Tierärztin an großem Tier
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Landwirtschaft

Vorarlberg steht ein Tierärzte-Mangel bevor

In Vorarlberg werden demnächst Tierärztinnen und Tierärzte fehlen. In ein paar Jahren gehen viele Ältere in Pension und die Jungen sind oft nicht mehr bereit, mit dem selben Arbeitspensum weiterzumachen. Das wird vor allem im Nutztierbereich zum Problem, denn dann fehlt den Tieren auf den Bauernhöfen die ärztliche Betreuung.

Seit geraumer Zeit schlagen die Tierärztinnen und Tierärzte in ganz Österreich Alarm: Das Arbeitspensum sei nicht mehr zu stemmen, viele fast 60 Jahre alte Ärztinnen und Ärzte arbeiten im Schnitt 80 Stunden die Woche. In fünf Jahren steht eine Pensionswelle an. Dann gehen viele Tierärzte in den Ruhestand, die jungen Veterinär-Medizinerinnen und -Mediziner wollen hingegen andere Arbeitsverhältnisse, einen geregelten Job, freie Wochenenden.

An der Vetmed Uni Wien schaffen im Schnitt 200 Studenten das rigorose Aufnahmeverfahren, 150 beenden das Studium, aber nur 80 davon gehen dann tatsächlich in eine tierärztliche Praxis. Vor allem im Nutztierbereich wird es laut Simulationsforschern in den nächsten fünf Jahren zu einem eklatanten Mangel kommen.

Ein Arbeitspensum, dass sich viele nicht antun wollen

„Ich glaube, dass die jungen Leute diese Arbeitsbelastung einfach nicht mehr aushalten", sagt Bernhard Kieber, der einzige Großtierarzt im Montafon: "Wir halten es schon kaum aus und die junge Generation, glaube ich, schon gar nicht. Die wollen das nicht mehr.“ Und Großbauer Christof Borg aus Nenzing meint: „Weil es natürlich bei den Großtieren auch ein Job ist, der vom Zeitaufwand intensiver ist. Da gibt es keine Ordinationszeiten, sondern wenn etwas ist, müssen die da sein und das tun sich halt viele nicht an.“ Das bestätigt die 26-jährige Tierärztin Alina Scheidbach: „Man muss einfach 24/7 erreichbar, man hat keine geregelten Arbeitszeiten und die Entlohnung ist halt auch nicht so, dass ich sage: Okay. Es gibt was Besseres, blöd gesagt.“

Tierärztemangel steht bevor

In ein paar Jahren werden viele ältere Tierärztinnen und Tierärzte in Pension gehen. Viele Jüngere sind nicht bereit, unter den vorherrschenden Bedingungen zu arbeiten. Das wird vor allem im Nutztierbereich zum Problem.

Pensionierungen sind kaum zu ersetzen

Der 62-jährige Michael Summer ist Tierarzt in dritter Generation: “Wir haben ja eigentlich bis jetzt alle Pensionierungen geschluckt. Also es ist niemand Neuer gekommen, sondern die Kundschaft der Kollegen, die in Pension gegangen sind, hat sich auf die umliegenden Kollegen aufgeteilt.“ Auf die Dauer lässt sich das nicht machen. Im Gegenteil, meint Robert Griss, der Präsident der Vorarlberger Tierärztekammer: „Wir wissen durch Studien, dass wenn so ein Tierarzt wie wir jetzt aufhört, braucht es eigentlich drei Tierärzte, die das vom Arbeitspensum abdecken können. Und das wird sich einfach nicht ausgehen.“

Kaum jemand will in den Nutztierbereich

Aktuell sind 75 Prozent der Veterinär-Studierenden weiblich. Im Nutztier-Bereich praktizieren schlussendlich aber nur 30 Prozent Frauen. „Sie überlegen es sich halt auch gut, weil sie einfach sehen: Okay, wie ist der Markt und was für Zukunftsaussichten habe ich", berichtet Tierärztin Alina Scheidbach: "Und da muss man einfach sagen, dass andere Branchen attraktiver sind.“

Studien-Aufnahme müsste geändert werden

„Kurzfristig wird man wahrscheinlich das Regime der Studenten-Aufnahme ändern müssen", meint Biobauer Elmar Weissenbach aus Götzis: "Das heißt, es darf durchaus Plätze für jedes Bundesland für Großtierärzte geben. Und die verpflichten sich vorab vor dem Studium dafür, dass sie zehn Jahre Großtier- Praxis machen.“

Kleintierpraxis
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Der Kleintierbereich ist von den Arbeitszeiten und den Verdienstmöglichkeiten attraktiver, meinen viele Veterinärmedizinerinnen und -mediziner.

Medizinische Selbstversorgung wäre problematisch

Laut Simulationsforschern werden in fünf Jahren bundesweit mehr als 100 Tierärzte fehlen. Dies ist in Relation zu den derzeit 700 tätigen Nutztier-Praktizierenden eine sehr hohe Zahl. Eine flächendeckende Versorgung wird vor allem in den abgelegenen Regionen nicht mehr rund um die Uhr möglich sein. Schlimmstenfalls müsste der Landwirt seinem kranken Tier in Eigenregie helfen. „Das wäre ein ganz großes Problem", meint der Präsident der Vorarlberger Tierärztekammer: "Denken Sie z.B. ans Thema Antibiotika – dann verlieren wir den Überblick. Wo gehen sie hin, welches Tier wurde behandelt und welches nicht?“

Lebensmittelsicherheit steht auf dem Spiel

Das Tierwohl, die Aufrechterhaltung von kleinbäuerlichen Strukturen und die Lebensmittelqualität stehen also auf dem Spiel. „Jedes Lebensmittel tierischer Herkunft, vor allem Fleisch, geht lückenlos durch die Hände von einem Tierarzt", erklärt Tierärztekammerpräsident Griss: "Weil erst wenn der Tierarzt den Stempel drauf gibt, ist es ein Lebensmittel – vorher nicht.“

Ein Drittel seiner Arbeitszeit verbringt Tierarzt Oskar Sutterlüty nicht mit der Versorgung von kranken Tieren, sondern mit der Fleischbeschau. Diese dürfe aber auch in Zukunft nicht vernachlässigt werden: „Weil vor allem auch der Aspekt des Tierschutzes ein sehr, sehr wichtiger ist. Und gerade diesen können wahrscheinlich nur wir Tierärzte entsprechend wahrnehmen.“

Salzburg geht mit erstem Beispiel voran

Die Politik ist gefragt, heißt es von Seiten der Tierärzte-Kammer. Diese ist allerdings erst in Salzburg tatsächlich aktiv geworden. Hier werden Wochenend- und Feiertags-Dienste vom Land unterstützt. Dafür steht jährlich eine Million Euro zur Verfügung. Das Ziel wären Gemeinschaftspraxen, die eine Fünf-Tage-Woche und die vielzitierte Work-Life-Balance garantieren, heißt es vom Bund.

Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger sagt dazu: „Dass Tierärzte einerseits eine finanziell wirtschaftliche Grundlage erhalten, indem sie ein Betreuungsmanagement am landwirtschaftlichen Betrieb, damit auch letztendlich in der Vorsorge aktiver unterwegs sind und hier die öffentliche Hand auch eine Grundfinanzierung bietet.“ Noch ist allerdings keine konkrete Idee am Tisch, um den eklatanten Tierärzte Mangel in den Griff zu bekommen.