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ORF Vorarlberg
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Politik

Wohnungsmarkt: Diagnose klar, Behandlung nicht

In den vergangenen Jahren sind weniger gemeinnützige Wohnungen gebaut worden als zuvor. Im Vorjahr waren es nicht einmal mehr 400 Stück. Die Grünen forderten im Landtag 1.000 Sozialwohnungen pro Jahr – und stießen beim Koalitionspartner ÖVP und bei den gemeinnützigen Wohnbauträgern selbst auf Unverständnis.

Der Befund ist für alle Landtagsparteien eindeutig: Wohnen in Vorarlberg ist sehr teuer. Welche Medizin dem kränkelnden Wohnungsmarkt verabreicht werden soll, ist allerdings strittig. Sogar innerhalb der Koalition, obwohl ÖVP und Grüne im gemeinsamen Regierungsprogramm den Medikamentenmix schon vereinbart hatten. Eines davon: Die Zahl der gemeinnützigen Wohnungen soll zwischen den Jahren 2019 und 2024 um 4.000 Stück anwachsen. Doch dieses Ziel ist in weite Ferne gerückt. Die Grünen haben die Aktuelle Stunde im Landtag dazu genützt, diesen Umstand dem Koalitionspartner vorzuwerfen.

Grüne Attacken …

Zunächst tut das die grüne Klubobfrau Eva Hammerer: „In den Jahren 2023 und 2024 sind insgesamt 690 Wohnungen geplant. Das ist mir viel zu wenig. Wir brauchen ein politisches Bekenntnis im Land, dass sich die Menschen in Vorarlberg das Wohnen wieder leisten können.“ 1.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr sollen her. Der grüne Abgeordnete Christoph Metzler setzt nach: „Leider ist Sand im Getriebe. Die Zahl erhöht sich nur schleppend.“ Dem landeseigenen gemeinnützigen Wohnbauer Vogewosi stünden 150.000 Quadratmeter zur Verfügung. „Ich habe den Bremsklotz nicht gefunden, der dazu führt, dass diese Grundstücke nicht genutzt werden“, fährt Metzler fort.

… Schwarzer Konter

In der Landesregiegierung ist Marco Tittler (ÖVP) für den Wohnbau zuständig. Und seine Partei rückt zur Verteidigung aus. Abgeordneter Harald Witwer zum Beispiel: „Wir tun ja schon viel in diesem Bereich. Ich war auf die weiteren Vorschläge der Grünen gespannt. Zugegeben: Ich warte noch. Bis auf die Forderung nach 1.000 neuen Wohnungen habe ich nichts Neues gehört.“ Die Forderung sei unrealistisch und populistisch, poltert Witwer. In den vergangenen Jahren habe man zurückhaltend gebaut, um den Markt nicht noch mehr zu überhitzen. Jetzt könne man das Programm wieder hochfahren. Sein Klubobmann Roland Früstück ergänzt: „Es ist traurig, wenn wir hier eine Stunde lang schimpfen und überhaupt nicht anerkennen, was gemacht wird. Wohnbauförderung, Mietzuschuss, und, und, und.“

Vorschläge der Opposition

Die Opposition genießt den schwarz-grünen Disput, unterstützt aber die Forderung nach mehr gemeinnützigen Wohnungen. FPÖ-Chef Christof Bitschi sieht zwei Hebel: Einerseits müsse man alles tun, damit es einfacher wird, Eigentum zu schaffen. Andererseits: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für den Bau von mehr Wohnungen. Damit würde man der Bauwirtschaft unter die Arme greifen und mit gemeinnützigen Wohnungen wieder ordentliche Mietpreise schaffen.“ Außerdem fordert er, dass die Leerstandsfrage neu angegangen wird.

Mietpreisbremse statt Wohnbaubremse

Elke Zimmermann von der SPÖ fordert „mehr als Lippenbekenntnisse“ beim Ausbau. Außerdem fordert sie eine Mietpreisobergrenze und, dass leistbares Wohnen in der Landesverfassung als Ziel festgeschrieben wird. Und Garry Thür von NEOS sieht die Landesregierung gefordert, bereits für das zweite halbe Jahr ein Bauprogramm auf die Beine zu stellen. Er ortet momentan eine Wohnbaubremse statt einer Wohnbauoffensive.

Tittler beruhigt

Und der zuständige Landesrat? Er fordert alle auf, Ruhe zu bewahren. Natürlich würden in Zukunft wieder mehr gemeinnützige Wohnungen gebaut werden, weil der private Wohnbau zurückgeht. Man dürfe aber nicht nur die Neubauleistung betrachten. „Im vergangenen Jahr hat es in gemeinnützigen Wohnungen 1.300 Mieterwechsel gegeben.“ Also auch diesen Menschen konnte geholfen werden – die Zahl der Haushalte auf den Wartelisten sei zurückgegangen.

Bauleistung wäre stark erhöht

In Vorarlberg gibt es momentan rund 22.000 gemeinnützige Wohnungen. Rund 600 werden momentan gebaut und können in den kommenden Jahren bezogen werden. Laut Regierungsprogramm müssten – je nach rechenweise – zwischen 666 und 800 Wohnungen pro Jahr bezogen werden, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen. Und die Grünen möchten jetzt die Zahl auf 1.000 pro Jahr erhöhen.

Gemeinnützige kritisch

Für die gemeinnützigen Wohnbauträger selbst ist diese Forderungen nicht zu erfüllen. Für Alexandra Schalegg, Geschäftsführerin der alpenländischen Wohnbau, ist die Erhöhung nicht vorstellbar. „Eine Erhöhung der Bauleistung um ein bis zwei Projekte wäre bestimmt möglich. Da müsste man auch darauf schauen, wo genau der Bedarf am größten ist und ob in diesem Gebiet Projekte geplant und umsetzbar wären.“ Die Alpenländische wird heuer 112 und im kommenden Jahr 162 Wohnungen übergeben. Außerdem wird heuer mit dem Bau von 66 Wohnungen und im Jahr 2024 mit dem Bau von 92 Wohnungen begonnen.

Andere Rahmenbedingungen nötig

Der Geschäftsführer der Wohnbauselbsthilfe, Thomas Schöpf, sieht die grüne Forderung ebenfalls kritisch. Vorarlberg weise zwar im Vergleich mit anderen Bundesländern tatsächlich den niedrigsten Anteil an Sozialwohnungen auf. Außerdem seien Sozialwohnungen ein Preiskatalysator auf dem Markt, fährt Schöpf fort. „Was nicht vergessen werden darf, ist, dass gemeinnützige Bauträger nicht kostengünstiger in der Errichtung bauen können wie Private und die Einhaltung vorgegebener Baukostendeckel eine enorme Herausforderung darstellt.“

Auch im Grundstücksmarkt sei man dem freien Markt ausgeliefert. Das alles mache Bauen eben teurer. „Der politische Wunsch nach einer gewissen Anzahl jährlich zu bauender gemeinnütziger Wohnungen ist das eine“, betont der Geschäftsführer. Was tatsächlich realisiert werden kann, hänge von der Wohnbauförderung des Landes, dem Markt und verfügbaren Handwerksunternehmen ab. Zuletzt habe sich der Eigenmitteleinsatz bei Neubauprojekten stark erhöht. „Wir hatten zuletzt Projekte, die wir für 70 Jahre vermieten müssen, um die Darlehen rückführen zu können, dabei sind anstehende Sanierungen noch gar nicht berücksichtigt.“ Für mehr Neubau brauche es also andere Rahmenbedingungen. Die Wohnbauselbsthilfe wird heuer 154 Wohnungen fertigstellen, in den vergangenen Jahren waren es jährlich rund 200.

Der Medizinschrank ist also wohl noch länger gefragt.