Gregor Müller, Kommandant Zivilschutzorganisation Aargau Süd
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Panorama

Alle Schweizer haben einen Platz im Bunker

Angesichts des Krieges in der Ukraine ist das weltweit einzigartige Schutzraumkonzept der Schweiz wieder in den Focus gerückt: Im Ernstfall haben alle neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohner einen zugewiesenen Platz in einem Schutzraum, der höchstens 15 Gehminuten von ihrem Wohnort entfernt ist.

Seit fast 200 Jahren hat die Schweiz keinen Krieg mehr erlebt, aber im Ernstfall könnte das neutrale Land sich buchstäblich einigeln: Es gibt nämlich rund 360.000 unterirdische Schutzräume in jeder Größe. Manche haben zuhause im Keller einen solchen Schutzraum. Es gibt aber auch viele öffentliche Schutzbauten, die hunderten Menschen Platz bieten.

Schutzbunker in der Schweiz

Die Schweiz hat seit fast 200 Jahren keinen Krieg mehr erlebt, sie ist neutral, hat aber etwas, was kein Staat auf der Welt hat: Schutzbunkerplätze für alle 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, finanziert über eine Abgabe. Manche haben zuhause im Keller einen Schutzraum. Es gibt aber auch viele öffentliche Schutzbauten, die hunderten Menschen Platz bieten.

Von außen sind die öffentlichen Schutzräume kaum erkennbar, meist wissen nur Eingeweihte, wo die über eine Abgabe finanzierten Bunker sind. Hinter Panzertüren und Schleusenräumen geschützt, verbergen sich regelrechte Bunkersysteme, in denen im Notfall alle Einwohnerinnen und Einwohner ihren fest zugewiesenen Platz finden würden.

Vertikal schützen – „wie ein Murmeltier“

„Natürlich haben uns die Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg stark beschäftigt“, erklärt Maja Riniker, die Präsidentin des Zivilschutzverbands der Schweiz: „Wir haben in der Schweiz nicht die Möglichkeit, unsere Bevölkerung in der Fläche zu evakuieren. Das wurde uns schnell klar. Wir haben einen sehr begrenzten Wohnraum und es wurde dann relativ bald klar, dass wir unsere Bevölkerung vertikal schützen müssen – quasi wie ein Murmeltier.“

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Unterirdische Unterkünfte mit Stockbetten
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Im Ernstfall hätten alle Einwohnerinnen und Einwohner einen zugewiesenen Platz in einem Schutzraum an ihrem Wohnort
Zivilschutzkommandant meldet sich mit dem Feldtelefon an der Schleuse
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Der Kommandant meldet sich mit dem Kurbel-Feldtelefon an der Schleuse zum Schutzraum
Unterirdischer Schutzraum in der Schweiz
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Insgesamt gibt es in der Schweiz rund 360.000 Schutzräume, deren Ausstattung allerdings teilweise in die Jahre gekommen ist. Eine Modernisierung wird diskutiert, würde aber Millionen kosten.
Unterirdischer Operationsraum einer Sanitätsstelle
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Sogar Operationsräume für medizinische Notfälle gibt es in den unterirdischen Schutzräumen.
Maja Riniker, Präsidentin Zivilschutzverband Schweiz
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Die Schweiz müsse sich mangels Fläche eben vertikal schützen „wie ein Murmeltier“, sagt Maja Riniker, Präsidentin des Zivilschutzverbands der Schweiz.
Gregor Müller, Kommandant Zivilschutzorganisation Aargau Süd
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Je nach Ereignis könnte man in den Räumen mehrere Stunden bis einige Tage überleben, sagt Gregor Müller, Kommandant Zivilschutzorganisation Aargau Süd.

Einmarsch oder Reaktorkatastrophe

Die Bunker schützen für den Fall, dass eine fremde Armee in die Schweiz einmarschiert oder es zu einer Reaktorkatastrophe kommt. Beides war noch nie der Fall. Aber man will für alle Fälle vorbereitet sein. „Die Behörden gehen davon aus, dass man je nach Ereignis mehrere Stunden bis mehrere Tage in den Schutzräumen überleben könnte“, sagt Gregor Müller, Kommandant der Zivilschutzorganisation Aargau-Süd.

Unterirdischer Operationssaal

Auch eine medizinische Notversorgung wäre unterirdisch möglich, zeigt Schutzraumexperte Christoph Singer anhand einer Sanitätsstelle mit Krankenstation und Operationssaal. Das Operationsbesteck aus den 1970er Jahren liegt wie neu und vollzählig bereit für den Ernstfall: „Sie sind damit befähigt, gewisse Eingriffe an verletzten Personen vorzunehmen, die Leute auch zu pflegen und unterzubringen in einem Notfall oder einem Konflikt.“

Modernisieren würde Millionen kosten

Die Schutzraum-Ausstattung ist teilweise in die Jahre gekommen. Kurz vor dem Reaktorunfall in Fukushima gab es Überlegungen, die Schutzräume aufzulassen – das war dann kein Thema mehr. Durch den Ukrainekrieg wird nun darüber nachgedacht, die Schutzräume auf den neuesten Stand zu bringen, doch das würde Millionen kosten. Daher werden die unterirdischen Schutzräume in der Schweiz wohl weiter im Dornröschenschlaf verbleiben.