Im 20. Jahrhundert war das Fotohaus Hiller in Bezau im Bregenzerwald eine bedeutende Adresse für professionelle Fotografie. Über viele Jahre hinweg war es das einzige Geschäft in der Region, das fotografische Dienstleistungen aller Art anbot. Von Ereignissen wie Erstkommunionen, militärischen Einberufungen und Hochzeiten bis hin zu Totenbetten deckte das Studio das gesamte Spektrum der fotografischen Erinnerungen ab.
Zwischen 1922 und 1995 entstand dort ein einzigartiges Archiv mit etwa 100.000 Fotografien. Dieses Archiv dokumentiert nicht nur die Erfolgsgeschichte der Fotografen-Dynastie Hiller, sondern repräsentiert auch das visuelle Gedächtnis des Bregenzerwaldes.
Fotos von der Front
Der Gründer der Hiller-Dynastie war Johann Kaspar Hiller, der 1887 in Reuthe nahe Bezau geboren wurde. Er wurde mit vielfältigem künstlerischem Talent gesegnet und erhielt eine Ausbildung zum Bildhauer im Allgäu. Um 1910 begann er gleichzeitig in den Bereichen Malerei, Bildhauerei und Fotografie zu experimentieren.
Während des Ersten Weltkriegs diente er als Soldat und nahm sogar seine Kamera mit an die italienische Front, wo er bemerkenswerte Fotos aufnahm. Nach seiner Heirat im Jahr 1922 konzentrierte er sich vollständig auf die Fotografie und richtete ein eigenes Studio im Haus seiner Schwiegereltern in Bezau ein. Bald kamen Menschen aus dem gesamten Bregenzerwald nach Bezau, um sich bei Hiller porträtieren zu lassen.
Fotoausstellung im Vorarlberg Museum
Kaum jemand braucht noch einen Fotografen. Früher war das noch ganz anders. Hochzeit, Taufe, Geburtstag oder Firmung – ohne einen Fotografen gab es keine Bilder. Das zeigt jetzt eine neue Fotoausstellung im vorarlberg museum.
Tourismus belebte Postkartengeschäft
In den 1930er Jahren erlebte das Fotografengeschäft aufgrund des aufkommenden Fremdenverkehrs einen Aufschwung, insbesondere im Postkartengeschäft. Es kam vor, dass Gasthäuser und Hotels Tausende von Abzügen von Hillers Postkarten bestellten. Der Zweite Weltkrieg und damit verbundene Schicksalsschläge gefährdeten jedoch das florierende Geschäft.
Johann Kaspar Hiller sen. wurde 1944 zum Volkssturm eingezogen und später von den Nationalsozialisten verhaftet. Er starb 1946 in Seefeld als gebrochener Mann. Sein Sohn Rudolf, der ebenfalls im Krieg diente, starb mit 19 Jahren. Nach Rudolfs Tod führte Kaspar Hiller jun. den Betrieb für zwölf Jahre, bevor er 1958 im jungen Alter an einem Herzinfarkt verstarb.
Hedwig Hiller übernahm von einem auf den anderen Tag
An dieser Stelle tritt die bemerkenswerte Geschichte von Hedwig Hiller in den Vordergrund. Nach dem plötzlichen Tod ihres Bruders übernahm sie von einem Tag auf den anderen die Leitung des Fotohauses. Sogar am Tag nach dem Tod ihres Bruders kamen 70 Erstkommunikanten zu Hillers, um sich fotografieren zu lassen, während ihr Bruder noch im Haus aufgebahrt war.
Hedwig Hiller war in der Lage, alle bestehenden Herausforderungen zu bewältigen und das Geschäft erfolgreich weiterzuführen. Sie verfügte über praktische Erfahrungen, die sie seit ihrer Kindheit gesammelt hatte.
Schenkung der Familie Hiller-Berchtel
Die Ausstellung „Hiller. Das fotografische Gedächtnis des Bregenzerwalds“ im vorarlberg museum geht auf eine Schenkung der Familie Hiller-Berchtel zurück, die dem Bregenzerwald Archiv den gesamten Negativ-Nachlass schenkte. In Zusammenarbeit mit der Vorarlberger Landesbibliothek und dem vorarlberg museum wurde der 100.000 Fotos umfassende Bestand aufgearbeitet und digitalisiert.
„Mir gefällt besonders, dass es eine Ausstellung ist, die die Menschen zeigt“, sagt Museumsdirektor Andreas Rudigier und lobte die große Initiative der Kooperationspartner und der Familie.
„Einzigartiger Schatz“
Katrin Netter, Leiterin des Bregenzerwald Archiv, berichtete über hunderte Arbeitsstunden, bis der Bestand für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. So wurden tausende Originalglasplatten, mehrere hundert Landschaftsaufnahmen und mehrere tausend Studioporträts für die Digitalisierung vorbereitet.
Netter sprach von einem „einzigartigen Schatz“, denn die Fotografenfamilie habe die abgebildeten Personen, Daten und Orte akribisch aufgezeichnet, was es in Zusammenarbeit mit Ortschronisten ermöglichte, den Lebenszyklus von Personen nachzuvollziehen.
Fotoportal „volare“
Fast 4.000 Fotos aus der Sammlung finden zudem Eingang in das rund 300.000 Aufnahmen umfassende Fotoportal „volare“ der Vorarlberger Landesbibliothek, das im vergangenen Jahr fast eine Mio. Zugriffe verzeichnete, wie Leiter Thomas Feurstein berichtete.
Dem Bregenzerwald ein Bild gegeben
Für die Ausstellung trug der in Paris lebende Vorarlberger Fotograf und Künstler Arno Gisinger rund 6.000 Bilder aus der Sammlung zusammen. Die Fotografenfamilie Hiller habe nicht nur die Geschichte des Tals dokumentiert und eine soziale Aufgabe erfüllt, sondern auch das touristische Bild des Bregenzerwalds und seiner Lebenswelt durch die fotografische Konstruktion von Wirklichkeit geprägt.
„Sie gaben dem Bregenzerwald ein Bild“, so Gisinger. Darüber hinaus lade die Schau ein, über seinen Umgang mit Handyfotos nachzudenken. Über Handystationen kann man sich selbst im Studio Hiller inszenieren. Zu sehen ist die Schau bis April 2025.