Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild Brachvogel-Küken.
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Tiere

Zahl der Wiesenbrüter steigt wieder

Die Riedflächen im Vorarlberger Rheintal zählen zu den wichtigsten Schutzort Österreichs für Wiesenbrüter wie Kiebitz, Großer Brachvogel, Braunkehlchen und Bekassine. Gemeinsam mit Naturschutzorganisationen startete das Land Vorarlberg 2006 Bemühungen, die Brutgebiete aufzuwerten und besser zu schützen – was je nach Art inzwischen Erfolge zeigt.

Die Bodenbrüter waren einst typisch für das Rheintal, heute steht es schlecht um sie. Die braun-weiß gefiederte Bekassine und der bis zu 60 Zentimeter messende Große Brachvogel stochern mit langen Schnäbeln in Feuchtwiesen nach Schnecken und Würmern. Der schwarz-weiße Kiebitz und das Braunkehlchen, Österreichs „Vogel des Jahres 2023“, sind im „Farmland Bird Index“ als Indikatorarten definiert, die Rückschlüsse auf den ökologischen Zustand ihres Lebensraums zulassen. Die Zahlen darin sprechen für sich: Die Kiebitz-Bestände sind in Österreich seit 1998 um 57 Prozent eingebrochen, jene des Braunkehlchens sogar um 63 Prozent.

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Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild ein Kiebitz.
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Kiebitz
Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild ein Kiebitz-Kücken im Auer Ried.
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Kiebitz-Küken im Auer Ried
Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild Brachvogel-Küken.
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Brachvogel-Küken
Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild Brachvögel.
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Brachvögel
Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild ein Braunkehlchen
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Österreichs „Vogel des Jahres 2023“: das Braunkehlchen
Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild ein Grabenstau.
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Ein Grabenstau
Bemühungen um den Wiesenbrüterschutz im Vorarlberger Rheintal: Im Bild Grabenaufweitung im Auer-Ried.
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Grabenaufweitung im Auer Ried.

Die in der Klimakrise zunehmende Bodentrockenheit, Intensivlandwirtschaft, Verbuschung, Insektensterben und Lichtverschmutzung setzen den Wiesenbrütern seit Jahrzehnten zu. Stress durch frei laufende Hunde, die Vermehrung von Fressfeinden und häufigere Extremwetterlagen im Frühjahr verringern zudem den Bruterfolg, den geschwächte Populationen in Folgejahren nicht ausgleichen können.

„Situation für Wiesenbrüter ziemlich bedenklich“

„Die Situation in Österreich für Vögel ist grundsätzlich zunehmend schlecht, für die Wiesenbrüter ist sie ziemlich bedenklich“, so Landesleiterin Johanna Kronberger von BirdLife Vorarlberg. Die NGO ist mit der Aktualisierung der vom Vorarlberger Naturdokumentationszentrum inatura mit Landesgeldern finanzierten Roten Liste der Brutvögel betraut. Es brauche ein Umdenken bei der Landbewirtschaftung, so Kronberger. Und es gebe deutlich mehr Potenzial beim Erhalt von Feucht- und Magerwiesen: „Alles, was getan wird, ist gut und wichtig, aber es müsste mehr passieren.“

Bereits seit 1999 unterstützt das Land den Naturschutzbund und weitere Partner beim Artenschutz, seit 2006 im Rahmen des Projekts „Wiesenbrüterschutz“. Regulierbare Stauungen in Riedgräben sollen den Wasserhaushalt von 50 Hektar Wiesen verbessern. Es entstanden Abflachungen an Gräben, Gehölze wurden gerodet, die Bodennutzung extensiviert und Kleingewässer geschaffen. Laut Bianca Burtscher vom Naturschutzbund steht man außerdem intensiv im Gespräch mit der Landwirtschaft, die man als Partner begreift: Naturschützer markieren die Gelege, die von rücksichtsvollen Bauern bei der Bestellung ausgespart werden. Landwirte säen später aus oder erhalten über den Naturschutzfonds einen Ausgleich für nicht bebaute „Kiebitz-Äcker“.

Schwerpunktbejagung in den Brutgebieten

Zudem stellten die Gemeinden Flächen zur Verfügung. So entstand 2021 ein zweites Feuchtbiotop als Kinderstube für Wiesenbrüter, eine vier Hektar große Fläche im Europaschutzgebiet „Nördliches Schweizer Ried“ umgeben von schützenden Wassergräben. Um Fuchs, Dachs und Marder im Zaum zu halten – 88 Prozent der Gelegeverluste passieren laut Thermologger-Untersuchungen in der Dunkelheit – unternimmt die Jägerschaft eine Schwerpunktbejagung in den Brutgebieten.

Kleine Erfolge bei den Brachvögeln

Die Maßnahmen verlangsamen den Schwund der Riedvögel zwar, halten ihn bisher aber nur teilweise auf. Vom zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreiteten Großen Brachvogel gab es 2022 in Vorarlberg nur noch elf Brutpaare, deren kostbare Gelege heute mit Elektrozäunen vor Räubern geschützt werden. Hier zählen selbst kleine Erfolge: 2022 war das vierte Jahr in Folge, dass junge Brachvögel – diesmal sogar sechs Küken – das flugfähige Alter erreichten. „Das ist besonders erfreulich. Wir kämpfen wirklich um jeden Vogel, stehen aber mit dem Rücken zur Wand“, so Burtscher. Dabei trage Vorarlberg für diese Art eine über das Land hinausreichende Verantwortung, denn die Brutvorkommen im unteren Rheintal seien die einzig verbliebenen im Bodenseeraum. So brüte der Brachvogel in der Schweiz seit etwa 15 Jahren nicht mehr.

Bei den Bekassinen wurden in den 1980er-Jahren in Vorarlberg noch 60 Brutpaare registriert, seit mehreren Jahren ist die Bekassine nur mehr Nahrungsgast auf dem Vogelzug. „Der Hauptknackpunkt bei Brachvogel und Bekassine ist der Wasserhaushalt. Beide Arten brauchen weite, gut überschaubare Streuwiesen mit hohem Grundwasserspiegel“, erklärt Burtscher. Inzwischen seien seit Jahren auch aufgrund des Klimawandels niedrigere Grundwasserspiegel zu beobachten, die Brutgebiete waren früher deutlich feuchter.

Wieder mehr Braunkehlchen und Kiebitze

„Unsere Landschaften haben sich insgesamt stark verändert. Für spezialisierte Arten ist das besonders schwierig“, so die Expertin. Das laufende Projekt zur Wiedervernässung mit regulierbaren Stauungen als Kompromiss mit der Landwirtschaft bedeute eine Chance für diese Vogelarten. In Deutschland habe man dabei gute Erfahrungen gemacht. „Wir hoffen, dass das Schule macht“, so Burtscher.

Neben Hoffnung gibt es auch nachweisliche Fortschritte: Lag der Braunkehlchen-Bestand laut Naturschutzbund 2017 bei geschätzten 200 Brutpaaren in Vorarlberg, so waren es im Jahr 2020 bereits wieder 260. Laut Burtscher zeigt hier der betriebene Aufwand Früchte: In der benachbarten Schweiz seien die Bestände dieser Art deutlich geringer. Beim Kiebitz sieht es ebenfalls wieder besser aus, so wurden 2022 in Vorarlberg 71 Brutpaare gezählt. Der Bruterfolg dürfte für die Bestandserhaltung damit wieder ausreichend sein. Generell gilt laut Burtscher: „Eine Population zu erhalten ist leichter, als eine wieder anzusiedeln.“