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MUI/D. Bullock
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Gesundheit

Herz- und Lungenversagen: Neue Therapie rettet Leben

Vor über einem Jahr hat ein Feldkircher Ärzteteam damit begonnen, die Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) erstmals in Vorarlberg auch systematisch anzuwenden. Die Therapie mittels Herzlungenmaschine stellt eine vorübergehende Versorgung der Organe mit sauerstoffreichem Blut sicher. Bei zwölf Patienten konnte die ECMO bereits erfolgreich eingesetzt werden, sechs Patienten haben nur dank der Therapie ein schweres gesundheitliches Ereignis überlebt.

Bei Patientinnen und Patienten mit lebensbedrohlichem akutem Herz- und/oder Lungenversagen kann nach Ausschluss von Kontraindikationen eine ECMO implantiert werden. Dabei wird das Blut der Patienten außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert, von Kohlendioxid bereinigt und wieder in den Körper und den Blutkreislauf gepumpt. Dafür werden große Kanülen eingesetzt, die durch die Haut am Hals und/oder in den Leisten in zentrale Gefäße, also große Arterien und Venen, gelegt werden.

Lebensnotwendige Hilfe bei Herz- und Lungenversagen

„Unter Ultraschallkontrolle werden zunächst Drähte in die Gefäße eingebracht und die Zugangswege so weit eröffnet, dass darüber die bis zu ein Zentimeter großen Kanülen eingesetzt werden können. Über diese Katheter werden während der Therapie mehrere Liter Blut pro Minute gepumpt“, erklärt Oberarzt Harald Rinösl. Der Anästhesist leitet das interdisziplinäre ärztliche und pflegerische Team am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch, das die ECMO-Therapie anbietet.

„Das Blut wird vor dem Herzen aus dem Körper abgesaugt. Je nachdem, in welches Gefäß wir das Blut zurückpumpen, können wir speziell Patienten mit Lungenversagen, mit Herzversagen oder mit einem kombinierten Herz- und Lungenversagen optimal helfen. Es können damit die Funktionen von Herz und Lunge teilweise oder sogar komplett ersetzt werden“, so Rinösl. Je nach Krankheitsbild ist diese Therapie über einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu vielen Wochen nötig, bis sich das Herz bzw. die Lunge wieder erholt haben.

International vernetzt und geschult

Nicht nur der eigentliche Einsatz der ECMO ist sehr aufwendig. Bereits die Entscheidung selbst, ob einer Patientin oder einem Patienten mit einer Herzlungenmaschine geholfen werden kann, und wenn ja, welche Art der Anwendung am besten hilft, setzt spezialisiertes Fachwissen voraus. Sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei dieser Therapie im Einsatz sind, sind entsprechend geschult.

Harald Rinösl selbst hat sechs Jahre am AKH Wien als Herzanästhesist gearbeitet. Auch sein ärztliches Team, mit dem er gemeinsam seit Februar 2022 rund um die Uhr für Notfälle zur Verfügung steht, hat viel Erfahrung in diesem Bereich und zudem auch an herzanästhesiologischen Kliniken außerhalb Vorarlbergs gearbeitet. Zudem wurden 15 Intensivpflegekräfte dafür fachlich aufgebaut.

Bedarf war bereits im ersten Jahr groß

Die ECMO kommt bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen zum Einsatz, wenn ein komplettes Lungen- oder Herzversagen vorliegt. ECMO-Therapien für Neugeborene werden in Österreich ausschließlich im AKH Wien und dem AKH Linz angeboten. Zu den Krankheitsbildern zählen unter anderem Lungenversagen bei Infektionen, Herzversagen nach akutem Herzinfarkt und schwerste Hypothermie – etwa nach Lawinenunfällen. Bereits im ersten Jahr konnte die Fachgruppe zeigen, dass die ECMO-Therapie in Vorarlberg sicher und erfolgreich angewendet werden kann. Der Bedarf war groß. „Wir konnten Menschenleben retten“, betont Harald Rinösl.

Erster Fall: Fünfjährige kann mittlerweile wieder Skifahren

„Gleich in der ersten Woche nach dem Start des Programms hat uns eine ganz besondere Patientin vor eine große Herausforderung gestellt: Das ECMO-Team wurde zu einer fünfjährigen Patientin gerufen, die aufgrund einer Herzmuskelentzündung einen Kreislaufstillstand erlitten hatte. Die ECMO konnte erfolgreich implantiert und die Patientin damit stabilisiert werden. Sie wurde an der Uniklinik Innsbruck gemeinsam mit einem Spezialisten aus dem AKH Wien weiterbetreut und hat sich sehr gut von ihrer Erkrankung erholt“, erklärt Rinösl. Das Mädchen geht mittlerweile wieder ganz normal in die Schule und konnte im Winter sogar an einem Skikurs teilnehmen.

Rund um die Uhr bereit für den Fall der Fälle

Das Einsatzspektrum der ECMO war bereits im ersten Jahr sehr breit. In der Hälfte der Fälle wurde die Herzlungenmaschine bei Patienten im Kreislaufstillstand angewendet. „Andere Patienten wiederum litten an Herzerkrankungen – unter anderem Herzinfarkt oder Herzmuskelentzündung – oder waren schwer unterkühlt oder litten an Intoxikationen, also Vergiftungen. Wieder andere kämpften aus verschiedenen Gründen mit einem Lungenversagen – unter anderem aufgrund von Entzündungen, einem Lungenödem oder nicht stillbaren Lungenblutungen.“

Da derartige Ereignisse meist nur schwer oder gar nicht vorhersehbar sind, muss das ECMO-Team rund um die Uhr abrufbar sein. „Vor allem bei Patienten im Kreislaufstillstand nimmt mit jeder gewonnenen Minute die Überlebenschance zu.“ In der Akutphase werden die Patienten von bis zu 15 Fachpersonen betreut, die schnell verfügbar sein müssen.

Interdisziplinäre und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit

Dabei wird nicht nur berufsgruppenübergreifend, sondern auch interdisziplinär und abteilungsübergreifend zusammengearbeitet. Mit im Boot sind neben den Fachleuten der Anästhesie und Intensivmedizin auch ausgewiesene Experten für das Gefäßsystem, eigens geschulte Gefäßchirurgen und Herzspezialisten.

Das Feldkircher ECMO-Team arbeitet zudem eng mit den Fachkollegen der Universitätsklinik Innsbruck zusammen. In der initialen Aufbauphase hat diese eingespielte Organisationsstruktur dafür gesorgt, dass Patienten nach dem Einsetzen der ECMO und der primären Stabilisierung am LKH Feldkirch von Beginn an routinemäßig zur langfristigen Therapie an die Universitätsklinik in Innsbruck überstellt werden können.