigt worden, die man mit dem Ministerium diskutieren muss, ob das auch geht. Aber ich kann natürlich jetzt nicht ad personam OGH-Urteile außer Kraft setzen“, meint Wallner.

FPÖ will parlamentarische Anfrage stellen

Für FPÖ-Familiensprecherin Rosa Ecker ist die Weisung von Familienministerin Susanne Raab von der ÖVP rechtswidrig. „Wenn das Familienministerium eine Weisung herausgibt, dass die Österreichische Gesundheitskasse das Kinderbetreuungsgeld nicht auszahlen darf und es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, sondern ein Urteil, das ganz klar feststellt, dass diese Leistung zusteht, dann ist das Willkür“, meint Ecker.

Die FPÖ will dazu eine parlamentarische Anfrage an die Familienministerin stellen. Denn die Weisung könne für Betroffene existenzgefährdend sein. „Wenn das Kinderbetreuungsgeld auf einmal wegfällt, ohne Vorankündigung. Und ich muss mich und mein Kind selbst krankenversichern. Das verursacht Kosten, ohne dass es ein Einkommen gibt“, sagt Ecker weiter.