Der Bodensee könnte bald auch Energie zum Heizen und Kühlen der Anrainergemeinden liefern. Davon ist Energielandesrat Zadra überzeugt. Zur Erreichung der Energieautonomie sei es erforderlich, alle ökologisch nachhaltig verfügbaren erneuerbaren Energiequellen zu erschließen. „Dazu gehört neben Wind, Sonne und Wasserkraft auch das Wasser des Bodensees selbst, das einen riesigen Wärmespeicher darstellt“, sagte Zadra.
Energie aus dem Bodensee gewinnen
Das Land Vorarlberg hat mit Bregenz, Hard und Lochau eine Untersuchung in Auftrag gegeben, ob und wie diese Gemeinden ihre Wärmeversorgung und Kühlung im Sommer mit Energie aus dem Bodensee realisieren könnten. Das gab Energielandesrat Daniel Zadra (Grüne) am Donnerstag bei einem Pressegespräch auf dem Bregenzer Molo bekannt.
Die Umstellung der gesamten Wärmeversorgung in Haushalten, in Dienstleistungsbetrieben, in Gewerbe und Industrie sei eine große Herausforderung. Innerhalb der Lebensdauer eines Heizkessels müssten sämtliche Zehntausenden Gas- und Ölheizungen durch Systeme auf Basis erneuerbarer Energieträger ersetzt werden, so Zadra.
„Im Rahmen der Studie sollen mögliche Versorgungsgebiete konkret identifiziert werden, ebenso mögliche Standorte für die Stationen zur Wasserentnahme und Rückspeisung sowie ein Grundkonzept eines zugehörigen Fernwärmesystems“, erklärte der Energielandesrat. Das Ergebnis soll bis Ende des Jahres vorliegen.
„Seethermie“ hat großes Potenzial
„Der Bodensee hat ein großes Potenzial zur Wärmenutzung im Winter, da die Bodenseetemperatur in der Tiefe immer über vier Grad Celsius liegt“, erläuterte Ulrich Lang von der Ingenieurgesellschaft Prof. Kobus und Partner. Dieses Wasser aus 20 bis 40 Metern kann genutzt werden, um durch Wärmepumpen ca. zwei Grad zu entziehen und daraus die Haushalte mit Wärme zu versorgen.
Der Bodensee sei aber auch eine einzigartige Wasserressource, die es zu schützen gelte, teilte das Land mit. Deshalb hat die Internationale Gewässerschutzkommission (IGKB) für den Bodensee Regeln aufgestellt, wie das Bodenseewasser zu entnehmen und thermisch verändert wieder zurückzugeben ist.
Leitungen fördern Wasser aus der Tiefe
Für die zukünftige Wärmenutzung müssen an mehreren Stellen vom Ufer in den See Entnahme- und Rückgabeleitungen gelegt werden, erklärten die anwesenden Fachleute beim Pressegespräch. Die Leitungen werden einen Durchmesser von etwa einem Meter haben und mehrere hundert Meter in den See hineinreichen.
„Die Studie wird aufzeigen, welche Technologie in den verschiedenen Gebieten der Gemeinden zum Einsatz kommen soll, wobei auch wirtschaftliche Faktoren mit einfließen werden“, betonte Markus Frei, Geschäftsführer PB Ingenieure für Energie- und Gebäudetechnik. Mit der Umstellung der Wärmenutzung aus dem Bodensee für das Festspielhaus und das Schwimmbad haben die Stadtwerke Bregenz ein paralleles Projekt bereits begonnen.
Wärmeverbrauch der Gemeinden muss berechnet werden
Im Team ist auch das Energieinstitut Vorarlberg, das die wichtige Aufgabe hat, mit einschlägigen wissenschaftlichen Methoden den Wärmeverbrauch der Gemeinden zu berechnen. „Diese sind ja die Grundlage für die Dimensionierung des ganzen Versorgungssystems“, sagte Richard Büchele vom Energieinstitut. Grob geschätzt geht es bei den drei Gemeinden um einen Wärmeverbrauch von rund 500 GWh pro Jahr.
Riesiges Energiereservoir
Laut IGKB ist die gespeicherte Menge an thermischer Energie im Bodensee so groß, dass sich die Oberfläche nur 0,2 Grad abkühlen würde, falls alle Einwohnerinnen und Einwohner rund um den See mit Wärme aus ihm versorgt würden. Der Bodensee sei also ein gigantisches Reservoir für klimaschonende Heiz- und Kühlenergie.
Konkrete Erfahrungen rund um den See
Es gibt bereits konkrete Erfahrungen mit der „Seethermie“ aus dem Bodensee. Die Universität Konstanz zum Beispiel nutzt diese Quelle seit vielen Jahren für die Kühlung eines Rechenzentrums. Auch das Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen sowie das Forum Würth in Rorschach verwenden die „Seethermie“. Die IGKB listete bereits 2018 insgesamt 20 Anlagen auf, die Bodenseewasser zur Erzeugung von Wärme oder zum Kühlen nutzen.
Teilnehmende Gemeinden hoffen auf Lösungen
„Die Seewassernutzung zapft den großen Energiespeicher an, den wir vor der Haustür haben, den Bodensee. Die Potenzialanalyse hilft uns, den Schatz, den wir mit dem See haben, zu heben“, sagte der Bregenzer Stadtrat Heribert Hehle (Grüne).
Die Abwärme aus der größten Abwasserreinigungsanlage des Landes in Hard und der Aufbau einer Seewassernutzungsanlage für die Nahwärme Hard seien wohl die zwei vielversprechendsten Zukunftsmodelle, betonte der Harder Bürgermeister Martin Staudinger (SPÖ).
„In Lochau wohnen dicht am Ufer über 1.000 Personen in Siedlungshäusern aus den 70er Jahren, in denen das Heizsystem in naher Zukunft erneuert werden muss. Als naheliegende, ökologische, sichere und kostengünstige Energiequelle bietet sich dazu der Bodensee an“, führte die Lochauer Gemeinderätin Judith Wellmann (Grüne) aus.